Die Lehren des Lebens, Teil 1
Dies sind ein paar Dinge, in denen ich nach gesellschaftlich anerkannten Normen ich nicht gerade brilliere. Und von denen ich erst im Laufe meines Lebens gelernt habe, dass es nicht so wichtig ist….1. Alkohol trinken
Früher konnte man ohne Probleme zwei bis drei Flaschen Wein trinken, seinen Rausch ausschlafen und am nächsten Morgen völlig normal funktionieren. Oder bei der Tequila-Happy-Hour in der `Wunderbar` seine Grenzen austesten, sich ordentlich auskotzen und nach ein paar Stunden in der Vorlesung sitzen und wie ein einigermaßen normaler Mensch aussehen.
Heute trink ich öfter, aber weniger. Nach drei Gläsern guten Weins spüre ich die Wirkung deutlich und wechsle zu Orangensaft, wohlweislich, vernünftig, auch wenn es nicht immer gelingt, den richtigen Moment abzuschätzen. Man lernt hinzu mit dem Alter. Denn wenn ich diesen Moment verpassen sollte, oder mir im Überschwang der Gefühle bei einer guten Party denke, darüber kann ich mir Morgen Gedanken machen, endet es meist böse – und das mehr als einen Tag lang. Also? Man lernt damit umzugehen, bei jeder Erfahrung aufs Neue nimmt man sich vor, es das nächste Mal klüger anzugehen, aber darum heißt es wohl `Genussmittel`. Mehr von dem guten Zeug, sagt mein Körper, geh weg mit dem gesunden Kram. Und recht hat er!
2. Smalltalk
Etwas Nettes sagen, dass das Gegenüber sich willkommen und akzeptiert fühlen lässt, sich ins beste Licht stellen, dafür sorgen, dass Andere sich in meiner Gegenwart wohl fühlen und sich nicht schockiert, unbeachtet, angegriffen oder lächerlich gemacht fühlen… Es wäre doch nett, wenn man diejenigen, deren Meinung man für nicht so wichtig hält, glauben machen könnte, es sei durchaus bedeutend für mich, was sie über mich denken. Aber ich schaff es nicht – ein Gesichtsausdruck, eine Geste, ein unpassendes Wort kommt immer zur unrechten Zeit, und mein Gegenüber fragt sich sichtlich: Was hab ich falsch gemacht? Hält die sich für was Besseres? Früher hielt man mich für arrogant und ich beschwor so manche, dass es nur Unsicherheit sei. Heute hab ich gelernt, dass ich eine gesunde Portion Arroganz besitze und nur dann wirklich nett, lebenswürdig, aufopferungsbereit und freundlich bin, wenn die Person mir wichtig ist, mir etwas bedeutet und ihre Meinung wirklich zählt. Die anderen sind mir egal – nett kann ich oberflächlich sein, aber ob mehr drin ist, stellt sich schnell raus – und ja, ich nehme mir das Recht, mir die Leute selbst auszusuchen, mit denen ich zu tun haben will. Ich kann auf die nett gemeinte, aber eigentlich krankhaft neugierige und auf Einsamkeit schließenlassende Frage der Nachbarin „Ah, kommen Sie von der Arbeit?“ jeden Tag um fünf aufs Neue antworten „Ja, hab´s mal wieder hinter mich gebracht. Schönen Abend noch!“ . Oder es kann mir furzpiepegal sein, was sie über mich denkt und sagen: „Ne, natürlich nicht, ich hab geschwänzt und stattdessen gesoffen.“ Oder „Ne, heute hatte ich keine Lust, hab lieber ne Bank überfallen, arbeiten is´ für Looser.“
3. Babies und Kindern anderer passend begegnen
Mit meinen eigenen hab ich auf ganz natürliche Art gelernt, umzugehen. Aber bevor ich sie bekam, und auch heute noch, fühle ich mich unwohl, wenn ich in bewundernd in einen Kinderwagen schauen und was Nettes sagen soll. „Wie süß!“ oder „Das ist ja ein ganz entzückendes Kerlchen. Isst er auch gut?“ und solche Sachen krieg ich einfach nicht über die Lippen.
Sobald die Kleinen sprechen können und man direkt mit ihnen statt einer Gluckenmutti zu tun hat, die einen mit tödlichen Blicken bestraft, wenn man angesichts ihres Wonneproppens nicht zumindest anerkennend lächelt, wird´s noch komplizierter.
Ich bevorzuge es, mit fremden Kindern wie mit Erwachsenen zu reden – das klingt jetzt ziemlich progressiv, aber das liegt nur daran, dass ich beim besten Willen nicht weiß, was ich sagen soll, wenn die zu erwartende Antwort meist etwas angsteinjagend Originales, Unvorhersehbares und Verwirrendes ist. Wenn sie größer werden, denken sie wahrscheinlich, ich war eine besonders schräge Person, während ihre Eltern mir schon lange jeglichen Umgang verboten haben…
4. Erregung vortäuschen
Ist es euch schon mal passiert, dass ihr, während euer Geliebter sich abmüht, sein Bestes gibt, euch hingebungsvoll leckt und streichelt oder stößt, an die Wäsche oder die Hausaufgaben der Kinder oder die geeignete Entgegnung auf die Kritik eurer Kollegin denken musstet? Seid ehrlich! Ich habe dann echt Schwierigkeiten damit, ihn auch noch mit leidenschaftlichem Stöhnen oder „Oh, Gott“- Rufen anzufeuern, wenn ich eigentlich lieber kuscheln oder schlafen möchte. Es ist mir schon passiert, dass ich mittendrin fragte: „Muss das jetzt sein, Schatz? Findest du nicht auch, wir sollten jetzt lieber schlafen? Mir ist nicht danach, tut mir leid.“
Wenn das, was gerade passiert, sowieso mittelmäßig ist, sollte man das auch zugeben. Sonst macht er es vielleicht immer wieder so! Einmal tun, als wäre es göttergleich erregend, wie er meinen Po abküsst, heißt ja in Kauf nehmen, dass er mir diesen Gefallen öfter machen will. Während ich eigentlich verkrampfe, weil ich Angst hab, ihm ins Gesicht zu pupsen, sobald er mich da stimuliert. Damit tut man sich keinen Gefallen. Wenn es gut ist, was er tut, sag ich es oder zeig ich es ihm, denn das will ich dann auch öfter, immer wieder. Aber für `So là-là-Sex` bin ich zu alt. Das ist reine Zeitverschwendung.
Das gilt auch für das Vortäuschen von Orgasmen – er lernt nur, wie er es richtig anstellt, wenn er nicht nach oscarreifem Geschreie glaubt, meinen Punkt ohne Wiederkehr gefunden zu haben. Und man ist nun mal nicht immer in der Lage, sich selbst daran zu erinnern, da dann auch jedes Mal vorschriftsmäßig in die Luft zu gehen. Besser, gleich in die richtige Richtung zu weisen, Mädels, und wenn ihr Glück habt, könnt ihr lernfähige Männer treffen, die sich damit nicht zufrieden geben, sondern weiter forschen und ausprobieren. Und bitte, wenn, seid offen für Dinge, die ihr niemals mit euren eigenen Fingern erreichen könnt – auch wenn die einem manchmal noch die besten Höhepunkte verschaffen können.