Der Hauslehrer
Als ich auf der Suche nach einer passenden 8-Worte-Geschichte meine Festplatte durchforstete fand ich diese hier - in abgewandelter und sehr stark verkürzter Form, ist sie auch dort zu finden. Doch ich dachte, ich lass euch auch die lange Geschichte lesen ...Dieses hier ist das erste Kapitel, das ich heute überarbeitet habe. Leider wird sie wieder etwas lang
Also ... es geht wieder in die Antike:
Der Hauslehrer
Seit fünf Jahren leben wir nun bereits in Carnuntum und seit zehn Jahren bin ich als Sklave bei der Familie Claudius. Marcus Auridius Claudius ist ein reicher Händler, der seine Geschäfte nach Pannonien verlegt hat, ebenso seinen Hauptwohnsitz.
Derzeit ist unser Kaiser Titus Flavius Domitianus. Er hat damit begonnen das Legionärslager auszubauen, deshalb sind wir auch hierher gezogen. Mein Herr hat eine Nase für Geschäfte und Carnuntum blüht auf. Es wird hier eine regelrechte Metropole. Aber ich werde nicht viel davon zu sehen bekommen, denn ich muss meine Strafe abbüßen. Eine Strafe, deren Sinn ich nicht erkennen kann, die mein Leben verändert hat und mich zu dem gemacht hat, der ich bin.
Es ist mir, als wäre es gestern erst geschehen.
Virunum, im zweiten Jahr unter Caesar Titus Flavius Domitianus
Sabrina
Die Familie Claudius lebte in einem wohlhabenden Viertel. Sie waren reiche Tuchhändler, die auch gute Beziehungen in den Norden pflegten und ihre Geschäfte nun bis Carnuntum ausdehnen wollten. So hatte sich Marcus Auridius Claudius bereiterklärt, an die Grenze zu ziehen.
„Quintus, warum muss ich immer Strafarbeiten machen“, quengelte Sabrina und zog einen Schmollmund. Die Aussicht, von Virunum wegzuziehen, gefiel ihr ganz und gar nicht. So war sie noch beleidigender als sonst. Gekonnt warf sie ihren Schleier zur Seite und eine hellbraune Locke fiel ihr ins Gesicht.
„Lerne etwas Disziplin, Herrin, dann brauchst du auch keine Strafarbeiten zu machen“, antwortete er gelassen und wartete mit ausgestreckter Hand auf die Tafel. Sabrina hasste es, wenn er das tat. Sie war sich ihrer Stellung sehr bewusst, denn sie war nach dem Tod der Mutter die Domina des Hauses Claudius. Aber Quintus Viridius störte sich nicht daran. Sie war seine Schülerin und es war seine Aufgabe, ihr Disziplin, sowie schreiben und lesen beizubringen. Vor allen Dingen fehlte es der jungen Herrin an Ordnung und die guten Manieren ließen auch zu wünschen übrig. Doch Sabrina war, was das anging, die verwöhnte Tochter, des sehr, sehr reichen Marcus Auridius. Schon oft hatte er mit dem Herrn über diese Mängel seiner Tochter gesprochen. Aber der tat das jedes Mal ab. Quintus stöhnte innerlich über soviel Unvernunft.
„Herrin Sabrina, ich wünschte, du würdest deine Aufgaben nur einmal pünktlich und sorgfältig erledigen“, sagte er. Dann beendete er den Unterricht und entließ sie in ihre Freizeit.
Mittlerweile war es Zeit für die Cena und Quintus wollte etwas Ruhe haben. Sabrina entwickelte sich immer mehr zu einer herrschsüchtigen jungen Frau. Doch jeder ließ ihr ständig alles durchgehen. So war es bei ihrem Vater und dem Onkel, der noch im Haus lebte. Marcus Auridius hatte sich nach dem Tod seiner Gattin, keine Frau mehr genommen und die Sklavinnen in diesem Haushalt waren alle zu gutmütig und Sabrina blind ergeben. So war es an Quintus Viridius der jungen Frau etwas an Bildung und Benehmen angedeihen zu lassen.
