Lass es einfach gut sein
Vielleicht war es eine Qualität. Sicher sogar. Die Leute, mit denen sie zu tun hatte, die Menschen, mit denen sie lebte oder arbeitete, lobten sie dafür. Und schätzen diese Eigenschaft. Man könnte diese Qualität Perfektionismus nennen, diese Lust und diesen Drang, aus dem Guten etwas Besseres zu machen - dann hätte sie aber einen etwas pedantischen Beigeschmack.
Es war eher ein dauerndes „Optimierungsbedürfnis“.
Kochte sie, genau nach Rezept und mit befriedigendem Ergebnis, suchte sie noch nach dem „Sahnehäubchen“, einer raffinierten Zutat, einer Abrundung, die das Geschmackserlebnis verstärken könnte.
Kaufte sie ein Kleid, das hübsch war und passte, fand sie doch eine Stelle, wo es nicht ganz saß, fügte dort einen Abnäher dazu, kürzte es um zwei Zentimeter oder nähte ein Schleifchen an den obersten Knopf.
Plante sie ein Fest, wurde es oft zu einer Inszenierung, mit liebevollen Einladungen, einem Motto, das nicht nur Essen, sondern auch Unterhaltungsprogrammpunkte einschloss, damit sich jeder rundum wohl fühlte. Ihre Wohnung dekorierte sie zur Bühne, und sich selbst besetzte sie als Hauptrolle in einem Film, dessen Drehbuch sie entworfen hatte.
Man lobte und liebte sie dafür, und das tat ihr gut.
Allerdings setzte sie sich damit selbst zunehmend unter Druck. Denn sie musste ständig ihre eigene Messlatte höher legen und ihren immer subtiler werdenden Ansprüchen genügen.
Egal, wie sehr ihr wieder etwas gelungen war, immer fand sie noch einen Punkt, ein Detail, auf das sie nicht genug geachtet hatte oder das nicht ausreichend bedacht war.
Ihre Unzufriedenheit stieg proportional zu ihren Bemühungen.
Und sie merkte, dass sie damit nicht nur sich stresste, sondern ihre Umwelt auch nerven konnte.
So war also auch da Optimierung angesagt. Und da sie lernfähig war – oder das Leben hartnäckig genug, seine Lehren anzubringen – veränderte sie ihr Verhalten.
Weniger ist mehr, wurde ihr neues Motto.
Sie nahm sich zurück, ließ die Dinge auch mal, wie sie eben waren, und entspannte sich bei dem Gedanken, dass nicht alles durch ihre Hände gehen musste, um zu gelingen.
Und plötzlich wurde sie für ihre Entspanntheit ebenso gelobt und geliebt wie vorher für unermüdliches Schaffen und Werkeln.
Als ihre neue Liebe sie, nach einem Nachmittag mit gutem Essen und schönen Gesprächen bei einem Spaziergang in der Sonne, fragte: „ Und wie, meine Süße, könnte ich dich jetzt noch glücklicher machen?“ antwortete sie ihm, ehrlich zufrieden:
“ Lass es einfach nur gut sein!“
©tangocleo 2010