Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Dirtytalk & Kopfkino
452 Mitglieder
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Sommertag

Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
Sommertag
Ich war es gewesen, die Bernd zu diesem Wochenendausflug aufs Land überredet hatte. Eigentlich hatte ich gedacht, es würde ihm gut tun, mal aus seiner Bude zu kommen, in die er sich in den letzten Monaten mehr und mehr verkrochen hatte, wie ein Einsiedlerkrebs. Und ich hatte geglaubt, es würde uns beiden gut tun, etwas gemeinsam zu machen. Irgendetwas jenseits des Alltags und jenseits von Fernsehen und Computer. Ich hatte gedacht, ich könnte die Leere zwischen uns anfüllen mit irgendetwas.
Und so stapfte er nun widerwillig und leicht angenervt neben mir her. Hier über diese wundervoll duftenden grünen Wiesen, durch einen herrlichen Sommertag. Wir redeten wenig. So, wie wir immer viel zu wenig miteinander redeten und ich fragte mich allmählich, ob wir uns überhaupt noch etwas zu sagen hatten. Irgendwie schienen wir leer zu sein und unser Miteinander nur noch aus Gewohnheit zu leben. Wenn man das wirklich Leben nennen kann. War das Liebe? Nur nicht dran rühren!
Um die Mittagszeit brannte die Sonne auf uns herab und mir war viel zu heiß. Aber ich dachte mir nicht viel dabei, denn mir wird schnell zu heiß. Ich bin ein nordisches Mädchen und Mittsommermittagssonne ist nicht so wirklich mein Ding.
Schatten gab es weit und breit nicht. Nur gleißende Sonne und duftendes Gras und das stete Summen der Insekten, das etwas hypnotisierendes hatte.
Mit einem mal stießen wir auf etwas, das aussah, wie ein ausgetrocknetes Bachbett, das sich mehrere Meter tief in den sandig-lehmigen Boden gegraben hatte. Dort unten war Schatten. In der Hoffnung auf etwas Kühle kletterten wir hinab.
Unten angekommen beschlossen wir, eine Rast einzulegen und suchten uns ein Plätzchen neben einem Felsen, wo wir uns niederlassen konnten.
Als wir gemeinsam so da saßen und eine Zigarette rauchten, sah ich mich ein wenig um und bemerkte, dass das, was ich auf den ersten Blick für einen großen, runden Felsen gehalten hatte, gar keiner war. Das Ding sah eher aus, wie ein großes Gefäß aus Ton. Sofort war meine Neugier geweckt und ich begann, das Ding näher zu untersuchen. Schließlich hatte ich nicht umsonst eine Töpferlehre absolviert und interessierte mich für alte Kulturen.
„Bernd, das müssen wir unbedingt mitnehmen. Das Ding ist irgendwie komisch. Vielleicht keltisch, ich weiß es nicht, so gut kenne ich mich in der Frühgeschichte nicht aus. Ich dachte auch nicht, dass die Kelten so große Pötte gemacht hätten Aber irgendwas ist merkwürdig daran, das fühle ich genau…“
„Anna, lass den Scheiß. Du und dein Faible für das ganze Körnerfressergedöns. Das Ding bleibt schön hier. Nicht dass wir noch Ärger mit dem Denkmalamt oder so was bekommen“ maulte Bernd.
Bernd ging mir langsam auf die Nerven. Immer hatte er etwas gegen das, was mich bewegte, einzuwenden. Mir war wieder heiß. Die Luft schien schwül und stickig zu werden und ich merkte, wie gereizt ich auf einmal war.
