Leicht war gestern -
Oder: Gedanken einer Frau, die einen Mann liebt, den man nicht lieben sollte…Oder: Schwer ist es, die rechte Mitte zu treffen: das Herz zu härten für das Leben, es weich zu halten für das Lieben. Jeremias Gotthelf
Sie: „Wie findest du, dass sie jubeln über den Tod des Terroristen?“
Er: „Ein Massenmörder weniger. Der Feldzug gegen den Terror ist keine Strafverfolgung, sondern eine politische Kriegskampagne mit den Mitteln der List und Feuerkraft. Und diesen Sieg tragen die Amis heim. Aber der Krieg geht weiter, unbeirrt…“
Sie: „Jetzt redest du schon wie er und schon wieder von Krieg.“
Er: „Der vielfache Massenterror ist kein Kriminalfall, Liebes, sondern ein kriegsähnlicher Angriff auf die Zivilbevölkerung. Die gezielte Tötung feindlicher Befehlsgeber und Einpeitscher keine Strafe, oder gar Hinrichtung, sondern ein ebenso legales, wie legitimes Mittel der operativen Kriegsführung."
Sie: „Das klingt in meinen Ohren aber schon ein wenig selbstgerecht.“
Er: „Der Krieg ist kein Mittel des Rechts, sondern der Macht und dieser Krieg vollzieht sich im Dunkelfeld von Tarnung, Geheimnis, Legende und Überraschung.“
Sie: „So wie er mir gegenüber einen Bohai um seine Identität machte und Worte wählte wie – Legende, Tarnung, verschiedene Identitäten, Analyst und mich damit verunsicherte und mir Angst machte?“
Er: „Ja und du hast nicht verstanden, was das von seiner Seite her für ein Vertrauensbeweis dir gegenüber bedeutete. Er riskierte Kopf und Kragen, um dich zu treffen. Er muss dich sehr gern gehabt haben?“
Sie: „Ich könnte heulen, denn ich glaube, ich habe ihm Unrecht getan. Jemand wie er MUSS auf der Hut sein, ist permanent in Hab Acht-Stellung, sieht wohl tatsächlich hinter jedem Busch einen möglichen Feind.“
Er: „Hast du gehört, dass sich immer mehr freiwillig melden und es schon „Wartelisten“ für die Terroranwärter geben soll? Vielleicht sind da ja schon so hübsche, intelligente Frauen wie du im Gebüsch und darauf getrimmt, solche Navy Seals - Leute aufzuspüren und auszuhorchen?“
Sie: „Willst du mich veräppeln? Ich liebe diesen Mann und bin so traurig, dass er mich in die Feindesecke stellte und liquidierte – auf seine Weise.“
Er: „Und auch er kennt das Motiv der gerechten Vergeltung. Dann verkommen Soldaten zu Marodeuren. Du bist ihm zu nahe getreten, Liebes. Er musste sich schützen und wenn du mich fragst, er schützte vermutlich eher dich, denn deine Naivität und Gutgläubigkeit, sowie dein grenzenloses Vertrauen in dieser Welt stellt für dich ein großes Risiko dar, wenn er sich mehr und mehr auf dich eingelassen hätte."
