Lehren des Lebens, Fortsetzung
8. Warum bist du eigentlich Single?Zwischen meinen längeren Beziehungen war ich jeweils zwei bis drei Jahre Single. Teilweise gewollt, aber auch einfach umständehalber. Ich mochte es eigentlich, und vor allem rückblickend weiß ich, dass es mir gut getan hat. Aber was mir aus diesen Perioden am meisten in schlechter Erinnerung bleiben wird, sind die dummen Fragen, die einem spätestens nach drei Monaten Single-Dasein gestellt werden. Die Neugier aller möglichen Leute nach dem Warum man nicht in einer Beziehung ist, war noch schlimmer als die jahrelangen Vorwürfe meiner Mutter, wann ich ihr endlich Enkel schenken würde.
Diese unnötigste aller Fragen wollte ich nicht einfach tolerieren – ich frage doch auch nicht, warum jemand verheiratet ist und auch noch gerade mit diesem… Es geht mich nichts an, finde ich. Man verstand nicht, wieso ich allein lebte. Ich auch nicht immer. Aber mit der Zeit gab ich immer verschiedenere, auch herablassendere Antworten, die sich je nach Stimmung oder Freundschaftsgrad zum Fragenden änderten. Und natürlich weil sich meine Gründe im Laufe der Zeit veränderten. Was kann man schon wirklich ehrlich darauf antworten?
Hier ein paar Beispiele
Ich arbeite zu viel
Das sagte alles. Ich meine, wer plant das schon? Es ging gerade gut mit meiner Karriere. Abends, nach einem langen Tag im Büro tat ich nichts lieber, als noch ein wenig mehr zu arbeiten. Der Frust, aber auch die befriedigenden Erfolgserlebnisse dabei waren wie Sex – man wurde ab und zu ordentlich gefickt, konnte aber auch zurückgeben, konnte Dampf ablassen und wurde belohnt mit Aufmerksamkeit und einem gefülltem Konto, kämpfte, siegte auch manchmal, doch selbst wenn man verlor, wurde man bezahlt. Viel Sozialkontakte hatte ich nicht und brauchte ich nicht, nach dem Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten war ich froh, abends allein und in Ruhe gelassen zu werden. Da hat man gar keine Zeit für eine Beziehung und es steht einem nicht der Kopf danach, zuhause weiter diskutieren und verhandeln zu müssen, wer denn nun den Müll runterbringt oder auf welcher Seite man schlafen möchte.
Ich bin ein Arschloch
„Keiner hält es lang mit mir aus. Nach der ersten halben Stunde denkt sich jeder, mit dem ich ausgehe, ich wäre als Kind nicht genügend in den Arm genommen worden oder wäre ein verwöhntes Einzelkind. Meine Hobbies sind faulenzen und an anderen herum meckern. Und waschen tu ich mich nur, wenn es wirklich nötig wird. Ich bin für so wenig zu begeistern, dass sogar Leute, die Arschlöcher eigentlich attraktiv finden, es nicht lange mit mir aushalten. Das kann ich ihnen nicht verdenken, aber da ich mich kenne, werde es selbstverständlich trotzdem tun.“ Daraufhin sahen mich die Leute nur seltsam an, aber die Antwort sparte ich mir ja sowieso nur für Leute auf, die ich nicht unbedingt noch mal wiedersehen musste.
Ich bin zu wählerisch
Also es gab schon hier und da mal einen netten Typen, der mir gefiel. Und ich ihm. Und ich war fast soweit, mein Online-Profil zu löschen, als er plötzlich und unerwartet – lachte! Wie ein hungriger Geier. Oder hustete wie eine an Asthma im Endstadium erkrankte Hyäne. Das war´s dann. Wenn ein Mann schon nicht lachen oder husten kann wie ein zivilisierter Mensch, warum soll ich ihn dann überhaupt in mein Schlafzimmer lassen? Es gab störende Nasenhaare, idiotische Band-Namen-T-Shirts, rötlich-schimmernde Körperbehaarung, oder die Art, wie er (falsch) englische Namen aussprach. Tischtennis oder Angeln als Hobby anzugeben und sich das ganze Jahr auf Karneval zu freuen waren andere Argumente, die dafür sorgten, dass ich mich ganz schnell von dem Kerl verabschiedete. Ich bin nicht empfindlich, ich habe halt nur gewisse Ansprüche, das darf man ja wohl noch!
Ich bin allein zufriedener
Ganz ehrlich, oft sah ich mich als den Glückspilz unter meinen vergebenen Freundinnen und konnte keinen einzigen Vorteil darin sehen, mein Leben mit jemandem teilen zu müssen. Die meisten Männer um mich herum waren Idioten und konnten sowieso nichts richtig machen. Wieso sollte ich mich dazu herablassen, mir für die auch noch Mühe zu geben und toll auszusehen, wenn ich auf dem Sofa lese? Wieso sollte ich mich wie meine Freundinnen für Sport, Diäten oder teure Unterwäsche interessieren, wenn ich lieber in Jogginghose Chips esse? Und selbst wenn Alex O´Loughlin höchstpersönlich mich um meine Telefonnummer gebeten hätte – in dieser Phase meines Lebens lielieliebte ich es, alleinverantwortlich und Single zu sein.