„Trink ein Bier und rauch noch eine, aber lass mich in Ruhe!“ fuhr ich ihn an. „Ich guck mir das mal genauer an. Vielleicht krieg ich irgendwie die Dreckkrusten ein bisschen ab. Dann kann ich eher sehen, was das eigentlich ist.“ Ich drehte mich einfach von ihm weg und begann vorsichtig mit einem scharfkantigen Stein die Schmutzkrusten zu bearbeiten. Ein wenig davon ließ sich abklopfen. Aber das, was darunter zum Vorschein kam, schien keine Keramik zu sein. Es fühlte sich irgendwie anders an. Wenn überhaupt, dann wäre es Aufbaukeramik und nicht auf einer Scheibe getöpfert. Das spräche einerseits für die Kelten, aber andererseits war die Form nicht so, wie ich es von keltischer Keramik kannte. Ich ließ meine Finger mit geschlossenen Augen darüber gleiten. Es schien irgendwie aus einem anderen Material gewickelt zu sein. Ja, gewickelt. Es waren mehrere Lagen einer anderen Substanz, als ich es von der Keramik her kannte. Merkwürdig körnig und ledrig fühlte sich das Zeug an und als ich auf ein bewegliches Eckchen davon stieß, spuckte ich kräftig darauf, um den letzten Dreck mit der Hand herunterzuwischen.
In dem Moment, als ich meinen Speichel mit den Fingerspitzen auf dem Material zerrieb, überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Ich vermochte das nicht wirklich zu erfassen, aber eine Erkenntnis durchzuckte mich wie ein Blitz. Vor Übelkeit wurde mir fast schwarz vor Augen. Mir wurde schwindelig und ich hatte das Gefühl, als ob alles Blut aus meinem Gesicht wich.
„Bernd, das gibt’s doch nicht! Bernd! Schau mal, das Ding ist aus Haut. Bernd! Ich weiß es, es ist aus Menschenhaut gemacht! Aus Menschenhaut! Ich weiß es genau, ich kann es fühlen!“
Bernd schaute mich verdutzt und ein wenig spöttisch an, als um uns die Wände des Bachtals plötzlich zu explodieren schienen. Es ging so schnell, dass ich es kaum erfassen konnte. Alles schien voller Lehm und Sand und Dreck. Überall brachen solche Gefäße aus dem Lehm, rollten auf uns zu, drohten, uns zu überrollen. Wir sprangen zur Seite, konnten nur noch die Arme über den Kopf reißen, um uns zu schützen. Einige der Gefäße, die von weiter oben heruntergefallen waren, zerbarsten am Boden und aus den Überresten krochen Körper, die aussahen, als seien sie schon lange tot. Menschliche Körper. Oder zumindest menschenähnliche. Aber leider waren sie wohl doch nicht gänzlich tot. Schrecklich sahen sie aus. Ihre Haut war ledrig und schwarz. Die Körper wirkten, als wären sie ausgetrocknet worden. Scharf spannte sich die Haut über knochige Gesichter, deren Züge völlig entstellt waren. Die langen Haare, die noch vorhanden waren, waren lehmverkrustet. Die Bewegungen dieser Körper wirkten irgendwie entstellt und verzerrt. Sie kamen auf uns zu. Ich war vor Schreck wie gelähmt und auch Bernd rührte sich nicht. Immer mehr dieser Körper mit leeren Augenhöhlen richteten sich auf und stolperten mehr, als dass sie gingen, in unsere Richtung. Die ersten dieser Gestalten waren schon bei mir, griffen nach mir, zerrten an mir, rissen mir die Kleider vom Leib. Ich war wie paralysiert. Todesangst kroch mir durch den Körper und ließ mich erstarren. Krallenbewehrte Hände rissen in meine Haut, in mein Fleisch. Um mich herum wurde alles rot. Rot von meinem Blut, das mir aus dem Körper strömte, in meinen Ohren rauschte und mich mit seinem Gestank fast betäubte. Und diese aufgerissenen, schwarzen, leeren Münder! Schon schienen sie über mir zu sein und ich hörte wie aus weiter Ferne schrille Schreie, die beinah mein Trommelfell bersten ließen. Da bemerkte ich auf einmal, dass ich es war, die schrie und Bernd schien wie aus einer Trance aufzuwachen, packte mich grob am Arm und rief: „Anna, lauf! Renn, so schnell du kannst!“
