weitere Lehren des Lebens
7. SelbstbewusstseinIm Englischen bedeutet „Selfconciousness“ keineswegs das gleiche wie die wörtliche deutsche Übersetzung – es heisst, dass man sich seiner selbst bewusst ist im Sinne von: sich bewusst, dass andere einen anstarren oder merken, wie unfähig man gerade handelt. Dadurch fühlt man sich befangen, unfrei und verlegen. Die deutsche Bedeutung eines selbstbewussten Menschen würde „self-confident“ (selbstvertrauend) oder „self-assured“ (selbstsicher) bedeuten.
Dieser Unterschied ist für mich sinnbildlich für den Vorgang, die Entwicklung, wie man zu einem selbstbewussten Menschen wird. Als Jugendlicher ist man befangen, verkrampft und ängstlich in den alltäglichsten Situationen.
Man braucht gute Erfahrungen, liebevolle Unterstützung seiner Familie und Freunde, um zu jemandem zu werden, der an sich glaubt, keine Angst fühlt oder zeigt und weiß, was er kann. Und ich hörte mal, dass man das sogar üben kann!
Mit 17 war ich unsicher, wie zu erwarten ist, wenn man viel zu schnell in einen Körper hineinwächst, mit dem noch man nichts anfangen kann, jedes Problemchen Weltschmerz auslöst und man schneller durch Kleinigkeiten von himmelhochjauchzend zu zu Tode betrübt wechselt, als man die Pickel abdecken kann.
Da wünscht man sich, jemand anderer zu sein, bis man den akzeptieren kann, der man nun mal ist. Der Gedanke, man könnte sich durch bestimmte Praktiken eine dicke Haut gegen prüfende Blicke oder ein Gefühl des „Ich gegen den Rest der Welt mit einer Siegesschance“ verschaffen, war aufregend und es wert, das einfach mal auszuprobieren.
Die erste Übung bestand darin, in einer Nachbarstadt in einen Schuhladen zu gehen, sich mindestens 15 Paar Schuhe zeigen und die gewünschten Größen holen zu lassen und nach stundenlangem Anprobieren einfach zu gehen mit den Worten: Ich überleg´s mir doch noch mal.
Der Grundgedanke, die Verkäuferinnen um Hilfe und Service zu bitten, weil sie schließlich dafür bezahlt werden und auf sein Recht als potentieller Käufer auf angemessene Bedienung und Auswahl zu bestehen, sollte eigentlich normal sein.
Doch ich bin ziemlich sicher, dass 80% der Frauen in Europa schon mal Dinge gekauft haben, nur weil sie sich schämten, nach der Anprobe unter den geduldigen Blicken einer (guten!) Verkäuferin, nichts zu nehmen, und nicht nur in Schuhgeschäften. Selbst wenns doch nicht so perfekt aussieht, wie man es sich wünschte, selbst wenn die Größe eigentlich nicht stimmt, fühlt man sich schnell unter Druck gesetzt und bezahlt auch, weil man sich für die in Anspruch genommene Zeit verpflichtet dazu fühlt.
Und ganz bestimmt mit 17! Oder war das bei euch anders?
Ich hab´s gemacht! Und fühlte mich großartig, als ich die – natürlich nicht unbedingt die nettesten und geduldigsten Verkäuferinnen der Welt, denn die sind selten – Damen zwischen Dutzenden von Schuhkartons zurückließ, und ohne irgendwas den Laden verließ.
Die zweite Übung war – sag jemandem, dass du ihn nett findest und gib mindestens einmal am Tag ein Kompliment an Fremde oder entfernt Bekannte. Die Reaktionen waren überverhältnismäßig gut. Da kam echte Freude auf und es machte Spaß. Wenn´s mir heute nicht so doll geht, denk ich manchmal daran und tue es wieder - denn man kriegt immer was zurück.
Man findet, wenn´s sein muss, für den unsympathischsten Typ oder die nervigste Schulkameradin (sprich später Kollegin) ein nettes Wort – „Nette Frisur heute!“, oder „Ich finde dein T-Shirt echt lustig.“ Erst gucken sie blöd, dann fangen sie an zu lächeln und spätestens beim dritten Mal bieten sie dir an, dir ´nen Kaffee mitzubringen oder bei den Hausaufgaben zu helfen.
Ungewöhnliche Klamotten zu tragen erfordert auch heute noch zumindest in Kleinstädten wie meiner Mut und Selbstvertrauen. Das ist eine Übung, die nie endet. Anders zu sein, sich abzuheben, heisst immer auch, die Blicke und Bemerkungen anderer zu ignorieren lernen. Ich meine nicht, das Neueste oder das zu tragen, was in der Gruppe, mit der man umgeht, gerade in ist, wodurch man identifiziert werden kann als jemand, der auf diese Band steht oder diesem Stil nachläuft.
Sondern wirklich individuell zu schauen, was einem gefällt, seinem ästhetischem Empfinden entspricht, seien es Second-Hand-Hüte oder altmodischer Schmuck, lange Röcke und Spitzenblüschen oder nur an einer Seite kurzrasierte Haare, weil es witzig aussieht.
Ich mag Leute, denen man ansieht, wie sie gerade drauf sind, wenn sie an einem Tag knallbunt, am anderen in wallenden oder punkigen Sachen herumlaufen. Sie scheren sich nicht um Mode oder Gruppenzugehörigkeit, sondern um einen Ausdruck ihrer Persönlichkeit und sind daher in meinen Augen selbstsicherer als die Masse.
Und der Effekt, den der äußere Anschein auf das innere Empfinden hat, ist ja nicht erst seit `Power-Panties` bekannt.
Welche Frau kennt das nicht, dass man, wenn man besonders feine, verruchte Unterwäsche trägt, den ganzen Tag mit so einem „Wenn die wüssten!“-Grinsen umhergeht?
Sich trauen, und dann merken, dass es gar nicht so schlimm war – so lernt man immer wieder hinzu und vor allem: sich selbst und seine Grenzen kennen. Wenn es gut läuft sogar, dass man sie noch nicht mal entfernt erreicht hat.
Denn „Nichts ist unmöglich“ ist eine sehr selbstbewusste und wünschenswerte Einstellung.