Bleich geworden starrte der Oberst auf einen Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch. Die Angst vor dem Geheimdienst und der Religionsbehörde des Kalifats Ankara stand ihm ins Gesicht geschrieben. Hyrtl wartete noch eine Weile, als keine Antwort kam, sagte er: „Mein Auftrag hier ist erledigt. Wir haben unsere Arbeit, im Gegensatz zu Ihnen, erfolgreich erledigt. In drei Stunden rücken wir ab. Sehen Sie zu, dass Sie die Bevölkerung ruhig halten. Wir brauchen hier keine weiteren Unruhen. Und behalten Sie diese Vollidioten im Auge, die ständig glauben, die Straßen blockieren zu müssen. Es gibt ausreichend Gebetshäuser. Zeigen Sie etwas mehr Rückgrat, Herr Oberst.“ Damit drehte er sich um, wartete nicht darauf, entlassen zu werden und ging. Der Oberst blickte ihm hasserfüllt nach, wagte aber nicht, etwas zu sagen.
Hyrtl indessen war zornig auf sich, weil er nicht an die Möglichkeit gedacht hatte, dass das Frauenabteil geschlossen werden könnte. Er hatte Ronja geschätzt, als wertvollen Informanten, als risikobereiten Kameraden und auch als Mensch. Sie war nie zimperlich gewesen und wenn er sie näher gekannt hätte, hätte er sie womöglich auch gemocht. Eigentlich wollte er gern mit jemanden darüber geredet, doch seine Mannschaft durfte er damit nicht zusätzlich belasten. Also behielt er die Maske eiserner Entschlossenheit aufrecht.
Drei Stunden später, die Sachen waren gepackt und im Eagle verstaut, saßen sie alle bei Attila im Wagen, der bereits vor dem Tanzlokal parkte. Diesmal war es ein uralter Mercedes, ebenfalls mit getönten Scheiben. Hyrtl hatte ihnen seinen Plan erörtert. Sie würden das mit einem Minimum an Aufwand regeln, dafür aber für Effektivität sorgen. Hans und Alf postierten sich neben dem Eingang, Sigi sicherte den Hinterausgang während Hyrtl vorhatte, direkt reinzugehen. Zu Attilas Leidwesen musste er im Wagen warten. Aber Hyrtl war es angenehmer, eine rasche Fluchtmöglichkeit zu haben, falls sich Probleme ergeben sollten, auch sollte niemand das Gesicht des Polizisten erkennen.
Hyrtl läutete und wartete. Nach mehreren Minuten öffnete sich eine Sichtluke und ein junger bärtiger Mann blickte heraus. „Was willst du?“, fragte er misstrauisch.
„Ich? Ich will nur ein wenig Spaß“, antwortete Hyrtl und winkte mit einem Packen Geldscheinen. Die Luke schloss sich wieder und er hörte ein Kratzen und Scharren, als sich die Tür öffnete. Umgehend packte Hyrtl den Mann am Kragen und schob ihn unsanft ins Innere. Anschließend zog er seine MP und schoss ihm genau zwischen die Augen. Der leblose Körper prallte auf den Boden. Als wäre er nicht da, stieg Hyrtl darüber hinweg und ging weiter geradeaus. Hans und Alf folgten kopfschüttelnd, selten war ihr Chef so kalt. Sie packten die Leiche am Kragen und schoben sie in einen Schrank. Alf hielt es für klüger, nicht gleich beim Eingang Zeichen auf ihre Anwesenheit zu hinterlassen.