Entnervt ging er in die Küche und holte sich ein leichtes Mahl. Während er müde am Tisch saß und den Gesprächen der anderen Sklaven lauschte, dachte er an ihre letzte Bemerkung. Sie war gemein und unnötig gewesen und hatte ihn tief getroffen. Sabrina wusste, wie sie jemanden Schmerz zufügen konnte. „Du solltest froh sein, mein Lehrer zu sein – eigentlich könntest du mir noch andere Dinge beibringen.“ Dabei hatte sie ihn angelächelt und das Kleid am Saum hochgehoben, sodass er ihre Knie bewundern konnte. In Erinnerung daran, verschluckte er sich beinahe am Wasser. ‚Was denkt die nur, wer ich bin?’ Kaum war er mit essen fertig, als es schon durchs Haus schallte: „Quintus!“ Der Herr war ärgerlich. Sabrina musste sich über die Mehraufgaben beschwert haben. Unter allgemeinem Gelächter der anderen Sklaven stand er auf und ging, sich die Strafpredigt anzuhören. Marcus Auridius war an sich ein umgänglicher Mensch, nur wenn es um seine Tochter ging, verlor er jedes gute Augenmaß. So auch jetzt.
Quintus klopfte leise an die Tür des Büros und trat dann sofort ein. Er neigte den Kopf und fragte: „Herr, du wünschtest mich zu sehen.“
Marcus Auridius stand auf, trat vor den Schreibtisch, wobei er mit einem Stock rhythmisch auf seine Handfläche klopfte. Quintus beobachtete das und schluckte. Sabrina musste ihrem Vater eine faustdicke Lüge erzählt haben. „Wenn ich noch einmal erfahren sollte, dass du Hand an mein Kind legst, dann …“ Quintus neigte den Kopf und wagte einen Widerspruch: „Herr, ich habe deine Tochter nicht berührt, sie nicht einmal angesehen.“
„Du wagst sie jetzt noch der Lüge zu bezichtigen?“ Marcus Auridius holte mit dem Stock aus und traf Quintus im Gesicht. „Wenn meiner Tochter ein Leid geschehen sollte, dann werde ich dich wie einen Kriegsgefangenen behandeln! Hast du mich verstanden! Dein Status wird sich dann rapid verändern!“ Quintus schluckte. Er hatte nichts getan. Doch er neigte lediglich den Kopf.
„Und jetzt geh mir aus den Augen. Damit dir nicht langweilig wird und du auf dumme Gedanken kommst, darfst du Pullo helfen, die Latrinen zu reinigen. Er wartet auf dich.“ Es war eine Herabwürdigung seiner Arbeit als Lehrer, wenn er jetzt mit Pullo arbeiten musste. Aber er tat es widerspruchslos.
Die letzten vier Jahre war es immer wieder zu solchen Demütigungen gekommen. Immer dann, wenn Sabrina wegen einer Aufgabe beleidigt war, hatte sie etwas erfunden, damit er bestraft wurde. Er hasst die junge Herrin. Ihr aufreizendes Benehmen ihm gegenüber machte ihn schier wahnsinnig. Sie wusste bereits ganz genau, was sie wollte und wie sie es bekommen konnte. Nur hatte Quintus nicht vor, sich von ihr benutzen zu lassen. Es reichte ihm, dass er hier als Lehrer arbeitete. Am Sklavenmarkt war er beglückwünscht worden, als ihn Marcus Auridius gekauft hatte, denn er war ein reicher Mann und als gütiger Herr bekannt. Niemand hatte je erwähnt, wie ungut Sabrina war.
Seinen Zorn nur mühsam verbergend, half er dem gutgelaunten Pullo, der mit einer harten Bürste über den Boden fuhr, dass das Wasser nur so spritzte. „Na, was hast du diesmal angestellt? Bist du ihr an die Kleider gegangen?“ Pullo lachte anzüglich, doch Quintus drehte sich nur zur Seite und schwieg. „He, ich bin dir wohl nicht gut genug, Mann.“
„Ich habe nichts getan. Wenn du es genau wissen willst, ich habe ihr eine Strafarbeit wegen Disziplinlosigkeit gegeben!“, brüllte Quintus. Pullo blickte ihn ungläubig an. Davon hatte er noch nie gehört, dass jemand der netten kleinen Herrin eine Strafe aufbrummte. „Du bist ganz schön dumm für einen Lehrer“, murmelte er nur und machte weiter. Auch Quintus kroch wie eine Krabbe am Boden dahin und schwang den Schrubber. Er fand es nicht einmal so schlecht, so konnte er sich wenigstens abreagieren. Im Haus des Primus Virgilius Claudius befanden sich sowohl fließendes Wasser, wie auch eine kleine Therme und natürlich gab es eine Kanalisation. Es war eine sehr noble Gegend, in der die Familie Claudius lebte.