Und wir rannten das Bachbett entlang, immer weiter, so schnell wir konnten. Die Wände wurden immer steiler und es war gar nicht daran zu denken, hinaufzuklettern. So war uns der Weg vorgegeben. Immer wieder sahen wir über die Schulter zurück und die Toten, die uns folgten wurden immer schneller und kamen näher. Immer wieder strauchelte ich, doch riss mich Bernd jedes Mal wieder auf die Füße. Wir rannten und rannten, bis meine Lungen brannten und ich vor Schweiß und Tränen nichts mehr sehen konnte.
„Bernd, ich kann nicht mehr. Es geht nicht. Ich kann nicht mehr rennen, ich schaffe es nicht mehr. Lass mich hier liegen und hau ab. Bring dich in Sicherheit. Ich liebe dich.“
„Komm, Kleene, du schaffst das. Los, weiter! Lauf weiter! Tu es für mich, für uns!“ sagte Bernd und trieb mich weiter und weiter diesen merkwürdigen Hohlweg entlang.
Nach einer, wie mir schien, unendlich langen Zeit stieg der Weg an. Ich kann mich nicht mehr an vieles erinnern, was danach geschah. Ich weiß nur, dass die toten Körper, die uns verfolgt hatten, allmählich zurückblieben und dass wir uns mit letzter Kraft nach oben schleppten, als wir endlich eine Möglichkeit fanden, zurück auf die Wiese zu klettern. Bernd zog mich mehr hinauf, als dass ich kletterte.
Oben angekommen schien alles so, als sei nie irgendetwas passiert. Der Bachlauf, der die Wiese wie eine klaffende Wunde zerschnitten hatte, war verschwunden. Die Sonne begann rot am Horizont zu versinken, die Insekten summten ihr hypnotisierendes Lied, die Wiese duftete nach reifem Sommer. Zitternd kniete ich vor Bernd. Er nahm mich in die Arme und wir küssten uns lange und innig. Oh, wie ich ihn in diesem Moment liebte! Und in diesem Augenblick breitete sich in meinem ganzen Fühlen eine Erkenntnis aus: Wenn du keine Liebe im Herzen hast, dann hast du gar nichts. Dann hast du keine Wurzeln und keine Geschichten und auch keine Zukunft. Ich versank in diesem Fühlen und Wissen.
Bernd murmelte in mein Haar: „Liebling, du hast lange geschlafen. Ich glaub, du hast einen kleinen Sonnenstich. Ich bring dich jetzt mal besser zurück ins Hotel.“
Hand in Hand gingen wir im roten Licht der untergehenden Sonne zurück. Glücklich vereint. Bis zum nächsten Streit?

© Rhabia 10-2010
Schön Rhabia. Gefällt mir.
Hast du das geträumt? Ich finde es immer spannend und faszinerend, dass wir zu solchen Bildern fähig sind. Woher die wohl kommen? *gruebel*
Mir gefällt die Kombination aus "Beziehungskiste" und Grusel-Traum
ebenfalls sehr gut.

Mir fielen sofort so manche Mitvierziger-Paare im leeren Nest ein,
die erstmal wieder einen Weg zueinander finden müssen.
Von daher ist das eher offene Ende ("Bis zum nächsten Streit ?")
übrigens in meinen Augen ziemlich authentisch.

LG Dieter
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
Danke für Eure Kommentare *g*

Woher solche Bilder kommen, das weiß ich auch nicht.
Na, wo sie immer herkommen - aus dem Unterbewusstsein. *panik*
Profilbild
****ia Frau
22.263 Beiträge
Themenersteller 
Wer weiß, Berglöwe...
Naja, oder aus dem Delta-Quadranten... *zwinker*
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.