Niemand hatte den Schuss gehört, denn hier waren alle Räume schalldicht isoliert. Darauf hatte Hyrtl spekuliert. Sie kontrollierten jede Tür, alle Zimmer waren leer. Weiter hinten drang Lärm aus einem Raum, denn die Tür war nur angelehnt, wie sie durch einen feinen Lichtstrahl erkennen konnten. Dorthin gingen sie. Hyrtl gab seinen Männern Handzeichen stehen zu bleiben, zählte bis drei, dann stieß er die Tür auf und brüllte sogleich los. „Alle bleiben wo sie sind! Die Hände sind dort, wo ich sie sehen kann! Keiner rührt sich!“ Alf und Hans hoben drohend ihre MGs und entsicherten sofort die Waffen, als sich einer der Männer entfernen wollte. „He du! Dageblieben, Freundchen!“ Wie angewurzelt blieb der Angesprochene stehen und legte die Hände auf den Kopf. „So und weil wir jetzt alle friedlich sind, kommt mal der Chef dieses Etablissements zu mir.“ Er blickte sich gründlich um. Alle schauten zu dem Mann, der vorhin zu flüchten versucht hatte. „Na, los, beweg deinen fetten Arsch zu mir. Ich tu dir nichts. Aber ich kann auch anders und dir hier alles kurz und klein schießen lassen.“ Er redete jetzt freundlich und lächelte sogar, was einige dazu veranlasste, ihre Haltung etwas zu entspannen. Hyrtl registrierte das sofort. Endlich konnte er irgendwo seinen Zorn und die Trauer über Ronjas Tod abreagieren. Er würde diese Männer schwer enttäuschen, denn seine Anwesenheit galt nicht nur dem Bordellbesitzer.
Zögernd trat der dicke Mann zu Hyrtl, etwa einen Meter vor ihm blieb er stehen. Er stank nach Opium, Rauch und eben vollzogenem Sex. „Du ziehst dich jetzt brav bis auf die Unterhosen aus, denn in deiner ganzen Hässlichkeit muss ich dich nicht sehen, du gottverdammter Wichser“, befahl Hyrtl eisig, dann an die anderen gewandt: „Lasst die Tänzer los, die können nachhause gehen. Wenn die Jungs weg sind, dann dürft ihr es dem Fettsack hier gleichmachen und euch eurer Hüllen entledigen.“ Als die jungen Burschen, die alle in sehr bunten Frauenkleidern steckten, erkannten, dass sie der Sklaverei entkommen konnten, nutzten sie diese einmalige Chance und rannten, so schnell sie ihre Beine trugen, davon. Es war ihnen für den Moment gleichgültig wohin, nur weg aus diesem Bordell. Hyrtl kümmerte sich nicht weiter um die Jungen, die waren Attilas Problem.
Er wollte den Bordellbetreiber und die Nutznießer dieser Einrichtung. Sein Mund zog sich zu einem teuflischen Grinsen in die Breite.
„Nun, meine Herren, runter mit den Fetzen! Macht schon, nicht so lahm! Danach werden wir mal Tacheles reden.“ Er wartete eine Weile, Hans und Alf flankierten ihn breitbeinig, die Waffen schussbereit. Als sich neuerlich einer davonmachen wollte, machte Hyrtl bloß: „Tz, tz, tz … lauf nur du Wichser, am Hinterausgang wirst du bereits erwartet oder denkt ihr, ich bin so dumm wie ihr und trag mein Hirn in den Eiern spazieren? Runter mit den Lappen, aber lasst um Himmels willen die Unterhosen an, ihr seid so schon hässlich genug.“ Keiner traute sich etwas zu sagen oder gar zu widersprechen und zögerlich begannen sie sich nun zu entkleiden. Hyrtl ging es noch immer zu langsam, so zog er seine MP7, er liebte dieses kleine Abschiedsgeschenk seines Schwagers, und hielt sie drohend dem Leiter des Bordells an die Schläfe. Der schwitzte so stark, dass ihm der Schweiß von der Nasenspitze tropfte. Am Geruch erkannte Hyrtl, dass sich der Mann angepisst hatte. „Macht schon, sonst geniert ihr euch auch nicht, ihr Hurensöhne“, höhnte er weiter. Im Handumdrehen standen nun zehn Männer in Unterhosen vor ihnen und blickten verschämt zu Boden. Nur der Bordellbetreiber blickte weiterhin starr in Hyrtls Gesicht. „Du ruinierst mein Leben, du Bastard“, fluchte er, obwohl er so viel Angst wie noch nie in seinem Leben hatte. Doch Hyrtl lachte nur dazu. „Das geht mir am Arsch vorbei, du Korkak.“ Danach gab er Hans einen Wink, der alle fesselte, sie mit den eigenen Socken knebelte und anschließend zu Boden drückte. Jeder bekam noch eine Augenbinde, denn Hyrtl wollte nicht, dass sie sahen, was er vorhatte, danach schickte er seine Leute vor die Tür.
Kurze Zeit später lagen elf Leichen in dem üppig ausgestatteten Raum und er ging hinaus. Kalt war seine Stimme als er den Abzug befahl.
