A m o k
Diesen Tag werde ich nur vergessen können, wenn ich für immer die Augen schließe. Und das wird morgen sein. Aber erst danach …*
Sie haben das schon so oft gefragt. Ja, die Bullen auch. Ob ich jemals Killerspiele gespielt habe? Ja, hab ich, aber nicht mehr oder weniger als jeder andere. Und nun nerven mich diese Psychokacker mit ihren dämlichen Fragen. Sollen sie doch einfach nur mal ein paar Tage in eine ganz normale Schule gehen, dann wissen sie, was in dieser Scheißwelt abgeht. Ich hab’s schon zig Mal erklärt, immer wieder, geduldig wie bei einem kleinen Kind. Aber die begreifen einfach nichts.
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Meine wundervolle kleine Schwester: ein Ausbund an Lebensfreude und Fröhlichkeit. So schön! So lebendig! Aufgeweckt, frisch und voller Neugier auf das Leben. Allein ihr Lachen! Und ihr Leuchten, ihr strahlendes Lächeln, wenn sie glücklich war.
Über was haben wir alles geredet! Über Gott und die Welt: Wo ist Gott, hat sie mich gefragt. Warum passt er nicht auf alle gut auf? Warum sind viele Menschen böse? Warum ist unser Nachbar manchmal so gemein? Und warum ist die alte Frau von gegenüber immer allein? Warum sind Jungs so schrecklich blöd? Und Mädchen immer so neidisch und zickig? Bin ich das auch? Warum musste Opa so früh sterben, er war doch so lieb, und dieser blöde Nachbar, der andere immer nur ärgert, ist uralt und lebt immer noch? Warum sind die Menschen so gemein zu Tieren? Und so weiter … Und über alles haben wir stundenlang geredet. Sie war dann so ernst, ihr Blick nachdenklich, und ihre eifrige Suche nach Antworten und Wahrheiten war echt.
Und wie glücklich war Kathie gerade an diesem Tag gewesen, als wir nach wochenlanger Arbeit endlich unser Baumhaus fertig hatten, dieses heimliche Versteck im Wald. Am nächsten Tag hatten wir es voller Stolz all unseren Freunden zeigen wollen, unseren Eltern …
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Warum wird jemand ausgerechnet Lehrer, wenn er Kinder auf den Tod nicht ausstehen kann? Oder wenn er völlig unfähig ist, mit Kindern umzugehen? Oder wenn er zwar enormes Fachwissen hat, es aber nicht an den Mann bringen kann – und sein Unterricht nur öde und langweilig ist?
Kann so einer nicht einen anderen Beruf ausüben? Ist denn jemand gezwungen, unbedingt Lehrer zu werden und Kinder fertigzumachen, ihnen ihre Freude am Lernen zu nehmen?
Noch hat mir keiner jemals diese Fragen beantworten können. Ich bin erst vierzehn Jahre alt, aber ich weiß jetzt schon, dass man nur Lehrer werden sollte, wenn man Freude am Unterrichten hat, es auch gut kann – und wenn man Kinder mag und es versteht, mit ihnen gut umzugehen, sie zu begeistern. Alle anderen können ja Sofakissen verkaufen oder Beamte werden …
Schau dir doch nur diese fette Kuh da vorne an, diese Frau Wengeroth-Meißendörfer mit ihren superkurzen Haaren, die ihr fettes Aussehen auch noch unterstreichen! Unsere Klassenlehrerin. Weder richtig Frau noch richtig Mann. Allein dieser unsägliche Doppelname, mit dem sie auch noch unbedingt angesprochen werden will! Total bescheuert! Und funktioniert einer nicht so, wie sie es gerne hätte, dann kreischt sie gleich mit einer unerträglich hohen und total verklemmten Stimme rum, dass man sich fast schon die Ohren zuhalten muss. Warum das denn? Und als kürzlich einer fragte, warum sie dann immer gleich keifen und kreischen müsse, gab sie ihm eine Wahnsinns-Strafarbeit auf und rannte heulend aus dem Klassenzimmer. Blöde Kuh!
Keiner kann sie leiden, nicht mal unsere Eltern.
