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Gedankenfahrer

nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Gedankenfahrer
Wenn ich aus dem Fenster schaue, könnte mir das große Kotzen kommen. Was anderes kann ich nicht machen, also glotze ich entweder das eine oder das andere, wobei das eine dämliche Filme oder Serien sind und das andere das Geschehen außerhalb meines Hauses, das ja nicht einmal mir gehört. Ich müsste sagen, außerhalb des Zimmers.

Ich bin gefangen.
Ein hartes Wort.
Ein sehr hartes Wort.
Aber es trifft den Nagel auf den Kopf.

Mann. Ich möchte aufstehen, mich bewegen können. Irgendwann konnte ich das. Ja, ich weiß das, ich habe mich auf Fotos gesehen. Damals war ich mobil.
M o b i l !
Jetzt bin ich auch mobil.
Auf vier Rädern, mit einer Kinnsteuerung und motorisiert.
Ständig läuft eine Pflegerin um mich herum und trotzdem habe ich das Gefühl allein zu sein.

Tatsache ist: Ich bin allein.

Allein mit meinen Gedanken, meinen Gefühlen. Ja, ihr Säcke, ihr verdammten Pfleger, denen ich vor Dankbarkeit die Füße küssen soll, bäh, ich habe Gefühle und in mir herrschen sie chaotisch. Genau, Bruder Chaos drischt auf meine Gedanken ein und lacht sich dämlich. Ich will auch wieder einmal herzlich lachen können, mich lachen hören.

Ich will hinaus. Hinaus ins Freie, mir diesen saukalten Wind, ich weiß, dass zu dieser Jahreszeit der Wind kalt ist und aus dem Osten kommt, um die Nase wehen lassen. Ich will einen Drachen steigen lassen, mit den Kindern auf der Wiese toben.
Oder wenigstens schreien.

Ich will brüllen, gegen den Sturm anschreien, gegen den Sturm in meinem Kopf.

Die Pflegerin kommt. Jetzt wird sie mich gleich fragen, ob ich Durst habe und mir einen Trinkhalm an die Lippen halten, diese dumme Nuss. Saft, immer nur Himbeersaft mit Leitungswasser. Ich will ein Bier oder wenigstens mal eine Cola oder sonst etwas. Kaffee würde mich manchmal schon glücklich machen. Ich bin doch kein Baby!

Doch was hat meine Frau kürzlich gesagt?
Das hat mich getroffen, das hat mich tief erschüttert, ich will jetzt nicht dran denken. Aber ob ich will oder nicht, kommen mir Inges Worte in den Sinn.
„Du bist wie mein Kind, also wehr dich nicht.“ Ja, ich habe mich gegen ihre kalten Hände gewehrt, es zumindest versucht. Sie hat mir den Katheter eingeführt und ihre Finger waren eiskalt. Ich konnte es deutlich fühlen. Wenn schon sonst nichts, das habe ich bemerkt. Inge, Inge. Schade, dass ich nur mehr ein Kind für dich bin. Am besten, du trennst dich von mir. Aber das lässt dein Pflichtbewusstsein nicht zu. Du bist bei mir weil du eine Aufgabe brauchst, nicht wahr? Auf diese Frage wirst du mir nie antworten können, denn ich werde sie nie stellen.

Verdammter Unfall. Ich habe keine Ahnung, was genau passiert ist, damals vor vier Jahren. Seit zwei Jahren lebe ich wieder zuhause. Nein, es ist nicht mein Zuhause. Es ist fremd. Alles ist fremd. Hier habe ich nichts gemacht, keinen Handgriff. Inge hat ein behindertengerechtes Haus gekauft, von dem mir zugesprochenen Schmerzensgeld. Jetzt ist davon nichts mehr da. Ich habe das erst gestern bemerkt, da hat sie, unvorsichtig geworden, einen Bankauszug liegen lassen. Ich kann mich nicht bewegen und nicht reden, auch schlucken kann ich nur schwer, aber denken kann ich noch gut. Glaube ich, hoffe ich.