Sigi hatte mittlerweile den Eagle geholt und wartete auf sie. Alf und Hans stiegen sofort ein, denn sie mussten noch kurz über den Vorfall reden. Noch nie hatte Hyrtl so reagiert. Aber sie wagten nicht, zu lange zu diskutieren, denn den Chef zu hinterfragen, konnte sie Kopf und Kragen kosten, besonders wenn er in so einer Stimmung war.
Vor der Tür trafen sich Hyrtl und Attila noch ein letztes Mal. „Danke. Die Buben habe ich aufsammeln lassen. Viele von ihnen werden nicht nachhause gehen wollen, denn sie wurden von ihren Vätern verkauft.“ Er machte eine Pause und Hyrtl wartete, denn er merkte, dass sein neuer Freund noch mehr auf dem Herzen hatte. „Wegen Ronja. Sie war auch einmal in so einem Bordell. Mein Onkel hat sie verkauft, dieses Arschloch, für ein neues Auto.“ Angewidert spie er aus. „Ich kann ihren Hass auf uns Männer und das alles“, er machte eine ausholende Handbewegung, die Hyrtl nur zu gut verstand, auch ihm fehlten Worte für dieses menschenverachtende Regime, das einen selbst hart machte, wenn man überleben wollte. Attila schluckte, dann fuhr er fort und ließ den anderen Satz unbeendet. „Es ist gut, dass sie tot ist. Sie sah keinen Sinn mehr.“ Mit heftigem Blinzeln versuchte er die Tränen zu unterdrücken. Da nahm ihn Hyrtl bei den Schultern und schaute ihm ins Gesicht. „Es tut mir Leid, dass es so gekommen ist. Keiner von uns sollte dabei in Gefahr geraten. Ich kannte ihre waghalsigen Unternehmen, die jedes Mal einem Himmelfahrtskommando glichen. Jetzt verstehe ich auch, warum sie so vehement gekämpft hat und die Rache ist doppelt gelungen. Es ist jammerschade, dass es nicht mehr Menschen wie sie gibt. Die meisten sind feige Hunde, wie diese toten Ärsche dort drinnen.“ Damit ließ er Attila los und ging auf den Panzer zu. „Kommt gut heim!“, rief ihm Attila noch nach. „Sag Alf, er soll nicht wieder so lange warten, bis er sich meldet.“
„Werd ich machen, Attila. Alles Gute für dich hier.“ Rasch stieg er nun ein, damit Attila nicht noch einmal Gelegenheit bekam, etwas zu sagen. Rache war nicht süß, entschied Hyrtl für sich. Im Gegenteil, er fühlte sich matt und müde.
Barsch gab er den Befehl zur Abfahrt und sie rollten Richtung Viyanna davon, wo an der Grenze ihr Luchs und die andere alte Ausrüstung auf sie warteten.
„Das war nicht schön“, murmelte Alf. Er hatte gesehen, wie sich die Männer vor Angst angepisst hatten und der Gestank des Hauses hatte sich in seine Riechnerven gebrannt. Noch immer hatte er das Gefühl, die Angst zu riechen, den Gestank nach Zwiebeln, Opium, Rauch und Exkrementen. „Widerliches Geschäft“, murmelte Hans, dem das auch nicht gefallen hatte. Doch Alf sagte, was sie alle dachten: „Was hat denn dich geritten, Chef? Ich dachte, wir machen denen nur gehörig Angst.“
„Gerechtigkeit. Und nun kein Wort mehr davon, das ist meine Privatangelegenheit“, brummte Hyrtl abweisend.
„Schon gut. Aber dass du die Drecksarbeit immer selbst machst, das finde ich echt anständig von dir.“ Zustimmendes Gemurmel bekräftigte diese Aussage, denn dafür schätzten sie ihren Feldwebel. Es machte Hyrtl sprachlos und so sank er tiefer in seinen Sitz und zog sich die Kappe über die Augen. „Nachhause, Jungs. Ich mag jetzt echt nicht mehr hier sein“, befahl er und jetzt verheimlichte er es nicht mehr, dass er müde war.