Überhaupt – wir alle mögen kaum einen unserer Lehrer. Warum eigentlich? Gibt es denn so wenige Lehrer, die man auch mögen, respektieren und achten kann? Die einfach nur Herz haben? Nur der Rektor, dieses schlimmste aller Arschlöcher an unserer Schule, dieser Oberschleimer – der behauptet ständig, an unserer Schule gebe es keine Probleme, die Lehrer seien gut ausgebildete und sehr fähige Kräfte und überaus beliebt bei Schülern und Eltern … Warum lügt der Mann so offensichtlich?
Eine junge Lehrerin hatten wir mal. Die Müllerin haben wir sie genannt, weil sie Müller hieß. Die sah nicht nur gut aus, sondern war auch locker drauf. Ihr Unterricht, Geschichte und Erdkunde, hat richtig Spaß gemacht, alle haben sie geliebt und wären für sie durchs Feuer gegangen. Aber die Kollegen waren wohl neidisch, jedenfalls haben sie die Ärmste völlig fertiggemacht – bis sie von allein das Handtuch geworfen hat und gegangen ist. Keine Ahnung, wo sie jetzt lebt und arbeitet. Und ein zwar schon etwas älterer, aber so richtig krasser Lehrer war auch der Weber gewesen. Schulterlange Haare, Bart – sah aus wie einer aus den 68ern oder wie ein alter Rockmusiker. Mann, war der gut – und jede Klasse war plötzlich von Bio und Sport hin und weg, alle liebten auf einmal den Unterricht. Bis seine Kollegen und besonders der Rektor auch ihm immer mehr Probleme machten, warum auch immer. Und eines Tages war er weg. Erst später haben wir erfahren, dass er sich erhängt hatte.
Lehrer – einfach nur zum Kotzen! Dabei könnte Schule auch spannend sein und sogar Spaß machen, hätten die alle nur mehr Ahnung! Aber ich will ehrlich sein: Auch unter den Schülern wimmelt es nur so von Arschlöchern. Und am schlimmsten sind diese Proll-Ausländer. Bitte nicht falsch verstehen: Zwei meiner besten Freunde sind Türken und Moslems. Supertypen! Aber es gibt auch diese blöden Ausländer, die nur prügeln und mosern und Streit suchen und glauben, sie seien der Mittelpunkt der Welt. Widerlich! Als ich vor ein paar Monaten noch auf dem Gymnasium war, gab es die zwar auch. Aber hier in der Hauptschule, da nehmen die überhand. Sie führen sich hier auf, als seien wir Deutschen die Gäste in ihrem Land – und nicht andersrum.
Und was ich mich schon seit langem frage: Warum sind so viele eigentlich so fett? Über die Hälfte meiner Klassenkameraden, und ganz besonders die Mädchen: fett, fetter, am fettesten ... Okay, ihnen allen fehlen vermutlich Liebe, Zuneigung und Anerkennung. Und anstatt das Problem an der Wurzel zu packen, stopfen sie sich eben ersatzweise mit allem möglichen Essen voll. Vorzugsweise bei McDoof. Ich hasse es. Sieht einfach zum Kotzen aus. Und ehrlich – es beleidigt mein Empfinden für Ästhetik, und ich glaube, die sind alle zwar gierig nach Essen, verstecken dahinter aber was ganz anderes.
Am schlimmsten finde ich dabei ihre unzufriedenen Gesichter! Ich hatte mal eine Tante, die war auch fett. Und wie! Aber die fühlte sich rundum wohl, ihr ging es gut, sie strahlte trotzdem Intelligenz und Lebensfreude aus. Da hat es mich überhaupt nicht gestört, dass sie zu fett war, ich habe sie dennoch geliebt und bewundert. Und mich oft und gern an sie gekuschelt. Leider lebt sie nicht mehr. Diabetes.
Was müsste das für ein Genuss sein, eine Kugel nach der anderen in all diese verfetteten, ekelhaft unzufriedenen Leiber zu jagen! Und dieser dummen Gans da vorne als Erstes. Sie gibt ja auch Religion und faselt von unsterblichen Seelen und dem Weg zu Gott. Ich würde ihr also irgendwie sogar einen Gefallen tun: sie von ihrem abgrundtief hässlichen Körper befreien – und ihr auf den Weg zu Gott helfen. Warum eigentlich nicht? Und ihre Seele ist ja sowieso angeblich unsterblich, der kann ich nichts tun.
