Fragen zum W
Tatsächlich frug ich mich heute Morgen: „Wie ist das Wetter?“ Und prompt wagte ich einen Blick zum Fenster hinaus und wollte mich sogleich wieder ins Bett legen. Es ist eine der Lieblingsfragen in meinem Beruf. Die Frage nach dem Wetter. Also, wieso sollte ich mich das nicht selbst fragen? W … warum, wieso, weshalb, wodurch … wumm … irgendwo hat ein Schmetterling einen falschen Flügelschlag getan und ein Landstrich wurde dem Erdboden gleichgemacht. War es eine Naturkatastrophe oder durch einen Bombeneinschlag? Schon wieder eine W-Frage. Ist es eigentlich erheblich, warum ein Landstrich kaputtgemacht wird, oder wodurch? Alles ist hin und hinüber. Menschen, Tiere, Pflanzen – nichts ist mehr da. Dort brennt die Hölle, andernorts ertrinken sie im Regen und wieder wo anders wird munter drauflos massakriert.Warum?
Wieso?
Weshalb?
Wodurch?
Was?
Wie?
Wo?
Warum?
Ja, die letzte Frage, die stelle ich mir am häufigsten. Warum? Warum sterben Menschen sinnlos, weil manche zu gierig sind, die einfachsten Sicherheitsmaßnahmen zu finanzieren oder sich nur sinnlos bereichern wollen, weil sie den Hals einfach nicht voll kriegen?
Wieso müssen Menschen hungern und wir werfen subventionierte Lebensmittel ins Meer, damit der Preis nicht verfällt?
Weshalb herrscht unter uns Menschen soviel Neid? Gönnen wir dem anderen nichts? Wollen wir immer besser, schneller und reicher sein als der Andere? Weshalb gönnen wir dem Nachbarn nicht sein neues Auto? Hat er nicht dafür gespart? Weshalb gönnen wir dem nicht seine Arbeit oder neiden wir dem anderen die Hungerabspeisung vom Sozialamt?
Weshalb fragen wir uns nicht öfter, wie es dem Nachbarn geht oder dem Partner, dem Kind? Weshalb fragen wir uns nicht öfter, wie es uns selbst geht? Geht es Ihnen gut? Mir geht es nicht gut, wenn ich mir diese Fragen stelle, ehrlich, wirklich, sauschlecht, um nicht zu sagen, grottenschlecht. Aber das interessiert keinen. Das eigene Befinden hat gefälligst gut zu sein, ob mit oder ohne Fragen. Der Mensch in unserer Gesellschaft hat zu funktionieren! Weshalb?
Wodurch sind wir alle solche Egoisten geworden? Ich nehme mich nicht aus, denn meistens ist es mir mehr als gleichgültig, wie es dem Nachbarn geht oder mir selbst, solange ich nur das mache, was ich von mir verlange oder von mir verlangt wird. Ich habe darauf keine Antwort – nein, nicht einmal ein gutes Glas Rotwein verrät es mir.
Es gibt nur einen Versuch einer Erklärung, so wie ich es nach einigem Nachdenken sehe. Die Medien geben uns vor, was wir zu denken und zu sehen haben. Was sehen wir? So kommen wir zum nächsten Fragewort. Was.
Was sehen wir? Sehen wir, was wir wollen, was wir sehen müssen, können oder dürfen? Ich befürchte, wir sehen nur noch das, was wir dürfen und müssen, denn das, was wir können, wenn wir dürften, wollen wir nicht mehr sehen, weil es zu schrecklich ist. Dann müssten wir erkennen, wie armselig wir uns unseren Mitmenschen und auch den anderen Lebewesen gegenüber verhalten. Wir wären gezwungen, hinzuschauen, wenn in Teilen der Welt Frauen gesteinigt werden, weil sie angeblich einen Ehebruch begangen haben. Wir wären gezwungen zu erkennen, wie wenig nützlich es ist, Haifischflossen zu speisen oder Walfleisch. Wir würden genötigt zu erkennen, wie viel Not und Elend auf dem Großteil unseres ach so schönen Planeten herrscht.
Wir müssten erkennen, belogen worden zu sein.
Wie, frage ich mich nun schon leicht beklommen, konnte es nur so weit kommen, dass wir uns belügen lassen und diesen Lügen auch noch bereitwillig glauben? Nein, nicht nur glauben wir sie, wir beten sie als Wahrheit herunter. Wie konnte aus humanitas und caritas nur soviel Egoismus entstehen?
Wo ist das alles hingeraten?
Und
Warum?
Wie ist das Wetter heute?
(c) Herta 8/2010