Ein Fall für Larry Crane - Teil 12
Larry begab sich geradewegs zum Wollust, natürlich nicht ohne unterwegs Inspector Blueberry anzurufen und ihm von der Wendung des Falls sowie dem an die Heizung gefesselten Ganoven zu berichten. Der Inspector war über Larrys wiederholten Alleingang etwas erbittert. Larry schnaubte. Während er in der schwülen Hitze lebensgefährlichen Einsatz an der Front zeigte, schaukelte der Inspector gemütlich seine Eier im klimatisierten Büro. Aber Larry brauchte den Mann - manchmal wenigstens. Um ihn bei Laune halten, hatten sie verabredetet, gemeinsam ins Wollust zu gehen. So musste Larry sich noch eine Minuten auf der Canal Street herumdrücken, bis der Inspector eintraf. Dabei beobachtete er, wie eine Gestalt, welche ihm merkwürdig bekannt vorkam, den Laden verließ.
Larry folgte dem Mann, der offensichtlich nicht mehr auf sein Gewicht achtete, seit er die High School verlassen hatte, aber dennoch geschwind wie ein Wiesel die Straße hinunter wackelte. Und siehe da, der Kugelblitz verschwand im Filou, dem Geschäft für exklusiven Goldschmuck, in welches als erstes eingebrochen worden war und das zu Mr. Janulots Imperium gehörte.
Ohne zu zögern betrat Larry den Laden. Er sah gerade noch, wie der Kugelblitz in einer unauffälligen Tür für Personal im hinteren Bereich verschwand und stürmte, die verzweifelten Ausrufe der Angestellten ignorierend, einfach hinterher. In dem dahinter liegenden Gang gelang es ihm, den Typen auf dem vom vorherigen Putzen noch feuchten Linoleum zu Fall zu bringen. Dieser war sich bis zu diesem Zeitpunkt seines Verfolgers nicht bewusst gewesen und daher relativ frappiert.
„Wer sind sie und was wollen Sie von mir? Lassen Sie mich sofort los oder ich rufe die Polizei.“
„Tun Sie das ruhig. Denen können sie dann erklären, wer SIE sind, und was SIE von Ms. Ascot wollen.“
„Okay, okay! Lassen Sie uns die Polizei daraus halten und wir machen Fifty-Fifty mit dem Stab.“ Das war es! Hier vor Larry lag der „Boss“ der beiden Schmalspurganoven. Jetzt erkannte Larry ihn an seiner Stimme aus der Spelunke in Lower Ninth Ward. Natürlich dachte der nur an dieses vermaledeite Hermes-Zepter.
„Der Stab interessiert mich nicht. Was wollten Sie bei Ms. Ascot?“
„Also das war alles ihre Idee.“
„Was war ihre Idee!“ Larry trat dem „Boss“ in seine Speckschicht.
„Spuck‘s aus! Und zwar die ganze Geschichte.“ Es war jedesmal dieselbe Leier mit diesen kleinen Ganoven. Alles musst man ihnen aus der Nase ziehen und auch das ging meist nur mit Gewalt.
„Also der Mikey hat hier eingebrochen und ich sollte die Klappe halten, hat der Boss gesagt. Da hab ich gewusst, dass der ein ganz großes Ding plant. Wer bricht denn schon in seinen eigenen Laden ein? Also hab ich den Mikey mit dem seiner Schnalle unter Druck gesetzt. Da hat der das von dem Stab erzählt und gesagt, dass die Lady vom Wollust auch irgendwie mit drin hängt und was weiß. Also bin ich zu der hin.“
„Und?“ Larry hob fragend eine Augenbraue.
„Die wollte angeblich von nichts wissen. Hat erst auf dumm geschaltet, das Miststück! Nachdem dann in ihren Laden eingebrochen wurde, kam se wieder an. Meinte sie hätte es sich überlegt und wenn wir uns zusammentun, dann hätten wir bessere Chancen gegen den Boss.“
So war das also. Ms. Ascot spielte nicht nur doppeltes sondern gleich dreifaches Spiel. Wozu sonst hatte sie noch ihn engagiert, wenn der Einbruch in ihren Laden bloß Tarnung gewesen war. Larry wurde langsam richtig sauer.
„Und warum hat sie mich dann noch engagiert?“, brüllte er den Kugelblitz ungestüm an.
„Das müssen sie sie schon selbst fragen!“, antwortete dieser gereizt.
„Was weiß denn ich, was in der vorgeht, verdammte Schlange!“
„ Ich wollte die Lady sowieso gerade beehren.“ Larry versenkte abermals seinen Fuß kräftig in den Oberschenkel des „Boss“, der immer noch auf dem Boden lag. „Los, aufstehen! Wir machen einen Ausflug in die Grotte des Löwen.“
Vor dem Modegeschäft trafen Sie auf Inspector Blueberry, der berichtete, dass seine Kollegen die Kriechschnecke, mit bürgerlichem Namen Mike Druppels, in Gewahrsam genommen hatten und er weitestgehend geständig war. Es wunderte Larry überhaupt nicht, dass die Kriechschnecke sein Minischwert auf Kosten anderer zu retten gedachte.
„Also wenn wir Glück haben, treffen wir da drin den ganz großen Boss, Mr. Janulot, der mittels der Einbrüche seine Suche nach einem wertvollen Kunstgegenstand, dem Kerýkeion , tarnen wollte.“, eröffnete Larry das Gespräch.
„Wegen versuchtem Diebstahl können wir aber niemanden verhaften.“, nörgelte Inspector Blueberry in oberlehrerhaftem Ton.
„Mag sein, aber er steckt hinter der Einbruchserie und hat bestimmt noch mehr Dreck am Stecken, was seine ehemaligen ‚Mitarbeiter‘ wohl bestätigen werden.“ Damit deutete Larry auf den Kugelblitz-Gauner, der sich immer noch an seiner Seite befand. Larry verkniff sich, Inspector Blueberry auch noch darauf hinzuweisen, dass eine Suche in den Polizeiakten gewiss weitere Indizien für die nicht mehr ganz so weiße Weste des Mr. Janulot ergeben würde.
„Wie dem auch sei. Ab sofort übernehme ich hier das Kommando und stelle die Fragen.“, überging Inspector Blueberry Larrys Hinweis und straffte die Schultern zum Zeichen das Geschäft zu betreten. „Folgen Sie mir, meine Herren!“