„Fahren wir gleich nach Poltern weiter oder bleiben wir zuerst in Viyanna?“
„Nach Poltern, wir müssen uns melden, unser Urlaub ist zu Ende.“
„Das war doch kein Urlaub“, empörte sich Hans, bemüht das Thema zu wechseln.
„Haben dir die Sehenswürdigkeiten etwa nicht gefallen?“, lästerte Sigi, der mit Hans eine Tour durch Pest gemacht hatte, während sie auf weitere Befehle gewartet hatten. „Dasselbe Drecksloch wie zuhause. Viel Schutt, viel Müll, viel Geschrei. Außerdem haben wir eine Tote zu beklagen.“ Stille senkte sich zwischen die Männer und die Fahrt ging erneut über die Donau, dann Richtung Grenze.
Bedauernd ließen sie den Eagle stehen, nahmen den Luchs wieder in Besitz und zogen die eigenen Uniformen an, die bessere Bewaffnung behielten sie allerdings. Hyrtl sah das als Bonuszahlung an seine Männer, weil sie auch, wie den Nachrichten zu entnehmen gewesen war, den Prediger Istvan Mohammed erwischt hatten, der den Tod aller Kuffar forderte, er trat für eine Verschärfung der Scharia ein und wollte im Kalifat Werbung dafür machen. Außerdem hatte er vor die Geschlechtertrennung forcieren und den Frauen somit jede Möglichkeit, auszugehen und sich zu bilden nehmen. Jetzt verstand Hyrtl Ronjas eigenen Auftrag, Istvan Mohammed war ihr Ziel gewesen. Manchmal, so wie an diesem Tag, fragte er sich, was die Welt so verändert hatte, dass die Menschen so abgestumpft waren, dass sie nichts anderes als ein grünes Buch und die nächste Mahlzeit interessierte. Waren die Menschen immer schon so blind, gehörlos und dumm gewesen, ließen sie sich auch früher wie eine Schafherde von Hunden gängeln und zur Schlachtbank treiben oder wie die Melkkühe aussaugen? Er wollte eine Änderung, aber anders als Celik, wollte er gleichberechtigt sein, deshalb kämpfte er mit allen Mitteln für Rechte, die er nie hatte und wohl auch nie haben würde, wenn er an seinen Schwager dachte, der zwar alles daransetzte, Viyanna wieder groß und reich zu machen, dabei aber nur seinen eigenen Machtradius im Auge behielt.
Während der Fahrt hatten sie abwechselnd geschlafen und über Ronja geredet. Jeder hatte etwas über sie zu erzählen gewusst und wenn es nur eine kleine Anekdote gewesen war. Vom Hörensagen hatte jeder von ihnen das verrückte Mädchen gekannt, das sich lieber tot als in den Händen des Feindes gesehen hatte.
Hyrtl indessen war zornig auf sich, weil er nicht an die Möglichkeit gedacht hatte, dass das Frauenabteil geschlossen werden könnte. Er hatte Ronja geschätzt, als wertvollen Informanten, als risikobereiten Kameraden und auch als Mensch. Sie war nie zimperlich gewesen und wenn er sie näher gekannt hätte, hätte er sie womöglich auch gemocht. Eigentlich wollte er gern mit jemanden darüber geredet, doch seine Mannschaft durfte er damit nicht zusätzlich belasten. Also behielt er die Maske eiserner Entschlossenheit aufrecht.
Drei Stunden später, die Sachen waren gepackt und im Eagle verstaut, saßen sie alle bei Attila im Wagen, der bereits vor dem Tanzlokal parkte. Diesmal war es ein uralter Mercedes, ebenfalls mit getönten Scheiben. Hyrtl hatte ihnen seinen Plan erörtert. Sie würden das mit einem Minimum an Aufwand regeln, dafür aber für Effektivität sorgen. Hans und Alf postierten sich neben dem Eingang, Sigi sicherte den Hinterausgang während Hyrtl vorhatte, direkt reinzugehen. Zu Attilas Leidwesen musste er im Wagen warten. Aber Hyrtl war es angenehmer, eine rasche Fluchtmöglichkeit zu haben, falls sich Probleme ergeben sollten, auch sollte niemand das Gesicht des Polizisten erkennen.
Hyrtl läutete und wartete. Nach mehreren Minuten öffnete sich eine Sichtluke und ein junger bärtiger Mann blickte heraus. „Was willst du?“, fragte er misstrauisch.