Sie: „ Bei mir kam seine Abwendung aber nicht als heroische Wohltat an, sondern eher als Rachefeldzug eines völlig durchgeknallten Menschen, ohne Gefühl für mich und ohne jegliches Gefühl – zumindest als Killer-Autopilot, wie ich ihn empfunden habe, als er mich liquidierte.“
Er: „So wurden sie ausgebildet. Weicheier schaffen nicht einmal die Aufnahmeprüfung. In der Not werden sie zu Kampfmaschinen gegen den Terror und schalten auf emotionslosen Autopilot. Da ist für Gefühlsduselei und Sentimentalität oder Entgegenkommen keinen Platz.“
Sie: „In diesem Zustand ist aber weder Versöhnung, noch Liebe möglich. Da führen einfachste Partnerschaftskonflikte sofort zum Aus.“
Er:“Ja, der Preis, den diese Männer und deren Frauen zahlen, wenn sie denn welche haben, ist hoch. Beziehungen, die diese Form der Konfliktlösung praktizieren und überleben, könnten eher die Ausnahme sein. Schließlich geht es im Terrorismus um töten oder selbst getötet werden!“
Sie: „Hallo jetzt spinnst du aber. Wir reden hier nicht von Terrorismus, sondern von einem Partnerschaftskonflikt.“
Er: „Wie lange kannte er dich? Und die Lage war für ihn tatsächlich bedrohlich. Du bist eine intelligente Frau. Dir kann Man(n) alles zutrauen. Lächel.“
Sie: „Das ist überhaupt nicht lustig! Er hat mich entsorgt!“
Er: „Nein, er mochte dich mehr, als du ahnst.“
Sie: „Ich heule schon wieder. Meinst du wirklich? Es tut mir alles so leid. Ich bat doch um Verzeihung, aber er konnte mir nicht verzeihen. Warum?“
Er: „Wie die Dankbarkeit gehört die Rache zum moralischen Gedächtnis der Gesellschaft. Freunden ist man dankbar für ihre Wohltaten, Mörder hasst man für das Leid, das sie über Menschen bringen. Vergeltung ist kein niederer Instinkt, kennt weder verzeihen, noch vergessen, weder Verjährung, noch Versöhnung, kein Einschläfern der Erinnerung um der Friedhofsruhe willen. Sie trachtet nach Erfüllung, danach rächend den Toten die Treue zu halten. Rache und Vergeltung ist ein Sprung aus der Ohnmacht des Leidens in die Freiheit des Handelns und rechnet Gleiches mit Gleichem ab.“
Sie: „Du meinst, das ist sein einziger Weg die Ohnmacht zu durchbrechen. Ich habe ihn in seinen Augen tatsächlich verraten, was ihn quasi ohn-mächtig werden ließ, also musste er das vergelten, wie er es lernte. Quit pro quo? Aber er ist doch kein Terrorist, sondern einer der GUTEN. Ticken die denn genau so?"
Er: „Ja vielleicht. Bedenke, das Leben, das dieser Mann führen muss. Es muss die Hölle sein und ich bin der festen Überzeugung, dass es ihm das Herz zerreißt, wieder einen geliebten Menschen vor den Kopf zu stoßen. Er kann nach so vielen Jahren wahrscheinlich nicht mehr anders. Ein auf dich zugehen, käme einer Niederlage, einem Totschlag gleich, ein Verrat an dein eigenen Stärken, für die man so viel geopfert hat, um Mörder aus dem Verkehr zu ziehen.“
Sie: „Aber was der Mörder anderen zufügt, das fügt er sich doch letztendlich selbst zu, und was die Army anderen zufügt, das kommt auch wieder zurück, weil das Blut vergießen doch damit niemals aufhört. Was statt Liebe ins Leben kommt ist Rache, was statt lebensfreudige Schaffenskraft zunimmt ist die Zahl der zu rächenden Toten und statt DA sein und sich vertrauensvoll fallen lassen nistet sich überall Misstrauen ein, ein permanentes auf der Hut sein und Schlaflosigkeit, Krankheit, Lebensmüdigkeit. Ob Bin Laden mit seinen zig Frauen und zig Kindern auch schlecht geschlafen hat?"
Er: "Einer wie er hat gut geschlafen, da bin ich mir sicher."