Kathie, meine geliebte Kathie, wäre niemals so fett und so blöd geworden.
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Fast ein Jahr ist es jetzt her. Ich war noch auf dem Gymnasium, und Kathie hatte sich schon riesig darauf gefreut, auch dorthin zu kommen und öfter in meiner Nähe zu sein.
Kathie und ich waren zwar von der Arbeit am Baumhaus körperlich kaputt, aber zufrieden und überglücklich. Sie hüpfte begeistert plappernd neben mir her. Ich hörte gar nicht richtig zu, war einfach zu müde. Weiß nicht mal mehr, was sie alles erzählt hat. Nur an eines erinnere ich mich: Wie sie das Baumhaus einrichten wollte, davon hat sie geredet. Sogar kleine Gardinen sollten noch an die beiden Fenster kommen. Ich hab nur gelacht. Und für eine Extra-Ecke für Eumelinchen wollte sie noch sorgen: ihre uralte Stoffpuppe. Wie oft haben wir sie deshalb ausgelacht! Kein Mädchen mehr hat heute solch eine Puppe. Nur aus Stoff. Irgendwann hatte sie dieses verstaubte Ding auf dem Dachboden gefunden, in einer alten Kiste von ihrer Oma. Und seitdem war sie ihre ständige Begleiterin.
Plötzlich blieb Kathie stehen. „Eumelinchen! Sie liegt noch im Baumhaus!“, rief sie. „Ich hab sie vergessen.“
„Lass sie doch“, brummte ich. „Sie darf eben als Erste dort übernachten.“
„Aber doch nicht ganz allein!“, sagte Kathie entrüstet. „Ich geh sie schnell holen.“
„Warte, ich geh mit“, antwortete ich seufzend. „Obwohl mir jeder Schritt weh tut und der Rücken auch …“
„Musst du nicht, ich mach das schon allein.“
„Kommt nicht in Frage, Kathie! Es wird bald dunkel …“
„Bin doch selber groß. Und in fünf Minuten wieder da. Ich renne auch ganz schnell. Sag Mama und Papa Bescheid.“ Und weg war sie.
Warum nur bin ich an diesem Tag so müde gewesen? Ich hätte ihr folgen, sie begleiten müssen. Andererseits sind es ja auch nur ein paar hundert Meter bis zum Wald, und mit etwas Glück hätte sie wirklich in fünf oder zehn Minuten wieder da sein können, noch vor dem Dunkelwerden. Also hab ich nur genickt und gemeint: „Okay. Beeil dich!“
Und dann war das Unfassbare geschehen …
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Wie dumm die alle sind! Manchen sieht man es schon an ihrer Fresse an, dass sie gerade mal bis drei zählen können. Will man mit ihnen reden, sabbern sie immer nur das Gleiche. Konflikte offen, frei und ehrlich besprechen? Undenkbar! Faire Lösungen finden? Unmöglich! Mit Kritik umgehen? Fehlanzeige! Und alle nur voller Egoismus, Hass, Gier und Skrupellosigkeit …
Erst gestern musste ich vor zur Tafel, sollte dort etwas für Mathe ausrechnen. Als ich am Tisch von Dragan vorbeikam, diesem Assi-Arsch aus Rumänien, warf er eine Flasche runter. Keine Ahnung, warum – wohl mit Absicht. Ich hab sie jedenfalls nicht mal berührt. Sofort sprang er auf und schrie mich an: „Ey, du Wichser, was soll der Scheiß? Willst eins in die Fresse, oder was?“
Und der Lehrer, auch so ein Volltrottel, der zwar ungeheuer viel von Mathe versteht, aber rein gar nichts davon, wie man den Stoff spannend und lehrreich vermittelt, schrie mich auch noch an. Dabei hab ich gar nichts getan. Als ich sagte, ich sei es nicht gewesen, brüllte auf einmal die ganze Klasse: „David war es! David war es!“ Ich musste alles aufwischen und anschließend ins Rektorat … Keiner hat mir geglaubt, dass ich die Flasche nicht mal berührt habe. Und Dragan hat mich nach der Stunde frech und herausfordernd angegrinst. „Ey, du Hurensohn“, hat er gesagt, „isses jetzt klar? Keine Chance, ich bin hier der Obermacker! Kapiert?“
Ihn werde ich noch vor der fetten Lehrerin umpusten. Und den Mathe-Lehrer gleich mit dazu.