Ich fahre jetzt hinaus. Der Rollstuhl reagiert auf mein Nicken und er setzt sich in Vorwärtsbewegung. Nun schwingt die Tür auf, Inge hat alle Türen, die angeblich für mich relevant sind, mit Bewegungssensoren ausstatten lassen, und ich fahre hinaus.

Mein Körper ist nur noch ein Gefäß für die Gedanken. Ich sehe mich nicht, fühle mich nicht und der Rollstuhl ist das Fahrzeug damit das Gefäß mit seinen Gedanken auch dann und wann an die frische Luft kommt.

Ich glaube, heute werde ich einmal in die andere Richtung fahren.

In Gedanken sehe ich mich laufen und lachen …


(c) Herta 10/2010
*****_nw Mann
505 Beiträge
Eine geniale Idee!
Mir gefällt der Plot und ich liebe die etwas rauhe Sprache. Das klingt sehr lebens- und gefühlsecht. Klasse.

Wenn ich eine Prise Kritik anbringen darf (oder will ich nur meinem Hitchcock/Dahl-Geschmack schmeicheln?), schiebe das eigentliche Grauen (Inges Eröffnung) so weit wie möglich nach hinten, der Absatz danach dürfte ruhig vorher stehen, lasse ihn in "eine" andere Richtung fahren und verzichte auf den letzten Satz.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Ich danke dir, Byron.

Was den letzten Satz angeht, gebe ich dir recht, den kann ich getrost weglassen - er sagt nichts Neues aus.

Das Grauen hat eigentlich schon viel früher angefangen, Inges Eröffnung, ist nur noch ein weiteres Glied in der Kette der Behinderung.

Vielen Dank für deine Kritik bzw. Anmerkungen, ich werde mir das durch den Kopf gehen lassen. *ja*

Liebe Grüße
Herta
Ich stelle es mir sehr schlimm und beängstigend vor, im eigenen Körper gefangen zu sein.

Du hast die Gefühle sehr gut beschrieben. Sehr plastisch!

Mich berührt die Geschichte sehr, da ich nicht weiß, wann ich im Rolli sitze!

Luna
*****har Paar
41.020 Beiträge
Gruppen-Mod 
*top2*

(Der Antaghar)
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Dankeschön Luna und Antaghar *blumenschenk*

Ich habe jetzt die Vorschläge von Byron (verbotenerweise im Dienst - ja, ich bin böse) realisiert. So sieht die Geschichte gleich besser aus. *ja*
Danke nochmals Byron, es war eine gute Idee, das umzustellen.

Liebe Grüße
Herta
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Etwas umgeschrieben ...
@ Byron hat mich auf einige Ideen zur Verbesserung der Geschichte gebracht. *gg*


*******************************************

Gedankenfahrer

Mir könnte das Kotzen kommen, wenn ich aus dem Fenster schaue.
Was anderes kann ich nicht machen. Also glotze ich entweder das eine oder das andere, wobei das eine dämliche Filme sind und das andere das Geschehen außerhalb meines Hauses, das ja nicht einmal mir gehört. Ich müsste sagen, außerhalb des Zimmers. Von Beruf bin ich Dummglotzer und Sozialschmarotzer. Ha, das reimt sich, ist gleich noch einmal so dämlich.

Eigentlich bin ich nichts von beiden.
Ich bin gefangen.
Ein hartes Wort.
Ein sehr hartes Wort.
Aber es trifft den Nagel auf den Kopf.

Mann. Ich möchte aufstehen, mich bewegen können. Irgendwann konnte ich das einmal. Ja, ich weiß das, ich habe mich auf Fotos gesehen. Damals war ich noch mobil.
M o b i l !
Jetzt bin ich auch mobil.
Auf vier Rädern, mit einer Kinnsteuerung und motorisiert.
Ständig läuft eine Pflegerin um mich herum und trotzdem habe ich das Gefühl allein zu sein.

