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Die Truhe

**********sia22 Frau
329 Beiträge
Themenersteller 
Die Truhe
Wachs tropfte über seine Finger, die dermaßen schweißfeucht waren, dass er sich einbildete, ein Zischen zu hören.
Pffft machte es, als die Talgkerze erlosch. Ein Lufthauch streifte seine Wange. Vor Schreck stolperte er, hätte beinahe die unterste Stufe der Kellertreppe verfehlt und konnte sich im letzten Moment am morschen Holz des Geländers festkrallen, während seine Füße in den schweren Schuhen auf dem nassen Steinboden wie auf einer Eisbahn wegglitten. Unsanft landete Franz-Markus auf dem Rücken, wobei sein Rucksack, der wie ein leerer Schlauch über seinen Schultern hing, den Aufprall kaum abschwächte. Er atmete schwer, sog die feuchtwarme Luft in seine Lungen und meinte, die Gluthitze der vergangenen Tage selbst hier unten noch zu spüren. Hatte die alte Dame das Poltern bemerkt? Nein, kein Laut drang von oben herunter. Die Sparsamkeit von alten Leuten fand er schon immer zum Kotzen! Nicht mal die Glühbirne wollte sie wechseln, als diese kläglich knisternd bei ihrer letzten Begehung erlosch. Aber im sterbenden Lichtstrahl hatte er sie noch bemerkt: Die alte Truhe mit den eingekratzten Runen.
„Was ist da drin?“
„Ach, nur altes Kriegszeug von meinem Vater, Erinnerungsstücke. Wollen Sie nun den Schrank?“
Erregt hatte er sich über die Lippen geleckt. „Nein, aber die Kiste würde ich mitnehmen.“
„Die kriegen Sie nicht und jetzt raus hier, junger Mann!“
Das werden wir ja sehen, hatte er gemurmelt, als die Rentnerin ihn zur Haustür drängte und er dabei das boshafte Funkeln in ihren Augen nicht sehen konnte.
„Rommel“ stand in abgestoßenen Emaillebuchstaben unter dem Klingelschild, das konnte kein Zufall sein.
Bereits in der nächsten Nacht verschaffte er sich Zutritt zum Haus.

Um diese Uhrzeit schlafen Greisinnen wie die Rommel, hoffte er.
Seine Augen konnten die Dunkelheit kaum durchdringen, blinzelten, um den verschiedenen Grausstufen Kontur zu geben. Vergeblich: Nachtschatten sind schwarz. Auf allen Vieren tastete er sich zu dem fahlen Silberstrahl in der hinteren Ecke des Raumes, wo er die Truhe erahnte. Draußen, vor dem Kellerfenster, saß eine Katze auf dem Gehsteig und schluckte das Mondlicht. Franz-Markus warf die Kerze gegen die blinde Scheibe und horchte auf das Kollern, das ihm verriet, wohin sie schließlich rollte. Er schimpfte leise. Die Katze verschwand, heller wurde es nicht. Er kramte eine Schachtel Zündhölzer aus seiner Hosentasche. Im zittrigen Schein des Streichholzes erschien das alte Truhenschloss wie ein dunkles, tanzendes Loch. Direkt daneben hing ein Schlüssel, an einer Kette. Beinahe hätte er laut aufgelacht. Das war ja einfacher, als er dachte. Die Alte war doch wirklich endblöd! Die Kerze lag vor der Truhe. Er entzündete sie, stellte sie auf den Boden und langte nach dem Schlüssel. Er ließ sich geräuschlos drehen, ruckelte etwas, verkantete sich und bewegte sich keinen Zentimeter mehr. Mist! Jetzt würde auch sein Dietrich nicht mehr ins Schloss passen. Ratlos strich er über seinen Stoppelkopf („Bürstenhaarschnitt, heißt das, Mama!“), dann zerrte er wütend am Griff und knallte sich beinahe die Holzkante gegen das Kinn. Die Truhe war die ganze Zeit offen! Sein Herz klopfte schneller.
Als er den Deckel hob, malte er sich aus, wie seine Kumpel vor Bewunderung erstarrten, wenn seine Zimmerwände echte Orden, statt selbst gebastelte Hakenkreuzfahnen schmückten. Dann könnte er endlich stilgerecht ihre nächste Zusammenkunft zelebrieren, würde nicht mehr als Versager betitelt werden, weil er es nicht auf die Reihe kriegte, dem schwarzen Nachbarsjungen vor die Füße zu spucken, der einen halben Kopf größer war als er. Er fand das irgendwie anrüchig, weil der ihm im vorletzten Jahr noch bei den Hausaufgaben geholfen hatte. Doch jetzt würde er endlich dazugehören. Das Zeug war Gold wert! Beherzt griff er hinein.
Der markerschütternde Schrei, den er hörte, war sein eigener. Ein unbeschreiblicher Schmerz durchfuhr seine rechte Hand, die andere glitt am Truhenrand ab und stieß ins Leere. Dabei schlug er sich die Stirn am Truhenrand. Gurgelnde Geräusche, die er so nur aus seiner Kindheit kannte, rollten über seine Kehle und fassungslos versuchte er die riesige Mausefalle abzuschütteln, die seine Finger zerquetschte. Das verstärkte den Schmerz nur noch. Heulend stürzte er die Kellertreppe nach oben, aus dem Haus, auf die Straße. Während er schluchzend die Häuserzeile entlangschrammte, gelang es ihm, den Eisenbügel von seiner Hand zu lösen. Der Käsedorn hatte sich in seine Handfläche gebohrt. Dicke Tropfen quollen aus der Wunde, fielen auf den Gehweg und hinterließen eine dünne Blutspur.

Frau Bommel nickte zufrieden hinter ihrer Gardine, zog sich einen Morgenmantel über und schlurfte nach unten. Bevor sie die Haustür sorgfältig verschloss, korrigierte sie mit einem Edding den abgeblätterten Buchstaben an ihrem Namensschild.

©C.G.
**********sia22 Frau
329 Beiträge
Themenersteller 
Mist, der Text sollte in das Geschichtenspiel!
Man merkt, dass ich schon lange nicht mehr hier war. *zwinker*

LG, Ana
Ich aber sehr geil geschrieben.

Hat Spass gemacht zu lesen!

Luna
hier wie dort sehr ok!
*g*
ja
...und ideal im ausgang - der übeltäter gerät in bedrängnis
**********sia22 Frau
329 Beiträge
Themenersteller 
Dankeschön.
Freut mich, dass die kleine Geschichte gefällt, hatte schon an mir gezweifelt, ob ich's überhaupt noch kann, also schreiben meine ich.

Eine Dopplung habe ich noch bemerkt (Truhenrand), konnte aber nix mehr editieren.

LG, Ana
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