„Wie kann er es nur wagen, Fabia! Ich biete ihm die einmalige Gelegenheit und er schlägt sie aus!“, Sabrina schmiss zornig ein Kissen gegen die Wand, während Fabia lachte. „Ich wünschte, ich hätte auch so einen jungen Hauslehrer. Meiner ist leider schon alt und mehr als unansehnlich. Du kennst ihn, es ist Flavius.“ Sie machte ein abfälliges Geräusch, dann klatschte sie in die Hände und fuhr fort: „Ich möchte ihn sehen. Lass ihn rufen, bitte. Er muss ja ein Bild von einem Mann sein, wenn er dich so betört. Oder ist es nur, weil er auf deine Avancen nicht eingeht?“
„Werde nicht frech, Fabia. Aber du hast recht, er ist schön und leider auch sehr klug. Ich wünschte, er wäre nicht mein Lehrer.“
„Ach komm schon. Erzähl, wie sieht er aus. Lass uns ins Peristyl gehen während du berichtest.“ Die beiden jungen Frauen verließen das große Zimmer und schritten durch das Atrium nach hinten, durch einen hübsch verzierten Torbogen hinaus in den kunstvoll angelegten Garten. „Also, Sabrina, erzähl schon. Du wirst nicht mehr lange hier sein und über deinen Lehrer hast du schon sooft geschimpft, dass ich ihn endlich einmal sehen möchte. Beschreibe ihn wenigstens, wenn du ihn mir schon nicht zeigst.“ Fabia bettelte weiter und so ließ sich Sabrina endlich erweichen. „Setz dich, Fabia.“ Dann winkte sie einem vorbeieilenden Sklaven zu und rief: „Hol Quintus her.“ Der Mann neigte leicht den Kopf und eilte weiter. Nach einer Weile, die sie in stummer Betrachtung verharrten, erschien Quintus. Er war verschwitzt und ein roter Striemen durchzog seine rechte Wange. Die blauen Augen blitzten ärgerlich, wurden aber sofort durch ein Senken der Lider daran gehindert, die Herrin anzufunkeln.
„Was wünschst du noch von mir, Herrin“, fragte er.
„Wie siehst denn du aus, Quintus? Bist du in den Eimer für den Müll gefallen?“ Sabrina lachte und Fabia stimmte zögernd mit ein.
„Nein, Herrin, ich habe gearbeitet.“
„Was? Mit deinen Händen?“
„Tia, Domina. So ist es.“
Fabia starrte ihn an und ihr Herz schlug schneller. Noch nie hatte sie so einen Mann gesehen. Ihr Vater hielt sie ziemlich kurz und die eigenen Sklaven fand sie herzlich unansehnlich und sie kannte sie bereits seit ihrer Kindheit. Aber Quintus war interessant, auch weil er einen Doppelnamen hatte, was unter Sklaven nie vorkam. Das schwarze, militärisch kurz geschnittene Haar umrahmte ein dunkles Gesicht, das von einer scharf geschnittenen Nase dominiert wurde. Fabia musterte ihn weiter und ihr Blick blieb an seinen langgliedrigen, feinen Fingern hängen.
„Herrin, was willst du von mir. Ich habe noch …“
„Sei still, Quintus Veridius. Wir wollen dich nur ansehen.“ Der Lehrer begann sich nun doch merklich unwohl zu fühlen. Fabia bemerkte es und flüsterte: „Lass ihn gehen. Ich danke dir.“ Sabrina zuckte mit den Schultern, dann entließ sie Quintus mit einer Handbewegung. Er neigte den Kopf und ging rasch davon.
‚Welch ein schöner, stolzer Mann. Schade, dass ihn Sabrina wie Dreck behandelt’, dachte sie. ‚Ich möchte ihn wiedersehen.’ Der letzte Gedanken ließ ihr Herz rasen.
„Na, jetzt hast du ihn gesehen. Was sagst du dazu?“
Statt einer Antwort nickte Fabia lediglich, dann stand sie auf und verabschiedete sich.
