Diktator Bunga-Bunga aus Spaghettonien
Wutschnaubend riss der alte Diktator das zweiflügelige Fenster seines Palastes auf. Rot pochten die Adern auf seiner Stirn und deuteten den steigenden Blutdruck an. »Frische Luft! Ich brauche Luft! Ich muss hier raus!«Dann wendete er sich wieder seinem Kabarettminister zu: »Wer braucht schon ein Volk zum Regieren? Ich besitze einen Fernsehsender und ein Palaverment!«
»…Parlament… Verzeihung…«, antwortete der ebenso alte Minister. »Aber ihr habt kein Volk, dafür eine Justiz.«
»Justiz?« Der Diktator schnaubte vor Wut, wie jedes Mal, wenn dieses Reizwort in seiner Gegenwart ausgesprochen wurde. »Dieser Aspergillus-niger,… Schwarzschimmel in schwarzen Roben auf meiner Tiramisu?«
»À propos Tiramisu…«
»Jaaaa…?« Diktator Bunga-Bunga ist sichtlich irritiert. »Was ist mit Tiramsu?«
»Diese Kleine, die euch gestern zur Nacht gebettet hat?«
»Die Tochter von diesem Pharao Methadon?«
»Echnaton?«
»Sie ist meine Sphinx vom Niger…« Bunga-Bunga gerät ins Schwärmen und streicht sich eine frisch getönte Locke aus der Stirn. »Sie kann so schön blasen.«
»Nil… nicht Niger«, korrigiert der Kabarettminister und streicht sich – die Geste des Diktators imitierend – eine ergraute, bei ihm ungefärbte Locke aus der Stirn.
»Ach egal. Hauptsache sie kann… Ich hab‘ gestern für sie angerufen. Sie war in Not. Ich habe sie retten müssen. Bei DSDS. 01379-1010-00, oder so.«
»Das ist Zazou, nicht Tiramisu.«
»Ich verwechsele die beiden immer. Hauptsache, sie können beide…«
»Carnivore, ähm Cavaliere! Ich muss sie unterbrechen!« Der Kabarettminister verliert sichtlich die Selbstbeherrschung. »Ich sagte… ihr habt kein Volk mehr.«
»Aber eine Armee, einen Sender, ein Palaverment und die Steuerhoheit in Spaghettonien… Steuern… genau, da war was. Ach so, ja… Minister, belegen sie das Volk mit einer Steuer auf Geschlechtsverkehr und kümmern sie sich persönlich um die Überwachung!«
»Aber dann müssten sie selbst…«
»Tripper und Syphillis für jeden Steuerflüchtling…« Der Diktator benötigt einige Sekunden, um seine Lungen für den kommenden Redeschwall zu füllen. »Ach Ministerchen… Seien sie kreativ… Seit wann gibt es in Spaghettonien Steuergerechtigkeit? Hauptsache das Volk zahlt.«
»Es gibt kein Volk. Ihr seid das Volk.«
»Aber einen Sender, eine Armee, mein Palaverment und mein Kabarett…«
»Kabinett.«
»Von mir aus auch einen Schrank. Wie geht es eigentlich meiner Tiramisu?«
Bunga-Bunga rollte gemächlich vom Fenster zurück in sein Büroschlafgemach. Dann nahm er eine Havanna, biss genüsslich die Enden ab und sog den Duft hörbar ein, bevor er nach seinem Feuerzeug kramte.
»Darf ich helfen?«, sprang ihm der Kabarettminister zur Seite.
»Danke. Aber rauchen kann ich noch alleine.«
»Ich hätte Feuer.«
»Feuer? Wofür noch gleich… ach so… ja, guter Witz… Bolognese soll brennen und ich singe dazu.« Der Diktator imitiert das Spiel auf der Lyra und stimmt dazu an: »Ohhhh holde Flammen….«
»Rom, nicht Bologna, und niederbrennen, das war früher einmal opportun…«
»Ich habe keine Opportun.«
»Das wäre Opposition.«
»Auch egal. Abschaffen! Haben sie nun endlich Feuer für meine Havanna?«
Irritiert griff der Kabarettminister nun doch in seine Jackentasche und suchte nach Feuer. Dann erinnerte er sich, dass sie ihm das Feuerzeug abgenommen hatten; eben bei der Kontrolle.
Langsam zog kühlere Abendluft in das Zimmer. Das Licht des Tages lies nach und ebenso dämmerten das Gespräch und die Gedanken in der Vergessenheit des Abends weg. Es klopfte an der Türe und der Diktator kehrte in die Gegenwart zurück.
»Herein!«
Zwei Pfleger betraten den Raum und jeder nahm sich einen der Rollstühle in denen die beiden alten Männer am Fenster saßen und langsam fröstelten.
»Hier kommt mein Volk«, raunte der Diktator dem Minister zu und steckte sich die ungeschälte Banane wieder in den Mund. »Sie werden die Steuerlast noch spüren. Spätestens wenn einer von ihnen wieder auf Tiramisu liegt.«
»Verdammt, Zazou…«
»Nicht Tiramisu?«
»Ich liebe diesen Duft einer Havanna.«
Der jüngere der beiden Pfleger verdrehte die Augen. »Haben der Cavaliere wieder das falsche Kraut geraucht?« Er schmiss seinem Kollegen einen vielsagenden Blick zu.
»Ich sagte doch…«, wendete sich diesmal der Minister an seinen Pfleger. »Ihr seid nicht sein Volk. Aber er will es nicht verstehen. Ihr seid die Justiz in euren schwarzen Roben.«
»Das ist Weiß, mein Lieber. Nun geht es zur Gruppentherapie, dann zum Abendessen und anschließend bringt euch Schwester Tina wieder ins Bettchen.«