„Ich? Ich will nur ein wenig Spaß“, antwortete Hyrtl und winkte mit einem Packen Geldscheinen. Die Luke schloss sich wieder und er hörte ein Kratzen und Scharren, als sich die Tür öffnete. Umgehend packte Hyrtl den Mann am Kragen und schob ihn unsanft ins Innere. Anschließend zog er seine MP und schoss ihm genau zwischen die Augen. Der leblose Körper prallte auf den Boden. Als wäre er nicht da, stieg Hyrtl darüber hinweg und ging weiter geradeaus. Hans und Alf folgten kopfschüttelnd, selten war ihr Chef so kalt. Sie packten die Leiche am Kragen und schoben sie in einen Schrank. Alf hielt es für klüger, nicht gleich beim Eingang Zeichen auf ihre Anwesenheit zu hinterlassen.
Niemand hatte den Schuss gehört, denn hier waren alle Räume schalldicht isoliert. Darauf hatte Hyrtl spekuliert. Sie kontrollierten jede Tür, alle Zimmer waren leer. Weiter hinten drang Lärm aus einem Raum, denn die Tür war nur angelehnt, wie sie durch einen feinen Lichtstrahl erkennen konnten. Dorthin gingen sie. Hyrtl gab seinen Männern Handzeichen stehen zu bleiben, zählte bis drei, dann stieß er die Tür auf und brüllte sogleich los. „Alle bleiben wo sie sind! Die Hände sind dort, wo ich sie sehen kann! Keiner rührt sich!“ Alf und Hans hoben drohend ihre MGs und entsicherten sofort die Waffen, als sich einer der Männer entfernen wollte. „He du! Dageblieben, Freundchen!“ Wie angewurzelt blieb der Angesprochene stehen und legte die Hände auf den Kopf. „So und weil wir jetzt alle friedlich sind, kommt mal der Chef dieses Etablissements zu mir.“ Er blickte sich gründlich um. Alle schauten zu dem Mann, der vorhin zu flüchten versucht hatte. „Na, los, beweg deinen fetten Arsch zu mir. Ich tu dir nichts. Aber ich kann auch anders und dir hier alles kurz und klein schießen lassen.“ Er redete jetzt freundlich und lächelte sogar, was einige dazu veranlasste, ihre Haltung etwas zu entspannen. Hyrtl registrierte das sofort. Endlich konnte er irgendwo seinen Zorn und die Trauer über Ronjas Tod abreagieren. Er würde diese Männer schwer enttäuschen, denn seine Anwesenheit galt nicht nur dem Bordellbesitzer.
Zögernd trat der dicke Mann zu Hyrtl, etwa einen Meter vor ihm blieb er stehen. Er stank nach Opium, Rauch und eben vollzogenem Sex. „Du ziehst dich jetzt brav bis auf die Unterhosen aus, denn in deiner ganzen Hässlichkeit muss ich dich nicht sehen, du gottverdammter Wichser“, befahl Hyrtl eisig, dann an die anderen gewandt: „Lasst die Tänzer los, die können nachhause gehen. Wenn die Jungs weg sind, dann dürft ihr es dem Fettsack hier gleichmachen und euch eurer Hüllen entledigen.“ Als die jungen Burschen, die alle in sehr bunten Frauenkleidern steckten, erkannten, dass sie der Sklaverei entkommen konnten, nutzten sie diese einmalige Chance und rannten, so schnell sie ihre Beine trugen, davon. Es war ihnen für den Moment gleichgültig wohin, nur weg aus diesem Bordell. Hyrtl kümmerte sich nicht weiter um die Jungen, die waren Attilas Problem.
Er wollte den Bordellbetreiber und die Nutznießer dieser Einrichtung. Sein Mund zog sich zu einem teuflischen Grinsen in die Breite.