Ich brauchte mich mit niemandem abzustimmen, niemand erwartete, ich müsste jetzt unbedingt diesen tollen Sonnenaufgang mit ihm sehen, während er mir süße Nichtigkeiten ins Ohr flüstert – ich konnte weiterschlafen und schnarchen. Ich brauchte mich nicht zu rasieren, wenn ich nicht wollte, und keinen Sex haben, wenn mir nicht danach war. Klasse, das Single-Dasein hatte nur Vorteile! Ich lebe gern allein, weil ich mir ungern etwas vorschreiben lasse. Kompromisse sind nun mal nicht so mein Ding. Egoistisch darf man halt nur allein sein, wenn man ohne Rücksicht auf Verluste man selbst sein will – sollte jeder mal ausprobieren.
Es ist Sommer
Warum sollte ich mich gerade jetzt binden? , hieß es jedes Jahr wieder. „Es ist Frühling“ kam gleich dahinter. Die heißeste Jahreszeit, Flirten liegt in der Luft, Beziehungen sind was für die langen Winterabende, aber doch nicht, wenn so viel nackte Haut zu sehen ist und Parties zuhauf stattfinden, auf denen man interessantes Material für kurze, aber heftige Affären finden konnte. Bis zum Herbst hatte ich dann meist wieder eine der anderen beschwichtigenden Begründungen auserwählt…
Mein Herz ist gebrochen
Okay, das funktioniert nur kurz nach der Trennung, spätestens nach einem halben Jahr muss man sich eins der anderen Argumente aussuchen. Doch man braucht Zeit zum heilen, genesen, verstehen... Wie könnte ich jemals wieder jemandem vertrauen? Wie kann man Betrug vergessen? Oder Respektlosigkeit? Oder das Gefühl, nicht liebenswert zu sein? Ich war verletzt, beschädigt in so vieler Hinsicht. Unfähig zu lieben. Nichts konnte diesen Schmerz wegnehmen, außer… sich ab und zu trösten lassen. Nein, lieber erst mal mit sich selbst ins Reine kommen und verstehen, woran es denn lag. Und in der Zwischenzeit das Single-Dasein genießen.
Ich habe keine Ahnung
Das war beliebt. Hört man ja auch oft von anderen, doch ich nutzte es für mich auf andere Art. Denn die Vorschläge, die ich daraufhin bekam, wenn ich mich einfach dumm stellte und mein Gegenüber dann bestätigen ließ, dass ich doch nett sei, und einen netten Mann verdient hätte und dass es die gäbe, und wo, und dass die gar nicht so schwer zu finden seien, waren recht hilfreich und schmeichelnd – hab immer wieder was draus gelernt. Vor allem, wie unterschiedlich Leute meine Chancen einschätzten und wie wichtig es ihnen schien, mich unter die sprichwörtliche Haube zu bringen. „Ich weiß es nicht, ich versteh es auch nicht, ich könnte es dir nicht beantworten. Egal übrigens, was du mich fragst, ich sag wahrscheinlich nur, was du hören willst, denn ich hab gar keine eigene Meinung, ich hab kein Rückgrat, ich pass mich lieber an, um nichts Authentisches sagen zu müssen, weißt du? Mögen Männer das nicht lieber? Eine Frau, die sich unterordnen kann? Also warum ich Single bin? Keinen blassen Schimmer!“
Die guten Männer sind alle vergeben
Je älter ich wurde, desto wahrer wurde diese Tatsache. Scheinbar schnappen sich die Männer meines Alters, die sich auch getrennt haben, jüngere Frauen und interessieren sich plötzlich jüngere Männer für mich, was mich allerdings kalt lässt – ich muss mich dadurch nicht noch älter fühlen, als ich es täglich spüre. Und die ewigen Junggesellen sind es ja nicht ohne Grund geblieben. Da gibt es nur noch wenige Rosinen herauszupicken und ich mag Rosinen nicht mal besonders. Um mich herum gab es nach meiner letzten Trennung nur noch Pärchen, der Freundeskreis wurde neu eingeteilt und neue Freunde waren nun mal meist eher ganze Familien. Da fühlt man sich schnell als Exot und bekommt auch noch vorgeführt, was einem fehlt. Den Hintergedanken, dass es hinter den Fassaden auch bei den glücklichst erscheinenden Paaren ganz anders aussähe, wurde ich allerdings nie ganz los – was meine geistige Gesundheit aufrechterhielt, die doch zugeben musste, dass es doch schön wäre, wieder jemanden zu „haben“.
Alles in allem war ich ein glücklicher Single, aber ich bin es nicht mehr! Siehe dazu auch (für wen´s interessiert: in Gedichtform!) meine Homepage: http://www.joyclub.de/my/homepage/1648949-90186.update.html
Im nächsten Teil erzähl ich vielleicht mehr darüber, wie es dazu kam…