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Hochfinanz

*****_nw Mann
505 Beiträge
Themenersteller 
Hochfinanz
„Herr Beier, Ratingagenturen stehen zur Zeit im Mittelpunkt des Interesses. Wir schätzen uns deshalb besonders glücklich, dass Sie uns als Geschäftsführer eines der führenden Institute einen Blick hinter die Kulissen gewähren. Vielen Dank dafür. Gleich zu meiner ersten Frage: Bereitet die große Verantwortung für die Weltwirtschaft Ihnen nicht manchmal schlaflose Nächte?“

„Keineswegs. Wenn ich nach einem arbeitsreichen Vormittag drei, vier Stunden Golf gespielt habe und nach Hause fahre, denke ich nicht mehr über solche Dinge nach. Ich kann mich ganz auf meine Mitarbeiter verlassen. Die wichtigsten Vorgänge bekomme ich morgens zur Entscheidung vorgelegt. Wenn ich die Börsennachrichten auf RTL2 gesehen habe, mache ich die Kreuzchen an den richtigen Stellen und gehe zum Essen. Nennen Sie mir eine Firma, die auch nur annähernd so gut organisiert ist!“

„Ich gebe zu, spontan fällt mir kein Beispiel ein. Woher bekommen Sie denn so kompetente Kräfte?“

„Nun, anfangs haben wir uns damit tatsächlich schwergetan. Wir glaubten damals, unsere Aufgabe am besten mit alten Hasen aus der Unternehmensberatungsbrache erfüllen zu können, McKinsey, Berger, Arthur D. Little. Die Kräfte, die wir tatsächlich abwerben konnten, waren aber oft schon hoch in ihren Zwanzigern. Das ist für unser Metier schlicht zu alt. Viel zu eingefahren und unflexibel.“

„Ich verstehe. Wo rekrutieren sie denn jetzt?“

„Am liebsten nehmen wir BWL-Abbrecher. Das mag ihnen auf den ersten Blick widersinnig erscheinen, weil wir sehr viel mit Zahlen umgehen müssen - für Betriebswirtschaft entscheiden sich ja meist Abiturienten, deren Schwerpunkte in Religion und textilem Werken liegen. Mathematische Kenntnisse sind aber nicht mehr nötig, seit wir unseren Mitarbeitern Taschenrechner zur Verfügung stellen. Die arbeiten auf dreizehn Stellen genau, besser als ein Mensch das je könnte.“

„Und warum Studienabbrecher?“

„Nun, wir haben festgestellt, dass ein abgeschlossenes Studium – nicht bei allen, Anhänger der FDP bilden eine rühmliche Ausnahme – mit dem Bestehen von Prüfungen einhergeht, die das Wissen unserer Vorväter zum Inhalt haben. Lehrsätze aus den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts passen einfach nicht auf die Anforderungen der Finanzwelt des 21. Jahrhunderts. Wer das rechtzeitig erkennt, ist unser Mann!“

„Das bringt mich gleich auf eine weiteres Thema: Wie steht es bei Ihnen um die Gleichberechtigung?“

„Gut, dass Sie diese Frage stellen. Ich wäre aber auch selbst darauf zu sprechen gekommen, denn ich bin besonders stolz auf das, was wir hier erreicht haben. Wir besetzen seit unserer Gründung jede vierte Stelle mit einer weiblichen Mitarbeiterin, so dass wir eine konstante Frauenquote von ca. 51,839% haben. Das ist Weltspitze!“

„Beeindruckend. Wie schätzen sie die zukünftige Bonitätsentwicklung der Nicht-Schengen-Staaten mit goldgedeckter Lombardreserve ein?“

„Äh...“

„Also eine Rückstufung von Triple-A auf A?“

„Sorry, meine Mama am Telefon.“
ich trau mich nicht
etwas direkt zu dem Thema zu sagen, aber hier zu lernen, dass ich alles, was ich wissen muss, bei RTL2 erfahre, ist ja auch schon ein Danke wert.

meist Abiturienten, deren Schwerpunkte in Religion und textilem Werken liegen.

Danke für diese wahren Worte!

gruß
dea
*******an_m Mann
3.831 Beiträge
Wenn da nicht das unangenehme Gefühl wäre, dass da was dran sein könnte, hätte ich nicht nur breit gegrinst.

Klasse
Klasse!
Wobei ich finde, es wäre vielleicht noch ein bisschen stärker gewesen, wenn du es nach der Frauenquote hättest enden lassen..
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Gut ...
... formuliert, doch inhaltlich möchte ich da eher nichts dazu sagen.
Ich finde die Geschichte nicht gut,
weil sie erstens auf einen Meinungstrend aufspringt (das ärgert mich auch bei manchem Comedien) und mich zweitens die Klischees (wenig arbeiten und viel Geld haben, eigentlich auch keine Ahnung haben, wer studiert BWL) stören.

Das bringt mich nicht weiter.

Witzig fand ich dagegen, dass der Reporter den "Rechenfehler" übergeht.

Viele Grüße
Dua
*****_nw Mann
505 Beiträge
Themenersteller 
Ich hatte damit gerechnet, dem einen oder anderen auf den Schlips zu treten. Insofern keine besonderen Vorkommnisse. Die Kritikpunkte 'Meinungstrend' und 'Klischee' greifen tiefer.

Schön wäre es, wenn das, was ich ausdrücken wollte, einem Meinungstrend entspräche. Das Gegenteil ist der Fall. In Zeiten allgemeiner Verunsicherung scheinen auch Journalisten, die sich sonst um einen klaren Kopf bemühen, der Zahlenmagie anheimzufallen.

Sätze wie: "Die Ausfallwahrscheinlichkeit für griechische Staatsanleihen hat sich auf 3,5% erhöht.", ausgesprochen von einem Vertreter der Rating-Zunft im Augenblick des wildesten politischen Zickzacks um die Stützung der griechischen Volkswirtschaft, bleiben unkommentiert im Raum stehen. Da ist jede Auskunft einer Handlinienleserin auf der Dorfkirmes vertrauenswürdiger.

Es gibt genug Menschen, die sich der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre mit der gebotenen wissenschaftlichen Ernsthaftigkeit und Zurückhaltung widmen. Es ist erhellend, ihre Schriften zu lesen, und deprimierend, ihre mahnenden Worte in der Kakophonie der durchschnittlichen, halbgebildeten Quer- bis Verlegenheitseinsteiger untergehen zu sehen.

Meine Messlatte ist daran geeicht, wo ich wirklich mitreden kann: an meinem eigenen Fachgebiet. Mein Fazit: unter jedem farbenprächtigen Hahn mit kräftiger Stimme liegt ein riesiger Misthaufen.
Wir besetzen seit unserer Gründung jede vierte Stelle mit einer weiblichen Mitarbeiterin, so dass wir eine konstante Frauenquote von ca. 51,839% haben. Das ist Weltspitze!“

jede vierte Stelle = 51,839% *haumichwech*

*bravo* Ev
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Der ist gut!
unter jedem farbenprächtigen Hahn mit kräftiger Stimme liegt ein riesiger Misthaufen.

ich habe köstlich gelacht....
sehr treffend und pointiert geschrieben

....hier allderdings nicht

Die Kräfte, die wir tatsächlich abwerben konnten, waren aber oft schon hoch in ihren Zwanzigern. Das ist für unser Metier schlicht zu alt. Viel zu eingefahren und unflexibel.“

Die Altersdiskussion ist leider kein Klischee...
Von wegen im Zuge des Fachkräftemangels werden "die Alten" genommen....
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