„Nun, meine Herren, runter mit den Fetzen! Macht schon, nicht so lahm! Danach werden wir mal Tacheles reden.“ Er wartete eine Weile, Hans und Alf flankierten ihn breitbeinig, die Waffen schussbereit. Als sich neuerlich einer davonmachen wollte, machte Hyrtl bloß: „Tz, tz, tz … lauf nur du Wichser, am Hinterausgang wirst du bereits erwartet oder denkt ihr, ich bin so dumm wie ihr und trag mein Hirn in den Eiern spazieren? Runter mit den Lappen, aber lasst um Himmels willen die Unterhosen an, ihr seid so schon hässlich genug.“ Keiner traute sich etwas zu sagen oder gar zu widersprechen und zögerlich begannen sie sich nun zu entkleiden. Hyrtl ging es noch immer zu langsam, so zog er seine MP7, er liebte dieses kleine Abschiedsgeschenk seines Schwagers, und hielt sie drohend dem Leiter des Bordells an die Schläfe. Der schwitzte so stark, dass ihm der Schweiß von der Nasenspitze tropfte. Am Geruch erkannte Hyrtl, dass sich der Mann angepisst hatte. „Macht schon, sonst geniert ihr euch auch nicht, ihr Hurensöhne“, höhnte er weiter. Im Handumdrehen standen nun zehn Männer in Unterhosen vor ihnen und blickten verschämt zu Boden. Nur der Bordellbetreiber blickte weiterhin starr in Hyrtls Gesicht. „Du ruinierst mein Leben, du Bastard“, fluchte er, obwohl er so viel Angst wie noch nie in seinem Leben hatte. Doch Hyrtl lachte nur dazu. „Das geht mir am Arsch vorbei, du Korkak.“ Danach gab er Hans einen Wink, der alle fesselte, sie mit den eigenen Socken knebelte und anschließend zu Boden drückte. Jeder bekam noch eine Augenbinde, denn Hyrtl wollte nicht, dass sie sahen, was er vorhatte, danach schickte er seine Leute vor die Tür.
Kurze Zeit später lagen elf Leichen in dem üppig ausgestatteten Raum und er ging hinaus. Kalt war seine Stimme als er den Abzug befahl.
Sigi hatte mittlerweile den Eagle geholt und wartete auf sie. Alf und Hans stiegen sofort ein, denn sie mussten noch kurz über den Vorfall reden. Noch nie hatte Hyrtl so reagiert. Aber sie wagten nicht, zu lange zu diskutieren, denn den Chef zu hinterfragen, konnte sie Kopf und Kragen kosten, besonders wenn er in so einer Stimmung war.
Vor der Tür trafen sich Hyrtl und Attila noch ein letztes Mal. „Danke. Die Buben habe ich aufsammeln lassen. Viele von ihnen werden nicht nachhause gehen wollen, denn sie wurden von ihren Vätern verkauft.“ Er machte eine Pause und Hyrtl wartete, denn er merkte, dass sein neuer Freund noch mehr auf dem Herzen hatte. „Wegen Ronja. Sie war auch einmal in so einem Bordell. Mein Onkel hat sie verkauft, dieses Arschloch, für ein neues Auto.“ Angewidert spie er aus. „Ich kann ihren Hass auf uns Männer und das alles“, er machte eine ausholende Handbewegung, die Hyrtl nur zu gut verstand, auch ihm fehlten Worte für dieses menschenverachtende Regime, das einen selbst hart machte, wenn man überleben wollte. Attila schluckte, dann fuhr er fort und ließ den anderen Satz unbeendet. „Es ist gut, dass sie tot ist. Sie sah keinen Sinn mehr.“ Mit heftigem Blinzeln versuchte er die Tränen zu unterdrücken. Da nahm ihn Hyrtl bei den Schultern und schaute ihm ins Gesicht. „Es tut mir Leid, dass es so gekommen ist. Keiner von uns sollte dabei in Gefahr geraten. Ich kannte ihre waghalsigen Unternehmen, die jedes Mal einem Himmelfahrtskommando glichen. Jetzt verstehe ich auch, warum sie so vehement gekämpft hat und die Rache ist doppelt gelungen. Es ist jammerschade, dass es nicht mehr Menschen wie sie gibt. Die meisten sind feige Hunde, wie diese toten Ärsche dort drinnen.“ Damit ließ er Attila los und ging auf den Panzer zu. „Kommt gut heim!“, rief ihm Attila noch nach. „Sag Alf, er soll nicht wieder so lange warten, bis er sich meldet.“
„Werd ich machen, Attila. Alles Gute für dich hier.“ Rasch stieg er nun ein, damit Attila nicht noch einmal Gelegenheit bekam, etwas zu sagen. Rache war nicht süß, entschied Hyrtl für sich. Im Gegenteil, er fühlte sich matt und müde.
