Grüße aus Absurdistan
Hätten Sie’s gewusst? Auch die total Verdrehten hängen an ihrem Leben und an ihrem Glück. Manche so sehr, dass sie sich lieber umbringen, als täglich in einem neuen Haufen Scheiße aufzuwachen. Wie wird man eigentlich total verdreht? Wenn der Onkel von nebenan einen mal wo angefasst hat, wo man mit neun Jahren noch nicht angefasst werden möchte und schon gar nicht von Onkels. Oder wenn die Mama einfach mal nicht sehr lieb zu einem war und das so ungefähr, solange man zurückdenken kann. Wenn man Spott geerntet hat, wo man Rückhalt gebraucht hätte. Und wenn die eigene Haut einfach zu dünn ist, um das wegzustecken.
Manche sagen auch, das Verdrehte komme aus den Genen. Verdrehte Gene. Aha. Die Gene wieder. Wenn es nach manchen geht, sind die ja für so gut wie alles verantwortlich. Für alles Böse auf der Welt sowieso. Ist der Vater verdreht? Na, kein Wunder. Dann ist das Kind auch verdreht. Warten Sie’s nur ab, es wird sich zeigen.
Wann ist man verdreht? Wenn man im Suff weiße Mäuse sieht. Wenn man auch ohne Suff weiße Mäuse sieht, soviel ist klar. Wann man denkt, Gott würde mit einem sprechen. Obwohl, denkt der Papst das nicht eigentlich auch? Wenn man 10x in die Wohnung zurückrennt um zu gucken, ob der Herd auch aus ist. Nee, bei 10x noch nicht. Ab 20x, da wird es kritisch. Dann ja, dann kann man schon von verdreht sprechen. Wenn man Panik schiebt vor Dingen, die im Grunde harmlos sind. Wer bewertet das eigentlich, das „harmlos“? Wer definiert das? Nicht die Verdrehten, die anderen. Die Nicht –Verdrehten. Die machen den Standard. Angst vor Dingen, die neun Leuten keine Angst machen, aber einem schon, die ist als nicht „normal“ zu bewerten. Die Welt nur grau und düster zu sehen, auch. Dagegen kann man aber was tun. Dagegen gibt es Pillen. Noch ist da Hoffnung.
Mit Pillen werden auch die verdrehtesten Verdrehten wieder ganz normal. So normal, dass sie dann alle Urlaub auf Mallorca mögen, Castingsshows mit Dieter Bohlen schauen und die Bild-Zeitung lesen. Diese Umstände können als normal bewertet werden. Es ist so beruhigend, zu wissen, dass man wieder normal sein kann, wenn man die Pillen schluckt. Keine Freakshow mehr. Zumindest die im Kopf ist dann weg. Puff! Weggezaubert. Über die Chemie zur Magie, direkt Richtung Normalität.
Und warum? Weil man doch Lebensqualität braucht. Was ist der Mensch heute schon wert ohne Lebensqualität. Naja, und die hat man doch eben nicht, wenn man verdreht ist. Sagt wer? Na, das wissen Sie jetzt aber, oder? Die Nicht-Verdrehten, die sagen das. Die beschließen solche Dinge.
Heute ist es nicht mehr wünschenswert, dass jemand schreibt wie Hemingway oder Kafka oder malt wie Van Gogh. Heute gibt es Pillen gegen sowas. Von wegen der Lebensqualität. Aha.
Sie, ich sage Ihnen mal was: ich scheiß auf die Qualität und denke, es ist gut, dass ich noch am Leben bin. An neun von zehn Tagen zumindest denke ich das. Und an einem zehnten, da schreibe ich dann solche Texte. Sollten Sie auch mal versuchen, wenn Sie das nächste Mal denken, Gott würde zu Ihnen sprechen oder wenn sie Angst davor haben, das Haus zu verlassen, weil sie meinen, draußen würde Ihnen etwas Schlimmes zustoßen. Ach, so etwas passiert Ihnen nicht? Weil, das Verdrehtsein steckt nicht in ihren Genen?
Wissen Sie was? Wetten Sie einfach nicht drauf.