Liebestraum
eine weitere liebestheoretische Schrift, angeregt durch den thread Gedichte und Lyrik: die anderenDer Liebes Traum
Ach, wo doch alles so schön angefangen hat:
Wie er schaute und sie lachte, und wie gut man sich verstand
wie sie meinte und er glaubte: ab jetzt alles Hand in Hand!
Lassen wir die Jahre (so es so lange dauert) im Zeitraffer vorüberziehen, sehen wir die Blicke der beiden eher Richtung Decke, TV oder Fenster, wird weder der Partner noch die Welt mehr verstanden, und die Hände hängen schlaff oder ballen sich zur Faust.
Aus der Traum!
Die Seifenblase ist geplatzt, der Himmel schmückt sich mit Regenwolken anstatt mit Geigen, und unser Traumpartner entpuppt sich als herbe Enttäuschung.
Und dann sitzen wir im selbst gebastelten Elend und fragen uns: was ist geschehen?
Einerseits sind wir zu leichtfertig bei der Auswahl unserer Partner – noch immer sind wir kaum über die einfachsten Kriterien hinaus: Du Tarzan, ich Jane, hier die LiebesLiane, also los!
Selbst wenn wir es gut verdienenden Instituten oder Foren und ihren Computer generierten Fragebögen mit vermeintlichem Objektivitätsgewinn überlassen, für uns Mr. oder Ms. Right zu finden, Jahre später passt nur noch wenig. Falsche Fragen, verlogene Antworten und der missachtete Lauf der Zeit mit seinen Veränderungen, äußerlich wie innerlich.
Das komplexe System Mensch wird dabei gänzlich außer Acht gelassen.
Der ebenso vage formulierte wie überfordernde Anspruch an Glück wird kaum bedacht. Der Mangel dieses Gefühls entscheidet aber fast allein über den Miss/Erfolg unseres Lebens.
Andererseits trügt uns ebenso die Fehleinschätzung des gemeinsamen Traums.
Nehmen wir mal das Beispiel Eigenheim: Wie wonnig sahen in unserem Traum die eigenen vier Wände aus, wie perfekt als Hülle und Heim für das große Liebesglück. Da wurde jahrelang hingeschafft, hart gearbeitet, mit Verstand geplant, liebevoll eingerichtet – und kaum hat man sich ein bißchen auf der Couch gelangweilt, auf der Terrasse das Schweigen der Nachbarn belauscht und im Schlafzimmer das Drehen zur Außenwand geübt, bröselt der Comfortputz gewaltig.
Dabei haben wir nichts falsch gemacht: der Traum war gut, der Partner passend - denn schließlich steht die Kiste ja ... wir haben nur versäumt, rechtzeitig einen neuen Traum zu formulieren. Wir haben eine Traumhülle für unser Leben, aber noch keinen Inhalt.
(Das machen wir auch mit dem Traum Urlaub so: wir verwenden viel Zeit auf das Aussuchen des besten Angebotes, aber kaum einer verschwendet auch nur eine halbe Stunde mit dem Gedanken, WAS er da machen will. Ergebnis: siehe Eigenheim)
Dass wir uns jetzt leer fühlen, schieben wir gerne unserem Traum Partner in die Schuhe. Manchmal mag das auch stimmen: vielleicht war es gar nicht sein Traum ? - was ihn nicht davon frei spricht, das zu erkennen und auszusprechen. Wir haben ihn vielleicht überrannt und überfordert mit unserem Traum. Irgendwann stößt der andere unseren Traum ab wie körperfremdes Eiweiß.
Aber wer könnte ihm dafür einen Vorwurf machen?
Kann uns doch das Gleiche mit unseren eigenen, selbst gefertigten und heiß ersehnten Träumen passieren. Ein Traum ist schön, weil er uns aus dem Alltag hebt, weil er uns kreativ werden lässt, zum Arbeiten anregt, Grenzen verschiebt zum Über-uns-hinauswachsen...
aber wenn er sich erfüllt, wird er Alltag, ist er fertig und wir sind auf TraumNiveau angekommen– das muss ernüchtern! Dagegen hilft nur... ein neuer Traum!
(Und zwar viel besser als ein neuer Partner – mit dem wir womöglich den gleichen alten Traum verwirklichen würden, mit demselben langweilenden Ergebnis)
Ein Traumhaus hat nie dreckige Fenster oder eine defekte Heizung,
der Traumurlaub findet nie an Stränden statt, über denen sich volle Flieger mit Tausenden von Touristen entleeren, und mit meinem Traummann verbringe ich höchsten mal eine Traumnacht...
Das Glück kommt aus dem Genuss des Moments, manchmal gekrönt durch ein mit-erlebendes Gegenüber, manchmal allein ... dem bewussten Erleben einer Wirklichkeit, die mich in Aufgabe und Ergebnis zufrieden macht.
©tangocleo 2010