und erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt
Ich konnte keine Kunst mehr sehen! Seit Tagen schleppte mich Daniel durch alle Museen und Galerien Venedigs. Mir gingen die Gemälde, Skulpturen und Schmuckstücke auf die Nerven, so sehr ich Kunst und Kunstgegenstände auch eigentlich mochte. Daniel konnte es nicht lassen, mich auf allen Wegen auf die grandiose Architektur aufmerksam zu machen. Er pries die Schönheiten um uns herum, genoss ausschweifend das gute Essen und die Weinauswahl in den besten Restaurants, in die er mich täglich einlud, er verwöhnte mich, wir gingen zusammen Kleider für ihn und mich kaufen, er versuchte mich für alles zu begeistern, mir alles zu bieten. Außer dem, weswegen wir eigentlich hierher gekommen waren.
Unsere Beziehung war an einem Tiefpunkt angelangt. Wir hatten uns in den 6 Jahren, die wir nun zusammen waren, geliebt und gestritten, auch schon probeweise getrennt und doch immer wieder die Krisen überwunden, weil wir trotz aller Alltagsprobleme das Gefühl behielten, einfach zusammen zu gehören. In den letzten Monaten hatten wir uns auseinandergelebt, seine Arbeit forderte ihn sehr, meine eigene Karriere erfüllte mich, und wir sahen uns längst nicht mehr täglich, geschweige denn, dass wir wirklich Zeit gemeinsam verbrachten.
Wir sprachen über alles Mögliche, außer über uns. Wir tasteten uns an Themen, die unser Zusammenleben betrafen, nur noch stotternd heran, wo es unsere Gefühle betraf und wir hatten seit Wochen keinen Sex mehr gehabt, und wenn dann als Pflichtübung für ihn. Das ging so nicht weiter.
Eine Woche Venedig, nur wir zwei, ohne Handy, Nachrichten von der Firma, oder Gespräche über Arbeit. Ich hatte mich so drauf gefreut. Dass Daniel sich aber so in das Kultur- und Augangsleben stürzte, bis wir abends spät angetrunken und müde ins Hotel zurückkamen, so dass wir uns nach einem Kuss in getrennten Betten zum Schlafen legten, entsprach so gar nicht meinen Vorstellungen. Ich fühlte mich beschissen. Jeder Versuch, ihn zu mehr zu bewegen, ging schief. Er war höflich nett und großzügig, aber jedes Wort über Gefühle, Beziehung, Liebe, Zärtlichkeiten, drehte er mir im Mund um und änderte das Thema auf wieder einen anderen Künstler oder irgendwelche vagen Zukunftspläne. Seine Wahrnehmung von uns als Paar war so anders als meine. Er verstand nicht, was ich wollte. Er war früher ein so grandioser Liebhaber gewesen – dass er die Lust verloren hatte, musste einen Grund haben. An mir konnte es nicht liegen, ich war nicht fett geworden, ich gab mir Mühe, für ihn interessant zu bleiben…
Heute würde sich etwas ändern, sonst würde ich allein nach Hause fahren und mein Leben komplett ändern. Daniels Geschenke würde ich an den Sperrmüll stellen, wenn er sich heute nicht zu einer gemeinsamen Nacht bewegen lassen würde. Ich täuschte Kopfschmerzen vor und verzog mich ein paar Stunden vor dem Abendessen ins Hotelzimmer, machte mich zurecht. Er war noch bei einem Vortrag, hatte mir aber versprochen, um Acht nach mir zu sehen. Er hatte mir sogar gelobt, sich heute um mich zu kümmern und mir sogar einen netten Abend vorhergesagt.
Ich badete, rasierte mich, zog mir meine neue heiße Wäsche an, hüllte mich in Parfüm und drapierte mich auf dem Bett. Er würde mir heute nicht entgehen, ich hatte ihn an den Eiern. Die Spiegelung meines sündigen Körpers an der Decke über dem Bett erregte mich selbst so sehr, dass ich über den Hotelpagen herfallen würde, wenn Daniel sich verspätete – das hätte er dann davon. Ich würde ihn verwöhnen, ihm jeden Wunsch erfüllen, ohne dass er ihn äußern müsste, wir würden uns leidenschaftlich lieben, wie früher.
Ich schlürfte an dem Champagner, der neben dem Bett stand und versuchte, meine Nerven zu beruhigen. Als ich jemanden an der Tür hörte, verschluckte ich mich fast, dann räkelte ich mich und wartete gespannt auf Daniel, ich konnte seinen überraschten Blick und sein erwachendes Verlangen bereits vor mir sehen. „Schätzchen? Wo bist du?“, hörte ich aus dem Flur. Und dann trat er ein, ich drehte meinen Kopf und Hintern zu ihm, und erstarrte.
Daniel stand da mit offenem Mund, seinen Arm um einen jungen Mann gelegt, der nicht der Hotelpage war. Er kam mir bekannt vor. Schnell zog ich die Decke über meinen halbnackten Körper und setzte mich auf. Das war doch Stefan, Daniels Assistent. Er war in paar Mal bei uns zuhause gewesen, ein sehr schüchterner Mensch und völlig von Daniel fasziniert, ich hatte immer geglaubt, er sähe ihn als eine Art Vorbild. Daniel räusperte sich, ließ Stefan aber nicht los. „Liebling, zieh dir doch bitte was drüber. Ich muss mit dir reden. Weißt du, ich denke, du hast die Wahrheit verdient. Darüber, warum es zwischen uns nicht mehr so läuft, wie du dir das wünscht. Du kennst ja Stefan.“