Tatsache ist, ich bin allein.
Allein mit meinen Gedanken, meinen Gefühlen. Ja, ihr Säcke, ihr verdammten Pfleger, denen ich vor Dankbarkeit den Arsch küssen soll, bäh, ich habe Gefühle und in mir herrschen sie chaotisch. Genau, Bruder Chaos drischt auf meine Gedanken ein und lacht sich dämlich. Ich will auch wieder einmal herzlich lachen können, mich lachen hören.

Ich will hinaus. Hinaus ins Freie, mir diesen saukalten Wind, ich weiß, dass zu dieser Jahreszeit der Wind kalt ist und aus dem Osten kommt, um die Nase wehen lassen. Ich will einen Drachen steigen lassen, mit den Kindern auf der Wiese toben.
Oder wenigstens schreien können.

Ich will brüllen, gegen den Sturm anschreien, gegen den Sturm in meinem Kopf.

Die Pflegerin kommt. Jetzt wird sie mich gleich fragen, ob ich Durst habe und mir einen Trinkhalm zwischen die Lippen stecken, diese dumme Nuss. Saft, immer nur Himbeersaft mit Leitungswasser. Ich will ein Bier oder wenigstens mal eine Cola oder sonst etwas. Kaffee würde mich manchmal schon glücklich machen. Ich bin doch kein Baby!

Verdammter Unfall. Ich habe keine Ahnung, was genau passiert ist, damals vor vier Jahren. Seit zwei Jahren lebe ich wieder zuhause. Nein, es ist nicht mein Zuhause. Es ist fremd. Alles ist fremd. Hier habe ich nichts gemacht, keinen Handgriff. Inge hat ein behindertengerechtes Haus gekauft, von dem mir zugesprochenen Schmerzensgeld und dem Geld der Versicherung. Jetzt ist davon nichts mehr da. Ich habe das erst gestern bemerkt, da hat sie, unvorsichtig geworden, einen Bankauszug liegen lassen. Ich kann mich nicht bewegen und nicht reden, auch schlucken kann ich nur schwer, aber denken kann ich noch gut. Glaube ich, hoffe ich.

Warum muss ich gerade jetzt an Inge denken?
Warum habe ich sie geheiratet? War da einmal mehr?
Verdammte Scheiße, ich glaube ja.
Wie ging das noch mit dem Bumsen? Warum denke ich jetzt daran, ich kann ja nicht mal alleine pinkeln.
Eben stelle ich mir vor, wie ich über Inge herfalle, da fällt mir ein, was sie kürzlich zu mir gesagt hat und alle diese geilen Gedanken sind dahin. Du blöde Schlampe. Am liebsten würde ich ihr ins Gesicht springen und ihr diesen Ausdruck herausprügeln. Was bin ich nur wieder gehässig und undankbar!
Ich bin ihr Baby, hat sie gemeint, weil ich mich gegen ihre eiskalten Hände gewehrt habe, also ich bekam einen Krampf, hat sie zumindest gesagt. Ihre Finger waren eiskalt, als sie mir den Katheter in die Harnröhre eingeführt hat, deshalb der Krampf. Ich konnte es deutlich fühlen. Wenn schon sonst nichts, diese Kälte habe ich bemerkt.
Inge, Inge. Schade, dass ich nur mehr ein Kind für dich bin. Am besten, du trennst dich von mir. Aber das lässt dein Pflichtbewusstsein nicht zu. Du bist bei mir weil du eine Aufgabe brauchst, nicht wahr? Auf diese Frage wirst du mir nie antworten können, denn ich werde sie nie stellen.

Ich fahre jetzt hinaus. Der Rollstuhl reagiert auf mein Nicken und setzt sich in Vorwärtsbewegung. Nun schwingt die Tür auf, Inge hat alle Türen, die angeblich für mich relevant sind, mit Bewegungssensoren ausstatten lassen, und ich rolle hinaus.

Mein Körper ist nur noch ein Gefäß für Gedanken. Ich sehe mich nicht, fühle mich nicht und der Rollstuhl ist das Fahrzeug damit das Gefäß mit seinen Gedanken auch dann und wann an die frische Luft kommt.