Sie: "Das ist nicht gerecht! Denn die belastbarsten, besten, intelligentesten Männer beschützen mit ihrem Leben unser Leben und zahlen einen höheren Preis, als die Terroristen? Und diesen einen Mann, den liebe ich aus ganzem Herzen. Und jetzt ist er aus meinem Leben so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen ist. Ausgelöscht. Das ist nicht fair!“
Er: „Das Prinzip der Fairness, der Gleichheit von Geben und Nehmen bestimmt das Maß der Gerechtigkeit.“
Sie: „Aber was kann ich ihm denn geben außer meiner Liebe, meinem Herz, meinem Vertrauen, meiner Treue und zwar nicht im Sinne von blinder Gefolgschaft und Gehorsam, sondern von echter Loyalität. Ab und zu ein persönliches Geschenk, einen liebevollen Gedanken, ein gutes Essen und guten Sex oder wunderbare Gespräche, ein wenig Abschalten und Blicke, weit hinaus ins Land, das träumen von später, vielleicht gemeinsame Kinder.“
Er: „Deine Geschenke sind zwar lieb gemeint, wiegen aber nicht die seinen dir gegenüber auf – so zumindest könnte er das sehen, denn sein Risiko ist um ein vielfaches größer als deines. Es geht tatsächlich um Leben und Tod. Für Träume und Kinder ist da wenig Platz.“
Sie: „Und ich missinterpretierte sein Verhalten als Selbstgerechtigkeit und Verrat an unseren Gefühlen füreinander. Ich schäme mich dafür. Gestern wollte ich vor Kummer sterben, heute vor Scham, dass ich ihm einen bösartigen Rachefeldzug unterstellt habe. Und ich habe wegen meiner Verletztheit wohl in seinen Augen seinen Standpunkt verleugnet, ihn nicht ernst genug genommen, das Verständnis mir gegenüber aber von ihm erwartet… “
Er: „Ja, ja, ihr deutschen Moralapostel. Verleugnung, Beschwichtigung und Selbstgerechtigkeit gehören zu den Grundpfeilern der deutschen Ideologie. Besorgt ums empfindsame Gleichgewicht, verweigerte man zuletzt den arabischen Rebellen die nötige Hilfe und ließ den Tyrannen freie Hand. Anstatt zu handeln, ergeht man sich in leeren Drohgebärden und entrüsteter Predigt. Und wenn ein Etappensieg gegen die Todfeinde des Westens zu verbuchen ist, empört sich das Justenmilieu, weil es übel nimmt, dass seine Kinderträume nicht der blutigen politischen Wirklichkeit entsprechen.“
Sie: „Ich habe folglich in seinen Augen typisch deutsch gehandelt? Aber ich bin doch keine Politikerin, keine Terrorabwehreinheit, ich bin doch einfach nur eine liebende Frau?“
Er: „Ja aber diese Frauen sind für ihn besonders gefährlich, weil er mit Gefühlen sich und damit auch dich viel mehr in Gefahr bringt.“
Sie: „Dann wird er nicht zurückkommen, WEIL er mich liebt und nicht anders kann? Aber seine Kinder aus seiner letzten Ehe verlässt er ja auch nicht, um sie zu schützen. Aber ich weiß – Kinder liebt man anders und mehr und lieber wäre man selbst tot, als die Kinder zu verlieren….Dann wird er sich wohl jetzt wieder eine amerikanische Geliebte nehmen und seine Story verfeinern, nicht wahr?“
Er: schweigt
Sie: weint sich leise in den Schlaf und ist wieder ganz nah bei ihm…
(c) Diotimavera 5/11
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Quelle der Inspiration: Diese Geschichte ist bei der Lektüre des neuen Focus-Sonderheftes „Die Geheim-Akte Osama bin Laden“ entstanden. Die Passagen des ER sind (bis auf sehr wenige Zitate) wörtliche Zitate von Wolfgang Sofsky, Prof. für Soziologie und Essayist. Sein Artikel im Focus S. 46ff – Die Wonnen der Vergeltung, enthalten diese Zitate.
Auch die gestrige Sendung AnneWill , sowie der Film Mr. und Mrs. Smith haben dazu beigetragen, dass diese Geschichte entsteht.
Mehr zu den Navy Seals. Leicht war gestern…
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Worüber ich mich freuen würde ist Eure Meinung zu:
1. Was haltet ihr von meinem Experiment einen Artikel in einen Dialog umzuwandeln?
2. Was haltet ihr inhaltlich von der These, dass wir Deutschen Moralapostel seien. Hat gestern jemand bei Anne Will Precht reden hören?
3. Was haltet ihr von der Position die Sofsky einnimmt?
4. und andere Gedanken zur Geschichte, zur Form, zu Interpunktion...