Oder gestern, da kam ich zufällig dazu, als ein paar Jungs eine Katze eingefangen und ihr Knallkörper an den Schwanz gebunden hatten. Diese Arschlöcher! Dragan natürlich an vorderster Front. Ich hab ihnen gesagt, was ich davon halte. Wenigstens haben sie dann die Katze in Ruhe gelassen und sich auf mich gestürzt. Ein blaues Auge, ein paar Prellungen und Schwellungen überall, zwei ausgeschlagene Zähne, zerrissene Jacke – das war es mir wert, die Katze zu retten. Die hörten nicht auf zu treten und zu schlagen, auch als ich am Boden lag und fertig war. Das sind doch keine Menschen! Die gehören vernichtet, wie schädliches, giftiges Ungeziefer!
Oder damals, es ist gerade mal ein Jahr her, als Kathie weinend nach Hause kam. Eine Horde Jungs hatte einen Igel gefunden und mit ihm Fußball gespielt. Kathie war geschockt und entsetzt, wir konnten sie kaum beruhigen. Angeschrien hatte sie die Jungs, hatte den Igel retten wollen. Aber als sie ihn endlich gekriegt hatte, war er schon tot gewesen. „Warum tun die so was?“, hat sie immer wieder bitterlich weinend gefragt … Und ich wusste keine Antwort.
Kathie liebte Tiere über alles. Kathie war fair und gerecht. Und mit Kathie konnte ich wunderbar über alles reden, dabei war sie damals gerade mal neun Jahre alt gewesen.
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Zum Abendessen war Kathie noch nicht zu Hause. Meine Mutter fragte plötzlich nach ihr. Sofort sprang ich auf – der Stuhl kippte um und fiel polternd zu Boden – und rannte los, wie von einer Meute wild gewordener Leoparden gehetzt. Ich ahnte, wo Kathie sein könnte. Und da war sie dann auch.
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Wie primitiv manche doch sind! Anstatt in aller Ruhe in der Schule was zu lernen, ist es ihnen wichtiger, sich aufzuspielen, wichtig zu machen – und dabei vor allem möglichst laut rumzugrölen.
Und die Mädchen erst! Eine blöder als die andere. Lauter dumme Gänse! Und sie alle stehen auf Jungs, die so richtig bescheuert sind, brutal und großmäulig. Mit mir reden sie dann immer, jammern rum, weil diese Jungs so mies sind, dabei rennen sie ihnen doch hinterher. Ich hab keine Freundin, manche von denen können sich dagegen vor Mädchen kaum retten! Warum sind diese Mädchen nur so blöd?
Ich werde sie einfach alle abknallen. Dieses Pack! Diese verdammten Wichser! Weg damit! Einfach nur weg – dann wird die Welt vielleicht ein bisschen besser.
Kathie hätte sich niemals solch einem Arschloch an den Hals geworfen.
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Ich entdeckte sie sofort. Sie lag unter unserem Baumhaus. Ganz komisch sah sie aus. Arme und Beine irgendwie verdreht. Zuerst dachte ich herzklopfend, sie sei gestürzt. Aber – sie war halb ausgezogen. Und ihr Gesicht so dunkel. Ihre Augen starrten seltsam ins Leere …
Ich nahm sie in den Arm, hielt sie. „Kathie! KATHIE!!!“, hab ich in die Welt hinausgeschrien, wie es nicht lauter und verzweifelter ging. Und ich wusste sofort, was los war. Ich hielt Kathie so lange fest, bis meine Eltern kamen, um nach uns zu sehen.
Später, als Polizei und Notarzt da waren, nahmen die mich auch noch mit. Angeblich, weil ich zum Kreis der Verdächtigen gehörte. Diese Idioten. Kathie war vergewaltigt und erwürgt worden. Ich würde so etwas niemals tun. Aber ich hätte so seltsam gewirkt, erzählten meine Eltern später, und man habe keine einzige Träne bei mir gesehen. Und man wusste ja, dass ich Kathie sehr liebte. Ich wurde denn auch nach einiger Zeit wieder nach Hause gebracht.
