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Dünen und Ebbe

Dünen und Ebbe
Aus dem Hotelradio jault beschwingt „Take good care of my baby“.
Sie steht auf dem Balkon in der blassen Morgendämmerung.
Bald wird die Sonne über der Dunstschicht,die über dem Meer liegt, aufgehen.
Ein neuer Tag.
Ein neuer Tag für diese Welt der Massen, die auf Halbpension, Bräunungsbeschleuniger und auf billiges fastfood stehen, das sich nur durch die verfärbten Fotos auf den Speisekarten und die beschönenden Speisentitel unterscheidet, nicht aber durch den Geschmack.
Alles schmeckt gleich – fettig, fad und lieblos.
Wie ihr Leben.
Sie zieht sich Shorts und ein Shirt an, poppt den iPod in die Ohren und
verlässt das Zimmer.
Über die grauen Dünenrücken und durch die dunkleren, nachtfeuchten Täler dazwischen, Richtung Meer.
Es ist Ebbe.
Silberschimmernd liegen die nassen Sandflächen vor ihr, von denen
sich das Wasser zurückgezogen hat. Kleine dunkle Steine - schwarzes Vulkangestein, rundgerieben von Jahrtausenden der Gezeiten und steter Brandung – lassen sie langsamer laufen. Jeder Schritt bewusst, vorsichtig und genau.
Sie spürt den Wind, der ihr über die Haut streift. Jede Pore berührt, sanft und kühlend.
Der Himmel wird heller, zartes Grau nimmt mit einem Hauch von Rosé an.
Sie atmet tief ein.
Über ihr kreisen Möwen in weiten Bahnen.
Ist ihr Leben noch lebenswert? Mit dieser Frage schlägt sie sich seit Jahren herum, ist mit ihr im Gepäck hierher geflogen und jetzt steht sie hier am Strand damit.
Warum sieht sie nur Verluste, wenn sie zurückschaut? Sie hat Menschen verloren, Männer sind gekommen und gegangen, Freunde haben ihre Bedeutung verloren, ihre Kinder sind erwachsen geworden.
Sie hat Orte verlassen, Städte, Wohnungen, Häuser und Gärten.
Sie hat Berufe, Aufgaben und Beschäftigungen aufgegeben. Von manchem hat sie sich leicht, von anderem nur schwer getrennt.
Sie hat ihre Jugend verloren, den äußeren Teil ihrer Schönheit, ihre Unbeschwertheit, ihren Mut.
Sie hat das Loslassen geübt. Und sie wurde immer besser darin. Jetzt weiß sie nicht mehr, was sie noch halten soll.
Sie legt diese Frage in großen Buchstaben in den Sand.
Doch wer soll sie beantworten?
Sie geht weiter, umrundet die Bucht, die Brandung begleitet sie und der Wind.
Sie könnte hinausschwimmen, ganz weit, und irgendwo da draußen, im weiten Ozean, untergehen. Ein Teil dieses großen Wogens werden, verschluckt von den Tiefen, bewegt von den Gezeiten, bis sie klein wie die Steine oder fein wie der Sand irgendwann wieder an einem Strand angeschwemmt würde. Nichts würde sich ändern – wie auch jetzt wäre sie nur eine Ansammlung Atome, ein winziger Bruchteil der Welt.

Sie steht mit den Füßen im Wasser und schaut zum Horizont.
Die Weite um sie herum weitet auch ihr Herz.
Da brechen die ersten Strahlen der Sonne durch den Dunst. Ein goldener Schimmer legt sich wie ein einladender Weg über das Wasser. Sie verfolgt diese Straße mit den Augen und sieht die Sonnenkugel aufsteigen. Alles bekommt auf einmal scharfe Kontur und Farbe.
Und sie begreift:
Da ist nicht nur Verlust. Da ist eine Welt mit unglaublicher Schönheit.
Hier ist ein neuer Tag, auch für sie. Ein strahlender Tag, der wünscht von ihr angenommen, gelebt und genossen zu werden. Jede Sekunde, jeder Atemzug. Alle Farben, alle Düfte, die verschiedenen Geschmäcker und all die schönen Bilder.
Sie dreht sich um und geht zurück zum Hotel. Sterben kann sie auch ein anderes Mal. Heute will sie noch leben.