Als die Familie beim Abendmahl zu Tische lag und sich alle lang und breit über ihren Tag ausgelassen, sowie den neuesten Tratsch ausgebreitet hatten, gähnte Sabrina breit. „Tata, kannst du etwas gegen den Lehrer unternehmen. Er ist so aufdringlich und weiß sich einfach nicht zu benehmen.“
„Darüber habe ich bereits nachgedacht, mein Kind. Ich habe ihm die schwerste Strafe für einen Mann angedroht, sollte er noch einmal Hand an dich legen.“
Darüber dachte sie eine Weile nach, dann meinte sie: „Warum brauche ich eigentlich noch Unterricht? Ich bin doch bereits die Domina in deinem Haushalt.“ Marcus Auridius lachte darüber, dann meinte er ernst: „Von meiner Tochter soll es nicht heißen, dass sie weder Benehmen noch Bildung hat – und wie ich leider gestehen muss, mangelt es an letzterem doch noch etwas.“
„O Tata. Ich kann lesen, ich kann schreiben und ich kann sogar etwas rechnen. Was willst du mehr?“ Sie ließ sich den Kelch neuerlich mit Wein füllen. „Ich möchte endlich einmal richtige Aufgaben übernehmen und irgendeine Arbeit lässt sich für diesen lästigen Sklaven schon finden. Es ist ja nicht so, als hättest du sonst nichts zu tun – im Haus oder auf den Latifundien.“
„Sabrina, das geht jetzt doch etwas zu weit. Quintus ist ein gebildeter Mann, den ich wohl kaum ausschließlich für so niedere Tätigkeiten einsetzen würde. Leider sind alle anderen Positionen gut besetzt. Also werde ich ihn wohl verkaufen müssen, wenn du ihn nicht mehr willst. Oder schwebt dir etwas anderes vor?“ Sabrina konnte ein Lächeln nur schwer unterdrücken. Ihr schwebte allerdings etwas anderes vor. Letzte Woche, als sie in der Frauentherme war, hatte eine der Damen berichtet, wie wohltuend es sei, mit einem Mann das Bett zu teilen. Sie erinnerte sich noch daran, wie ihr vor Verlegenheit die Röte in die Wangen geschossen war. Aber die Dame schilderte so detailreich, dass es ihr so war, als wäre sie zugegeben gewesen. Die hatte es mit einem Sklaven sehr wild getrieben und ihre helle Freude daran gehabt. Da musste sie an Quintus denken und wie ablehnend er sich verhielt. Das weckte ihren Zorn auf den Mann. Wenn er sie nicht wollte, dann sollte ihn keine andere haben. Das hatte sie sich an diesem Abend fest vorgenommen, als sie ihren Vater den Vorschlag gemacht hatte, Quintus für andere Arbeiten einzusetzen.
Sabrina war bereits in ihrem siebzehnten Lebensjahr und sie hoffte, nun endlich einmal mit zu den berühmten Gladiatorenspielen genommen zu werden, oder wenigstens zu einem Wagenrennen oder zu einer Orgie. Aber ihr Vater hatte ihr das alles strengstens untersagt. So musste sie ihr Vergnügen eben anderweitig suchen und das bestand derzeit darin, Quintus niederzumachen. Der war in ihren Augen viel zu stolz für einen Sklaven und für die Position eines Hauslehrers denkbar ungeeignet. Ein Hauslehrer sollte demütig sein und ihr keine Strafen aufbürden. Zornig schnaubte sie, als sie auf ihr Zimmer ging. Müde war sie nicht und sie drehte sich lange auf dem Laken herum. Dann stand sie auf und schlich zu den Sklavenunterkünften. Sie verstand sich selbst nicht, warum sie das tat, aber sie wollte ihn sehen und ein neuer Plan begann in ihrem Hirn zu reifen. Sie sah ihn, wie er von den Waschräumen zurückkam. Das Haar war nass und er hatte nur ein Tuch um die Hüften geschlungen. Sein Anblick verschlug ihr die Sprache und schnell verbarg sie sich hinter einem Mauervorsprung. Vorsichtig lugte sie hervor, und betrachtete ihn weiter. Gerade unterhielt er sich mit einem anderen Sklaven. Beide lachten über irgendetwas. „Nein, nein Flavius, mir geht es gut“, sagte er eben, drehte sich um und sie konnte seinen nackten Oberkörper sehen. Er war nicht sehr muskulös, aber kräftig und er war dünner als sie gedacht hatte. Die Tunika verbarg diesen Umstand. „Bona Nox, Flavius“, damit verschwand er hinter einer Tür und Sabrina hatte zu tun, unbemerkt wieder in ihr Zimmer zu gelangen.