Ich glaube, heute fahre ich in eine andere Richtung.

(c) Herta 10/2010
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Puh... heftig!

Die Geschichte nimmt mich mit.
Nimmt mich mit ihn eine Gedankenwelt, in die ich gar nicht will.
Weil sie Angst macht.


ein kleiner Fehler:
Eigentlich bin ich nichts von beiden.

müsste es nicht "beidem" heissen?

Ganz liebe Grüße
Die Rhabia
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank
für das Kompliment. *blumenschenk*

Die Vorstellung, nur noch im eigenen Kopf zu existieren und alles andere nicht mehr zu spüren, ist schon beängstigend *angsthab*

Ändern kann man es trotzdem nicht - ein Unfall - wumm - die Welt wandelt sich - alles ist plötzlich fremd ...



Was jetzt "beiden" angeht: ich hab es nicht anders gefunden und sollte es doch im Dativ stehen sollen, dann werde ich das natürlich im Original ausbessern.

Wenn es jemand mit Sicherheit weiß, kann er es ja hier posten *ggg*

Liebe Grüße
Herta
Prost
Mahlzeit!!!!
Grad entdeckt - jetzt versteh ich auch deinen Kommentar anderswo!

Sollnwer mal eine Senioren und Behindizeitung mit solchen Texten machen und die dann in sämtliche Einrichtungen einschmuggeln. Irgendwie so wie die Flugblätter früher aus Flugzeugen...... Mensch Mensch...
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
hm.. also mein Behindertenbeauftragter, dessen Arbeitsassistenz ich bin, findet meine Geschichten ausgesprochen depressiv und deplatziert.
Man wünscht sich Friede, Freue, Eierkuchengesülze *headcrash*
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
@ olove: *danke* *blumenschenk*

@ Rhabia:

man wünscht es sich ...

und wird es nur dann bekommen, wenn jeder, der etwas zu sagen hätte, schweigt.

Ich schlage mich momentan mit einigen unschönen (es lebe Neusprech) Dingen herum im Zuge dessen ich mit vielen Leuten, die nichts mit Pflege zu tun haben, zusammenkomme. Die sind sehr erstaunt, wenn sie das eine und andere erfahren und fragen sofort nach den uanangehmen Details und die haben weniger mit Fäkalien zu tun als mit Verwirrungen und mit verlegten Geldbeuteln, ungerechtfertigten Anschuldigungen mit nachfolgenden Klagen, usw. Lustig.

Jemand müsste einmal eine Komödie darüber schreiben *zwinker*
(wenn ich jetzt noch wüsste, wer von meinen Antiken Schreibern das gesagt hat, dann würde ich mich als klug bezeichnen.)

Lustig ist es nicht ... aber in einer Komödie verpackt, könnte eventuell noch etwas bewirkt werden.

Aber einfacher ist es die verschiedenen Gesellschaftskreise gegeneinander auszuspielen, denn so kann sich die Regierung an den Sparstift klammern und dort einsparen, wo es im Prinzip nicht geht, weil ohnehin nichts da ist.

Wo komme ich denn da hin *panik*


Herta
*****_nw Mann
505 Beiträge
Schluck!
Was mich in der ersten Version noch als Ausbruchsgeschichte auf fast beliebigem Untergrund anmutete hat sich in etwas verwandelt, das mir die Kehle zuschnürt.

Es ist gut und böse und witzig und nachdenklich und leicht und tief. Danke, dass Du nochmal ans Werk gegangen bist.
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Themenersteller 
@ byron_nw
Ich habe dir zu danken, dass du mir den nötigen Anstoß dazu gegeben hast. Es war ein wesentlicher Fingerzeig, die beiden Absätze zu vertauschen, denn dadurch bekam ich die Gelegenheit auch dem Thema Sex etwas Rechnung zu tragen - wenn auch nur kurz.

*danke*

Herta
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