©tangocleo 2010
WOW.....Cleo, mir fehlen gerade die Worte. Hast du am Wochenende, als ich im Watt stand, meine Gedanken/Gefühle belauscht?
Alles und Jede(r) ist verbunden...auch davon erzählen die kleinen Steine und Muscheln...hier ist der Beweis
Ich danke Dir
*wink*Nio**
Danke. *blume*

Sehr bewegend, sehr vertraut.
********ride Frau
1.212 Beiträge
G'rade noc die Kurve gekratzt
Was so ein Sonnenaufgang alles umdrehen kann! Erstunlich und schön (ja, irgendwie befreiend) zu lesen.
Typisch Cleo halt! Danke!
Bori
********ride Frau
1.212 Beiträge
Ich schulde Dir noch ein
"h" und einen "a"... sorry, habe zu schnell getippt:)
@ nio, die eine, bori
ich danke euch *g*
****is Frau
9.947 Beiträge
Ich bin mit ihr gegangen!
Wunderschön geschrieben - - -

ich sah diese Frau am Strand - - am Wasser - - - im Sonnenaufgang - - -

ev
Oh Jaaaa!
Mit dieser Frage schlägt sie sich seit Jahren herum, ist mit ihr im Gepäck hierher geflogen und jetzt steht sie hier am Strand damit.

und der Satz ist ein literarische Leckerbissen!

tiefverbeug *anbet* laf
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
Da finden sich aber noch schönere Sätze, lieber Olaf ...

Liebe Cleo: *top2*

(Der Antaghar)
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Ich habe nichts auszusetzen, außer einer Kleinigkeit:

ein "beschwingtes Jaulen"... das geht für mich nicht. Das ist für mich ein Widerspruch in sich und daher nicht kompatibel... entweder etwas kling beschwingt oder es klingt jaulig... aber gleichzeitig? Nein.

*g*
@ sina
vielleicht nicht ganz korrekt zugeordnet: denn das Radio jault und die Melodie ist beschwingt. Da hast du recht.

ansonsten @***en danke, dass ihr diesen Spaziergang gerne mit mir gemacht habt *g*
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Wie wäre es mit "dudelt beschwingt"?

Egal, ich halt mich raus.

*schweig*
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ SinasTraum
Das ist sehr interessant.

Jaulen - das ist für Dich vielleicht was anderes als für Cleo oder auch für mich. Es gibt schmerzhaftes Jaulen, drängendes Jaulen - aber ich kann mir auch beschwingtes Jaulen vorstellen. Kommt vermutlich wirklich darauf an, was man mit diesem Wort verbindet.

Aber durch Deinen Einwurf hab ich erst richtig bemerkt, dass man das auch anders als ich empfinden kann. Und so würde ich auch empfehlen, hier ein anderes Wort zu verwenden, liebe Cleo ...

(Der Antaghar)
Aus dem Hotelradio jault beschwingt...
dann würde ich es so machen:
Aus dem Hotelradio jault der beschwingte Refrain von...
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Auch wenn's Radio jault, statt dudelt, ist es eine schöne, gut erzählte, lebendige Geschichte.
Mal wieder eine echte Cleogeschichte eben *g*
;-))
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
@ tangocleo
Klasse! So kann man das lösen.

Unabhängig davon eine richtig schöne "Geschichte", bei der ich Dich gerne begleitet habe.

(Der Antaghar)
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Das gilt auch für mich! *ja*
**********Engel Frau
25.831 Beiträge
Gruppen-Mod 
Einfach zum Mitfühlen wunderschön!!
*******ose Frau
793 Beiträge
eine "Gänsehaut-mach-Geschichte" - schön

Danke!
**********sia22 Frau
329 Beiträge
Du bist eine hervorragende Erzählerin, gute Beobachterin und Bildermalerin (ja, ich lese mit allen Sinnen) - aber, und nun möge man mich steinigen, mir fehlt etwas Gefühl - natürlich rein subjektiv.
Die Geschichte wird mehr von außen als von innen erzählt. Vielleicht Absicht.
Gern gelesen.

LG, Ana
@ all
danke für´s positive feedback .-)

@*********asia
Es IST Absicht, eher "allgemein" und nicht "sentimental" zu werden. Ich will Platz lassen, Platz für die individuelle Lesart und Übertragung der Leser.
Da hebe ich gewiss keinen Stein *g*
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