Barsch gab er den Befehl zur Abfahrt und sie rollten Richtung Viyanna davon, wo an der Grenze ihr Luchs und die andere alte Ausrüstung auf sie warteten.
„Das war nicht schön“, murmelte Alf. Er hatte gesehen, wie sich die Männer vor Angst angepisst hatten und der Gestank des Hauses hatte sich in seine Riechnerven gebrannt. Noch immer hatte er das Gefühl, die Angst zu riechen, den Gestank nach Zwiebeln, Opium, Rauch und Exkrementen. „Widerliches Geschäft“, murmelte Hans, dem das auch nicht gefallen hatte. Doch Alf sagte, was sie alle dachten: „Was hat denn dich geritten, Chef? Ich dachte, wir machen denen nur gehörig Angst.“
„Gerechtigkeit. Und nun kein Wort mehr davon, das ist meine Privatangelegenheit“, brummte Hyrtl abweisend.
„Schon gut. Aber dass du die Drecksarbeit immer selbst machst, das finde ich echt anständig von dir.“ Zustimmendes Gemurmel bekräftigte diese Aussage, denn dafür schätzten sie ihren Feldwebel. Es machte Hyrtl sprachlos und so sank er tiefer in seinen Sitz und zog sich die Kappe über die Augen. „Nachhause, Jungs. Ich mag jetzt echt nicht mehr hier sein“, befahl er und jetzt verheimlichte er es nicht mehr, dass er müde war.
„Fahren wir gleich nach Poltern weiter oder bleiben wir zuerst in Viyanna?“
„Nach Poltern, wir müssen uns melden, unser Urlaub ist zu Ende.“
„Das war doch kein Urlaub“, empörte sich Hans, bemüht das Thema zu wechseln.
„Haben dir die Sehenswürdigkeiten etwa nicht gefallen?“, lästerte Sigi, der mit Hans eine Tour durch Pest gemacht hatte, während sie auf weitere Befehle gewartet hatten. „Dasselbe Drecksloch wie zuhause. Viel Schutt, viel Müll, viel Geschrei. Außerdem haben wir eine Tote zu beklagen.“ Stille senkte sich zwischen die Männer und die Fahrt ging erneut über die Donau, dann Richtung Grenze.
Bedauernd ließen sie den Eagle stehen, nahmen den Luchs wieder in Besitz und zogen die eigenen Uniformen an, die bessere Bewaffnung behielten sie allerdings. Hyrtl sah das als Bonuszahlung an seine Männer, weil sie auch, wie den Nachrichten zu entnehmen gewesen war, den Prediger Istvan Mohammed erwischt hatten, der den Tod aller Kuffar forderte, er trat für eine Verschärfung der Scharia ein und wollte im Kalifat Werbung dafür machen. Außerdem hatte er vor die Geschlechtertrennung forcieren und den Frauen somit jede Möglichkeit, auszugehen und sich zu bilden nehmen. Jetzt verstand Hyrtl Ronjas eigenen Auftrag, Istvan Mohammed war ihr Ziel gewesen. Manchmal, so wie an diesem Tag, fragte er sich, was die Welt so verändert hatte, dass die Menschen so abgestumpft waren, dass sie nichts anderes als ein grünes Buch und die nächste Mahlzeit interessierte. Waren die Menschen immer schon so blind, gehörlos und dumm gewesen, ließen sie sich auch früher wie eine Schafherde von Hunden gängeln und zur Schlachtbank treiben oder wie die Melkkühe aussaugen? Er wollte eine Änderung, aber anders als Celik, wollte er gleichberechtigt sein, deshalb kämpfte er mit allen Mitteln für Rechte, die er nie hatte und wohl auch nie haben würde, wenn er an seinen Schwager dachte, der zwar alles daransetzte, Viyanna wieder groß und reich zu machen, dabei aber nur seinen eigenen Machtradius im Auge behielt.
Während der Fahrt hatten sie abwechselnd geschlafen und über Ronja geredet. Jeder hatte etwas über sie zu erzählen gewusst und wenn es nur eine kleine Anekdote gewesen war. Vom Hörensagen hatte jeder von ihnen das verrückte Mädchen gekannt, das sich lieber tot als in den Händen des Feindes gesehen hatte.