Es ist heilig
Es ist heilig! (nach dem Lied „Under der Linde“ von Walther von der Vogelweide)Unbändig schlug mein Herz im wilden Takt. So sehr hoffte ich, sie würde erscheinen und konnte es dennoch nicht ertragen, sie zu sehen, denn ich wusste, unsere gemeinsame Zeit neigte sich ihrem Ende entgegen.
Der Wald im Hintergrund rauschte sanft im leichten Sommerwind. Ich hörte die Bienen summen und das Lied einer Amsel. Lerchen stießen im Sturzflug auf ein Feld und erhoben sich kunstvoll erneut in die Luft. Sie tanzten den Tanz der Liebenden, während ich auf meine Geliebte wartete.
Da sah ich sie und das Blut sang in meinen Ohren. Freudestrahlend lief sie auf mich zu. Mit einem Lächeln begrüßten wir uns, bevor wir uns am Fuß der mächtigen Linde niederließen und sie von ihrem Tag berichtete. Die Vögel verbargen mit ihrem Lied unser Gespräch und Grillen zirpten im Gras.
Ich sog ihren Anblick in mich auf. Dieses feine, liebliche Gesicht, die strahlend grünen Augen, der sinnliche rote Mund. Alles sang ihren Namen, ihren köstlichen Duft. Ihre Weiblichkeit, noch züchtig verhüllt, zeichnete sich unter dem Stoff ihres Kleides ab. Sanft strich ich ihr die Haube vom Kopf und liebkoste ihr Haar, während sie leise lachte. Sie mochte es, wenn ich das tat. O dieser Wohlgeruch, den meine Blume verströmte. Genau hier wollte ich sie haben und sie kam zu mir. Noch immer konnte ich es kaum glauben und strich ihr sanft über den Kopf, das Gesicht und den Hals, nur um mich ihrer Gegenwart zu versichern.
Mit einem Mal wandte sie sich mir zu, nahm mein Gesicht in die Hände und begann mich zu küssen. O, ihr Mund, ließ mich in sie fließen und gleichzeitig darin ertrinken. Wir sprachen nicht mehr, ließen alle Belanglosigkeiten fallen wie unsere Kleidung. Ergaben uns unserem Begehren, hier unter dieser weitausladenden Linde, wo unsere Liebesstatt war. Das Gras kitzelte uns und ließ uns lachen, während wir fröhlich, wie Kinder eine neue Welt entdecken, mit unseren Händen auf Reisen gingen.
Sie schenkte sich mir. Nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Vertrauen überließ sie meiner Führung. Bald schon hörte ich ihr wildes Verlangen. Sie ließ mich in sie tauchen, sie trinken. Ihre Blüte mit meinem Stab berühren. Wie süß, sie aussah, als sie mich empfing. Ich fühlte nur noch. Hörte sie meinen Namen rufen, während wir immer heftiger wurden und uns im Takt der Lust bewegten.
Alles zerfloss zu einem Bild und das hatte ihr Gesicht. Ihr roter Mund, der mich so willig empfangen hatte, zierte ein Lächeln, so schön wie die Morgensonne. Ich bin der reichste Mann auf Erden, auch wenn ich nur ein armer Sänger bin, dachte ich in dem Moment und küsste meine Geliebte.
Die Blumen ringsum deckten unsere Tat, betörten uns mit ihrem Duft und ließen das Verlangen erneut in uns keimen. So liebten wir uns und es war heilig, ganz gleich was die Kirchenmänner dazu sagen. Es ist heilig!
(c) Herta 7/2010