Gabriel
Hier ist zum Nachlesen die Geschichte aus der Sicht des Mannes: Kurzgeschichten: Solandia
****************************************************
Gabriel
Es war furchtbar, der Tag, an dem er von mir ging, von mir gerissen wurde, mit einer Brutalität, die ich meinem Gatten nicht zugetraut hätte. Mit Peitschen ließ er Gabriel hinausjagen und nur seine hohe Stellung hat ihn vor mehr Schaden bewahrt. Wo er sich jetzt aufhält kann ich nicht sagen, niemand spricht mit mir.
Jeden Tag stehe ich am Fenster und schaue hinaus in den Wald, dort, wo wir uns in schier verzweifelter Wollust vereint haben. Ich weiß, es war eine Sünde und der Herr wird es mir wohl nicht vergeben, aber ich liebe ihn. Ja, ich habe mich mit ihm in Liebe vereinigt.
Ich stehe da und sehe nichts als die grauen Wände meines Zimmers. Einzig Gabriels Bild habe ich vor mir, wie er mich an der Hand nimmt, mich führt und wir lachend durch den Wald laufen. Sogar den Geruch habe ich noch in der Nase. Es roch nach Fichtennadeln, Harz und etwas Fremden, was ich bald als Gabriel erkannte. Es war sein Duft, der mich lockte, dieser männlich herbe Stoff, der mich zu ihm zog und mir den Weg wies.
Ein lautes Knarren lässt mich aus der Erinnerung fallen. Die Tür schwingt auf und die Zofe tritt hochmütig ein. Ich mag sie nicht, diese eingebildete Person, die denkt, sie wäre etwas Besseres, weil sie die Schwester meines Gatten ist. Wie dumm kann eine Frau nur sein? Diese Frage müsste ich mir selbst stellen. Ich war dumm – dumm genug, mich mit Gabriel zu verbinden, während mein Gemahl auf der Burg weilte. Dumm – unsäglich dumm und es ist reines Glück, dass wir beide noch leben, wenn man das Leben nennen kann.
Gabriel – wenn ich an ihn denke, bekomme ich weiche Knie. Jetzt darf ich das Zimmer nur noch zum Gottesdienst verlassen. Gabriel! Es hat sich gelohnt. Ein Mensch sollte wenigstens einmal im Leben die Liebe in Verbindung mit der Lust kennengelernt haben. Guter Gott, was haben wir uns angetan, in dem wir uns nachgaben?
Ich sehe ihn vor mir, wie er lächelt, der Mund ist nur leicht verzogen, wirkt sogar ernst, denn sein Lachen springt aus den Augen, fährt direkt in mich und verkündet eine Fröhlichkeit, die Ihresgleichen sucht. Das war der Tag seiner Ankunft. ‚O Mirelle, kannst du nicht später wiederkommen?’, denke ich eben und würde sie am liebsten aus dem Fenster stoßen, diese Hetäre, Lügnerin und Spionin! Sie richtet mich zum Gottesdienst her, ich werde meinen Gatten wiedersehen, meinen Herrn und ich werde Abbitte leisten müssen.
Während sie mich ankleidet und frisiert, denke ich an Gabriel. Nie werde ich sein Gesicht vergessen, wie verzückt es leuchtete, von einem inneren Licht schien es befeuert zu sein.
