Ohne Titel
Wer war sie denn schon? Eine abgefuckte Hure, nichts weiter. Sie hat den Job lange gemacht, über 30 Jahre. In dieser Zeit hat sie viel kommen und gehen gesehen. Der Kommissar muss schmunzeln. Selbst er hatte sie noch vor ein paar Jahren in den Arsch gefickt – eine Gefälligkeit. Das läuft in diesem Milieu nun mal so. Damals war sie noch weit appetitlicher, als jetzt. Ihre Brüste waren immerhin noch annähernd prall. Ihre Muschi muss inzwischen das reinste Scheunentor sein. Ein einziger Messerstich in den Unterleib hat dieses tragische Leben beendet. Keine Spuren einer Vergewaltigung oder eines Raubes. Sie muss langsam verblutet sein. Nun liegt sie da, im Rinnsal der Wirklichkeit. Ihre wahrlich nuttigen Kleider sind zerrissen. Verschmiertes Make up. Kratzspuren auf den faltigen Brüsten, an den Armen und im Gesicht. Leere, aufgerissene Augen. Der Mund - ein letzter stummer Schrei. Und überall Blut. Warum hat sie um dieses, ihre Leben so gekämpft?Der Assistent verhört die Passanten, welche sich unweit vom Tatort versammelt haben. Neugierige, Anwohner und Szenetypen. Ihre große Zeit war lange vorbei, sagen sie. Seit geraumer Zeit lies sie jeden, wirklich jeden an sich ran, die Gebrechlichen, die Stinkenden, die Sadisten und Perversen.
Ihren richtigen Namen wusste niemand. Alle nannten sie Heidi, trotz brünettem Haar. Sie wollte Tänzerin in einem Musical werden. Ihr Körper war ein Traum. Ein Hintern zum Nüsse knacken. Ein Talentscout sprach sie an. An der Stange verdiente sie ihr erstes Geld. Dann der erste Fick für die Samstagabend Show. Wenn sie im Minirock und wallendem Dekollete über die Straße ging, stockte der Verkehr. Und sie genoss diese Macht. Die Männer schrumpften reihenweise auf ihre Schwänze zusammen. Ihre erste, große Liebe beschenkte sie reichlich. Für kurze Zeit fühlte sie sich wie eine Königin. Später aber musste sie seine Spielsucht finanzieren. Für ihn ging sie ins Bordell. Sie fand Gefallen daran, von vielen Männern begehrt zu werden, auch wenn kaum etwas von dem vielen Geld übrig blieb. Sie machte so machen jungen Kerl zu einem Mann. Als die Liebe zu Ende war, gab es keine Alternativen mehr. Heidi verdiente sehr gut. Der Gedanke nach einem Ausstieg währte nur kurz. Zweimal hat sie abgetrieben. Zeitweise nahm sie zum Spaß Drogen.
Wie oft hat sie die kleinen Schwänzchen groß geredet, besonders stöhnend die Beine gespreizt. Der Fick war nur der Anlass. Die Männer suchten häufig nur Bestätigung. Und Heidi gab sie ihnen. Einmal ist sie von fünf rüden Männern in einem Hotelzimmer vergewaltigt und verprügelt worden. Sie haben sie als dreckige Fotze und Abschaum beschimpft. Danach hat man sie eine Woche nicht gesehen.
Ihre Beziehungen waren nur noch von kurzer Dauer. Die Versprechen – ich hole Dich hier raus - wurden unerträglich. Mit Mitte dreißig fand sie einen Arbeitsplatz in einem dieser Vorstadtbordelle. Dort sind viele Freier besoffen, wenn sie spät in der Nacht aufkreuzen. Auf dem Heimweg noch so ne Schlampe ficken – ohne Gummi für einen Zwanziger extra – es ihr richtig besorgen. Das rundet den Männerabend würdevoll ab. Heidi war nur noch zweite Wahl. Aber sie war ein Profi.
Inzwischen gehörte sie nicht mehr zu der Riege von Frauen, die sich ihren Arbeitsplatz aussuchen konnten. Ihre beste Zeit neigte sich dem Ende zu. Ihr Körper nutzte sich ab. Mehr und mehr wurde sie für Fetischisten interessant. Später arbeitete sie nur noch auf der Straße. Sie umgab sich mehr und mehr mit den billigen Nutten vom Drogenstrich. Leichten Speck hatte sie angesetzt. Auch für Mollige gibt es einen Markt. Sie entsprach ganz dem Klischee der Street Worker. Mitleid war die schlimmste aller Erniedrigungen. Ein einziges Mal in ihrem Leben ist sie für eine ganze Nacht gebucht worden. Das Lustige war, der Freier schlief noch vor dem ersten Fick ein und hat am nächsten Tag voll bezahlt.
Heidi hat viel Elend in den Augen der Menschen gesehen. Sie kannte sie alle: die Schnellschießer, die Rammler, die Dampfhammer-Ficker, die Angeber, die Großkotzigen, die Heimlichen und Verklemmten, und die Wichser... Nur selten war einer dabei, der sie berührt hat. Ihr Blow job war berühmt. Dieses Talent rettete sie bis ins Alter.
Inzwischen wurde die schleichende Alkoholsucht und einzigen Trost. Ihr Körper, eine Hülle mit taubem Inhalt. Nichts gespart, kein Rentenanspruch. Immer mehr ließ sie mit sich machen, nur um an Geld zu kommen. Heidi war einsam und hatte Angst vor der Zukunft. Sie erniedrigte sich von Jahr zu Jahr mehr. Längst musste sie sich von den anderen Mädchen fern halten. Sie sprach davon, ein Domina Studio zu eröffnen, sobald sie das nötige Geld für die Ausstattung beisammen hat.
Ihr ganzes Leben hatte sie sich verkauft und benutzen lassen. Tagsüber saß sie immer vor dem Fernseher und sah sich Talkshows an. Und in der Nacht schmiss sie ihre Muschi auf den Wühltisch des sexuellen Discounts. Hey, hast Du Lust auf ein bisschen Spaß? Dann komm mit. Ich will Dir etwas zeigen. Es wird Dir gefallen. Da bin ich mir sicher. Hier in der dunklen Seitengasse kam es dann zum Kampf. Heidi hauchte hier ihren letzten Atem aus, den letzten Atemzug eines Lebens, das sie nie gelebt hat.
Obwohl es in ihr war.
Und der Täter? Der Kommissar blickt abwesend ins Leere. Zeit für die Mittagspause.
© yang 4/2011