Wer es wirklich gewesen war? Bis heute weiß man es nicht … Der Kerl läuft noch frei rum. Und wenn er erwischt wird, kommt sicher so ein blöder Psychoklempner und meint, der Ärmste habe eine schwere Kindheit gehabt und könne deshalb gar nichts dafür. Kathie konnte auch nichts dafür!
Ihre uralte Stoffpuppe lag ein paar Meter neben ihr, achtlos weggeworfen. Selbst ihre beste Freundin hatte ihr dieser Wichser, der das getan hat, aus der Hand gerissen. Ich hab Eumelinchen aufgehoben, sauber gemacht und mitgenommen, später Kathie in den Arm gedrückt. Als sie in diesem kleinen Sarg lag, an diesem todtraurigen Tag, bei der Beerdigung.
Wäre ich doch nur die paar Meter mitgegangen! Hätte ich sie doch niemals allein zurücklaufen lassen! So war sie von irgendeinem kranken Arschloch umgebracht worden, wenige hundert Meter entfernt von ihrem geliebten Elternhaus.
Nach dieser Sache kam ich monatelang nicht mehr auf die Beine. Musste die Schule wechseln, in die Hauptschule hier am Ort. Hab’s nicht mehr gepackt. Meine Eltern? Sie waren selbst fertig. Keine große Hilfe für mich, aber ich kann es ihnen nicht verdenken. Und so wurde ich an dieser beschissenen Schule mit all den bescheuerten, unfähigen und überforderten Lehrern und den beknackten, primitiven Schulkameraden vom ersten Tag an fertiggemacht: „Gymnasium, hä? Warst wohl zu doof dafür, oder?“ Und neidisch waren sie, weil ich vom Gymnasium kam: „Hältst dich wohl für was Besseres, ey, du Hurensohn! Dabei biste auch nur ein blöder Wichser!“ Besonders schlimm war: „Hältst dich wohl für interessant, weil deine Schwester umgebracht wurde!“ Und wenn ich was dazu sagte, bekam ich sofort auf die Fresse. Und wie! Also hielt ich mein Maul.
Damit ist jetzt Schluss!
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All diese Schmeißfliegen in meiner Klasse. Dieses nutzlose, überflüssige und schädliche Ungeziefer! All diese fetten und dummen Arschlöcher! Die nicht mehr rausbringen als: „Ey, Alder, was geht ab, Mann? Heut wird gesoffen bis zum Umfallen, Alder, wir machen fett Party, und dann legen wir ein paar Weiber flach, aber voll krass, Alder, das sag ich dir. Mann, das wird geil, Alder.“
Sie leben noch. Meine kleine Schwester lebt nicht mehr. Ein so wunderbares, kluges, lebensfrohes Mädchen ist tot. Kathie wäre eine Bereicherung für diese Welt gewesen – so wie sie eine Freude für alle war, die sie gekannt hatten. Sie war wie die Sonne am Tag gewesen, wie der Mond in der Nacht – ein Licht in dieser Welt. Ausgelöscht von einem, den ich nur allzu gerne zwischen die Finger kriegen würde.
Oder unser wundervoller Opa. Er lebt nicht mehr. Der Arsch im Nachbarhaus, der immer so fies zu allen ist und allen nachspioniert, um was zu finden, worüber er abmotzen kann –, der lebt immer noch. Den sollte ich eigentlich auch umlegen. Vielleicht tue ich das morgen gleich als Erstes?
Ja, so ist es: Morgen am Vormittag werde ich sie alle abknallen, einen nach dem anderen. Sie haben es nicht verdient zu leben, sie sind es nicht wert. Sie alle haben ihr Recht auf das Leben verwirkt! Und danach erschieße ich mich selbst. Dann bin ich endlich wieder bei Kathie. Tut mir leid für unsere Eltern, aber ich kann nicht mehr anders.
Die Waffen zu besorgen, war übrigens kein Problem gewesen. Und so wird morgen hier endlich mal aufgeräumt!
Und keiner, absolut keiner, kann oder wird mich aufhalten …
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Diese Geschichte von meinem Sohn und mir erscheint Ende Mai in dem Band "Gesichter der Gewalt - Kraftvolle Geschichten von Macht und Ohnmacht" im Belletris-Verlag. Weitere Infos siehe hier:
Kurzgeschichten: * Unsere Autoren ***
Bin auf Eure Meinungen dazu gespannt ...
(Der Antaghar)