Ja, ich fühle noch seine Berührung. Jetzt wo, Mirelle mein Haar kämmt, fühle ich jede seiner zärtlichen Umarmungen, wie er mein Haar liebkost, nachdem er es von der Haube befreit hat. Oh, noch jetzt, Monate später, kann ich kaum an mir halten, wenn ich daran denke. Ich sehe mich selbst, wie ich in meiner Gier nach ihm alle Hemmungen fallen ließ und in seinem Mund versank, seinen Kuss trank ich als würde mir Ambrosia gereicht und es fühlte sich so an, genauso göttlich! Ja, Gabriel …
Mirelle bringt mich in die Gegenwart zurück. Mit einem kräftigen Zug legt sie mein Haar in Flechten und steckt es hoch, sodass es in der Kopfhaut spannt und ziept. Aber ich halte das aus. Es ist meine Strafe, weil ich immerzu an ihn denken muss …
Dieser eine Kuss, ich habe ihn in mich gesaugt als wäre ich ein trockener Schwamm und er die rettende Feuchtigkeit. Ich weiß noch, als wäre es eben erst passiert, wie sanft er mich halb entkleidete, meine Brüste bloßlegte und daran saugte als wäre er ein Säugling. Ah, ich könnte schreien vor Lust und gleichzeitig lachen über die genüsslich schmatzenden Geräusche die er dabei machte. Als er meinen Schoß berührte, die Stellen, die keinen Namen haben, weil sie angeblich unaussprechlich und böse sind, dachte ich, in mir würde ein Feuerwerk entzündet und gleichzeitig fühlte ich die Erregung in mir aufsteigen. Kurz nur fragte ich mich, ob das normal sei? Dann gingen meine Gedanken in eine ferne Ecke und ich tat nur noch, was mein Körper wollte. Gabriel küsste mich genau dort wo es angeblich schlecht ist und nannte es seinen Jungbrunnen. Ich wollte, dass er nie aufhörte, mich mit seiner zu lecken und zu trinken, doch dann nahm ich ihn mir selbst vor. In rasender Gier, riss ich ihm die Breeches vom Leib und stürzte mich auf seine Männlichkeit, nahm ihn in den Mund, sog und lutschte daran und er schmeckte so köstlich, königlich, wie mir noch nie etwas geschmeckt hatte. Ah! Gabriel, wenn ich dich doch nur noch einmal sehen könnte, ein allerletztes Mal umarmen, dich küssen. Doch Mirelle ist eine unbarmherzige Kerkermeisterin. Jede Unbotmäßigkeit wird sie dem Herrn melden. Wie gut, dass sie meine Gedanken nicht kennt, denn immerzu denke ich nur an ihn und unsere Vereinigung im lichten Wald auf dem saftigen Moos, das uns Bettstatt war und unsere Säfte aufgenommen hat als Zeichen unserer Liebe. Wenn das heidnisch ist, dann bin ich eine Heidin.
Ich liebe dich, wollte ich rufen, aber ich wagte keinen Laut. Nur verhaltenes Stöhnen war zu hören, als ich ihn tief in mich einsaugte, so tief es ging und nicht mehr loslassen wollte. Noch immer fühle ich seine Hand auf meinem Kopf der mich mit sanftem Nachdruck streichelt und das Tempo zu bestimmen versucht. Dann greift er mir zwischen die Beine und seine Finger finden den geheimen Ort, den die Priester verteufelt haben und seit dem Tag weiß ich auch warum das so ist. Zwölf Jahre war ich schon verheiratet, aber das kannte ich nicht. Gabriel hat mich erweckt, zur Frau gemacht.
Er streichelt und massiert die Perle, wie er sie nennt und dann dringt er mit den Fingern in mich ein, erst sanft und leicht, dann wird er schneller, während ich ihn weiter in mich sauge.
O Mirelle! Geh endlich und lass mich mit meinen Gedanken allein! Mit leichenbitterer Miene setzt sie mir die Haube auf. Irgendwann werde ich sie töten, ihr diese gehässige Trauer aus dem Gesicht kratzen und sie aus dem Fenster werfen. Sie geht zur Tür und klopft. Dann sage sie: „Solandia, Herrin, der Gottesdienst beginnt in wenigen Minuten und der Beichtvater wartet noch auf dich. Wie ich höre, hast du noch immer nicht deinen Frevel gebüßt.“ Sie ist so gleichgültig in ihrer Häme und ich zerfließe beinahe vor Sehnsucht, merke wieder diese Feuchte zwischen den Beinen, als ich an ihn denken muss: Gabriel.
Ein Wachmann öffnet und lässt uns hinaus. Blind folge ich Mirelle und versuche an nichts zu denken, nicht an Gabriel, nicht an Gabriel. Nein!
Irgendwann setzte er sich auf und hob mich mit einer Leichtigkeit hoch, die ich bis heute nicht verstehen kann und genauso leicht nahm ich ihn in meine Mitte, ließ ihn in mich dringen, mit seiner ganzen prallen Männlichkeit. Ließ ihn eintauchen mit seinem Stab und wir ritten uns. Trieben laut schreiend einer Erlösung entgegen, die das ewige Leben verhieß. So wahr ich heute abermals den Beichtvater anlügen werde, ich habe es genossen und ich würde es wieder tun, immer wieder, Gabriel in mich aufnehmen, mich von ihm reiten lassen, ihn reiten, ihn trinken, ihn lieben mit jeder Faser meines Seins.
So wahr mir Gott, oder wer auch immer, helfe …
in diesem Sinne habe ich mich als Hure schuldig gemacht.
(c) Herta 9/2010