Hausputz in meinem Gedankenhaus
So viele Gedanken habe ich gedacht, letzte Nacht, als ich mich schlaflos hin und her wälzte. Gesammelt hab ich sie, wie Kastanien bei einem Herbstspaziergang. Einsortiert, in farbige Körbchen, habe ich sie betrachtet und in verschiedenen Räumen meines Gedankenhauses abgestellt. Ein blaues Körbchen fand seinen Platz im Keller. Darin waren Gedanken, die ich nicht denken wollte, mit denen ich mich nicht auseinandersetzen wollte. Gedanken, die schmerzten und bei denen es mir schwer fiel, sie als meine anzunehmen.
Ein gelbes Geflecht stellte ich mitten auf den Tisch in der guten Stube, dahin, wo die Sonne schien und ein jeder es sehen konnte. In diesem waren Gedanken, die ich schon oft dachte und die ich für gut und richtig befand.
Ein kleines, rotes Kästchen mit Deckel brachte ich auf den Dachboden. Darin waren weniger Gedanken, als Erkenntnisse. Erkenntnisse, die mich sicher auf meinem Weg führten bis ins Jetzt dieser Nacht.
Dann gab es all diese neuen, fremden Gedanken, die ich vorsichtig in ein braunes Jutesäckchen packte und dieses neben meinem Bett platzierte. Diese Gedanken schienen es wert, noch einmal, oder gar zu Ende gedacht zu werden.
Immer wieder ging ich durch mein Gedankenhaus und suchte nach der Herkunft all dieser Geistesblitze, nach der Person, um die es ging und der Situation, mit der ich offensichtlich einen Konflikt austrug. Ich wollte Ordnung schaffen und Ruhe finden.
Neugierig und entschlossen ging ich zur Kellertüre, denn mir war klar, dort unten würde ich anfangen wollen mit dem Hausputz. Eine Kerze in der Hand, versuchte ich Licht in den schwarzen Schlund des Niedergangs zu bringen. Von Unten erklang ein leises Wimmern, in schwaches, blaues Licht getaucht, und mit jeder Stufe, die ich hinab ging, wurde es lauter. Meinungen, Ideen, Erinnerungen, Absichten huschten umher, plapperten wild durcheinander, bettelten um Zuspruch, um Anerkennung und hinterließen mich beschämt in diesem blauen Licht meines Kellers stehen.
Würde ich nicht auch empört sein, wild plappern oder gar lautstark protestieren, wenn man mich einfach übersehen und in den Keller sperren würde? Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, hörte das Geplapper auf und es wurde still. Nur noch die Wassertropfen waren zu hören, die mit einem leisen Pling…Pling…Pling in eine Pfütze am Boden fielen, wo sie kleine, lustige Kreise zeichneten. Verwundert und seltsam berührt nahm ich das blaue Körbchen in meine Hände und sah darin meine Gedanken liegen, Gedanken die schmerzten, traurig machten, quälten, Gedanken aus Neid, Gier und Scham, in Kleidern von Eifersucht und Misstrauen. Sie starrten mich mit großen Augen an und ich erkannte sie als das, was sie waren, meine Gedanken. Pling….Pling….formlos lagen sie vor mir, unschuldig und still, als Teil meines Gedankenhauses. Formlos und wandelbar….wunderbar. Ein Gefühl , ein Glück, ein Gedanke, eine Liebe, ein Licht, alles ist formlos bis ich es denke, fühle und benenne.
Ich schlenderte die Treppe hoch in meinem Gedankenhaus, das plötzlich Wände aus Licht, Türen aus Musik und Fenster ohne Form hatte.
Nur dieses Pling Pling ging mir nicht mehr aus dem Ohr und ich dachte, es gibt ein Reich im Inneren, da sollte man die Stiefel ausziehen, wenn man es betritt.
Endlich konnte ich einschlafen.
© Nio 2010