Zufällig
Ich glaube ja schon lange nicht mehr an den Zufall – und schon gar nicht an zufällige Begegnungen. Also ist es auch kein Zufall, dass ich Jonny f Good (so habe ich ihn damals für mich genannt) an einem Sommerabend sprichwörtlich in die Arme laufe. Nach der Arbeit schlendere ich noch durch die Straßen, und plötzlich breitet ein Mann vor mir die Arme aus – als ich in sein Gesicht schaue, lacht mich Jonny an. Das typische Jonnylächeln, nicht zu breit, nicht zu herzlich, eher ein fragendes: na, ist es nicht schön mich zu sehen?
Wir haben uns über ein Jahr nicht gesehen, und da auch er gerade von einem Termin kommt mit der Absicht, irgendwo noch einen Drink vor dem Nachhausegehen zu nehmen, setzen wir uns in das nächste Straßenlokal.
Er sieht gut aus, wie immer, und er weiß es auch - und spielt damit. Lässig knöpft er das Jackett auf, und sein Hemd sieht auch nach einem Arbeitstag noch immer frisch aus.
Während wir auf unsere Getränke warten, arbeiten wir das übliche Geplauder ab: wie geht´s, was machst du so... viel Arbeit, aber erfolgreich... viel unterwegs, wenig Freizeit...
Dann werden wir still, trinken einen Schluck. Er gibt mir Feuer und seine Hand bleibt einen Moment auf meinen Fingern.
Ich lache: Ach Jonny!
„Es war schön mit dir...“ er lässt den Satz in die Abendluft schweben.
Ich nicke.
Es war schön – vor einem Jahr; für die paar Mal gab er mir das, was ich brauchte. Ein bißchen Abenteuer, Leidenschaft, ausgiebigen Sex. Dafür trafen wir uns, denn miteinander geredet haben wir nicht viel . Er ist so ein Mann, der nur für Sex geschaffen scheint – nicht weniger , aber auch nicht mehr.
Ich erkannte schon am ersten Abend, dass er kein Mann zum Verlieben war:
Wir duschten miteinander und als ich mich abtrocknete, ging er mit dem Edelstahlabzieher mal eben schnell über die Kacheln – „die Kalkflecken, du weißt!“ Amüsiert betrachtete ich den nackten Körper, als er die Wände bearbeitete.
Dann standen wir nackt in seiner Küche, tranken Wein und aßen Käse und Oliven. Wir küssten uns, er setze mich auf die Anrichte, küsste meine Brüste, meinen Bauch und schleckte sich langsam zwischen meine Beine.
Dann richtetet er sich auf, packte Käse und Oliven ein, räumte sie in den Kühlschrank und stellte die Teller in die Spülmaschine. Ich saß spreizbeinig und feucht da und sah ihm dabei zu.
Nachdem die Küchenarbeit getan war, widmetet er sich wieder meiner Lust. Er trug mich auf den Esstisch und setzte vor meine Möse. Sein Zunge machte mich rasend. Als mein Stöhnen lauter wurde, sagte er: „Einen Moment, die Nachbarn...“ stand auf und schloss die Balkontür. Mit der Fernbedienung brachte er die Stereoanlage in Gang und setzte sich wieder zwischen meine Beine. Ich kam schnell, auch ein wenig aus Angst, er würde womöglich noch eine dringende Haushaltsverrichtung in seinem makellosen Appartement nötig finden. Staubsaugen oder so.
Da er mich den Rest der Nacht noch zweimal mehr zum Orgasmus brachte, bevor ich erschöpft einschlief – ja, er hat natürlich ein zweites Bettzeug für mich bezogen, da putzte ich im Bad meine Zähne mit seiner Gästezahnbürste – besuchte ich ihn noch öfter. Er war ein versierter Frauenlustkenner und bewies es mir jedes Mal.
Jonny schaut mir tief in die Augen, wie immer lässt er dabei die Lider halb über die Pupillen sinken. Ein Verführerblick.
„Du gefällst mir immer noch...“
Du mir auch Jonny. Aber was mich damals wirklich irritierte, mehr als deine Pedanterie war, dass du nie kamst. Nicht ein Mal entlud sich deine Lust in einem Orgasmus, auch wenn du stundenlang in mir warst. Ich habe darüber nachgedacht, wenn ich nach Hause ging. Ich wollte auch mit dir darüber reden... aber es war nie der richtige Moment. Und damals war es mir auch nicht so wichtig.
„Wenn du willst, kannst du heute mit zu mir...“
Ja, Jonny, ich könnte. Aber ich habe jetzt einen Freund, der mich auf dem Esstisch liebt, mitten in den schmutzigen Tellern; dem die Nachbarn egal sind ebenso wie meine Haare im Abfluss; der manchmal vor mir kommt, weil sein Verlangen nicht länger zähmbar ist. Und er schläft mit mir danach unter derselben Decke und sein Arm ist mein Kissen.
Ich lächle Jonny an:
„Danke für den Drink...alles Gute!“ und gehe nach Hause.
Ich weiß, warum ich Jonny zufällig begegnet bin. Und warum ich ihm nie mehr begegnen muss.
©tangocleo 2011