The End Of The Affair
An dem Roman „The End Of The Affair“ von Graham Green hat mir schon immer der Titel gefallen. Er ist dramatisch, fast romantisch, ein Versprechen auf gepflegtes, bis zur Neige ausgeskostetes Freud+Leid. Und für den Leser ist solch ein Titel schon die Zusammenfassung der Geschichte, der einem das Vorablesen der letzte Seite erspart (so man zu diesem ungeduldigen Leserkreis gehört, der unbedingt schon vorher wissen will, wie es ausgehen wird),– dass die Affaire endet, weiß man schon, wenn man das Buch zur Hand nimmt.Dass ihre Affaire bitter enden würde, wusste Kathrin von Anfang an. Ganz unabhängig von der Begabung der Beteiligten, ist eine Affaire per se nur ein vorübergehender Zustand. Und für Menschen wie Kathrin eine Situation, die sie wegen ihrer Kurzlebigkeit erst gar nicht aufkommen lassen wollte. Sie brauchte Hoffnung, Entwicklung und eine Aussicht auf Zukunft.
Sie wollte nicht nur eine Affaire sein.
Nick lernte sie im Zug kennen. Sein Auto war in der Werkstatt gewesen, und so hatte er den Regionalzug nehmen müssen, mit dem sie täglich zur Arbeit fuhr. Er hatte aus Unerfahrenheit und in Eile ein falsches Ticket gelöst, und über die Diskussion mit dem Schaffner – ein schwitzendes, überfordertes Kerlchen, der sich in seiner Hilflosigkeit eisern an seine Vorschriften klammerte und deswegen Nick ein überhöhtes Schwarzfahrerticket ausstellte – war sie mit dem gut gekleideten, herb nach einem teuren Eau de Toilette duftenden Mitreisenden ins Gespräch gekommen. Nick bat sie um ihren Namen und Adresse, als mögliche Zeugin, da er bei der Bundesbahn Beschwerde einlegen wollte.
Zwei Wochen später rief er sie an. Er lud sie zum Abendessen ein, um sich für ihre nicht benötigte Zeugenschaft zu bedanken. Es war ein abwechslungsreicher Abend, sie sprachen endlos lange über ihrer beider Leben. Auch noch in seinem Auto, in dem sie fast bis zum Morgengrauen vor ihrer Haustür saßen und über seine Ehe sprachen.
Er lud sie noch zweimal zum essen ein. Und sie ließ sich auf ihn ein, blendete den Umstand aus, dass er verheiratet war und Kinder hatte. Genoss seine Gegenwart, seine Komplimente, seine Zärtlichkeit. Für eine Zeit war sie einfach nur glücklich, beseelt von dem Gefühl, geliebt zu werden und zu lieben.
Ab und zu sprachen sie über die Heimlichkeit ihrer Treffen, die abrupten Enden ihrer Begegnungen und über das Bedauern, die gemeinsame Zeit immer als zu wenig zu empfinden. Aber meistens verdrängten sie diese Gedanken und versuchten einfach nur zu genießen. Über schlechtes Gewissen oder wie die Zukunft aussehen sollte, sprachen sie nie. Obwohl sich Kathrin schon ab und zu fast auf die Zunge beißen musste, um eine Bemerkung oder Frage zu unterdrücken.
So ging es Wochen und Monate. Bis zu jenem Samstag, als Kathrin nach ihrer kleinen Shoppingtour in der Innenstadt in einem Straßencafé saß, vor sich einen Espresso und ein Modemagazin. Sie sah von ihrem Artikel auf, weil sie glückliches Kinderlachen hörte. Und da sah sie Nick, ein Kind zwischen sich und einer Frau, das sie immer wieder nach mehreren Schritten an den kleinen Ärmchen hochfliegen ließen. Es jauchzte vor Vergnügen. Ein zweites Kind war an Nicks anderer Hand und rief: „Ich auch, ich auch!“
Kathrins Herzschlag setzte einen Moment aus. Doch sie wandt ihren Blick nicht ab, sondern betrachtete die Viererkette:
Dieses Bild der glücklichen Familie, ein Wochenendidyll Hand in Hand, das gemeinsame Lachen, ihre Kette als ein Sinnbild der Verbundenheit in Namen, Status und Heim, geborgen und geschützt, verankert in Tradition und Gesellschaft, berechtigt und zu Recht beständig, das, was sein soll und sein darf.
Und sie sah sich dagegen, allein und ohne Gefährten, die versteckte, verschwiegene Geliebte, der Eindringling und eine zersetzende Kraft, heimlich genossen, ohne Berechtigung, verschämt erlebt und beschämend verleugnet, ein der Zeit abgetrotztes Vergnügen, eine Momentaufnahme der Lust.
Als sie außer Sichtweite waren, zahlte sie und ging nach Hause. Ließ das Telefon klingeln, wenn sie Nicks Nummer erkannte. Weinte, tobte und litt. Bis er nach zwei Wochen nicht mehr anrief.
Die Affäre war beendet.
©tangocleo 2010