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ohne heimkehr

******_46 Frau
1.294 Beiträge
Themenersteller 
ohne heimkehr
jetzt sitze ich hier am meer, lausche dem so vetrauten rauschen der wellen und schaue diesen schönen weissen vögeln bei ihrer jagd nach nahrung zu.
sia nennt sie möwen.
mein kopf ist so voller erinnerungen, die ich in den vergangenen sechzig jahren sammeln durfte, dass ich am besten ganz von vorn anfange.

in meiner kleinen wohnung, die wir als wg nutzen ist, wie so oft das totale chaos ausgebrochen. jan ist mit putzen dran und hat sich mal wieder erfolgreich gedrückt und bea steckt mitten in der prüfungsvorbereitungen.
ich schüttel nur verständnislos den kopf , lasse die tür hinter mir zufallen und werfe meine tasche auf den tisch.
als ich mich so umsehe, fallen mir die ganzen albernheiten von gestern wieder ein. die gläser stehen noch rum und der karton von der pizza...oh, sogar das gel, das ich sonst so sorgsam verberge-rasch räume ich mein zimmer auf.
die tür wird aufgeschlossen, jan kommt nach hause und überrascht uns mit einer ganzen palette vom chinamann um die ecke. jetzt bemerke ich erst meinen riesen hunger.
sogar bea lässt sich nicht zweimal rufen und wir schieben nur die bücher zur seite und stürzen uns mit stäbchen auf die köstlichkeiten. damit hat jan wieder punkte sammeln können und ich bin nicht mehr sauer auf ihn.
jan, unser jurastudent, absolut hyperaktiv und durchgeknallt, aber er hat das hellste köpfchen, das ich je bei einem männlichen geschöpf erlebt habe. er wickelt alle mädels mit seinem humor um den finger und er lässt nichts anbrennen. allein im vergangenen jahr hat er so vielen mädchen das herz gebrochen, dass man es unter strafe stellen müsste, doch er versicherte mir, es sei legal, naja. ich habe mir die namen nicht gemerkt und er auch nicht. bei mir sind seine beschüsse von komplimenten abgeprallt wie kugeln an einer schusssicheren weste.
bea unsere kleine süsse, sie macht ihr examen. ich habe sie in unserer klinik kennengelernt. sie hatte sich gerade mit ihren eltern überworfen und suchte eine bleibe. ich habe nicht lange überlegt und hab ihr mein zimmer angeboten, denn ich ziehe im nächsten monat in eine eigene wohnung. bis dahin campiert sie im wohnzimmer auf der couch.
wenn man sich auf eine neue wohnung vorbereitet vergehen die tage wie im fluge und so kommt trotz guter vorbereitung doch noch hektik auf.

jan steht auf der leiter und montiert schon die ersten lampen. ich stehe unten und halte die leiter fest und habe eine gute sicht auf seinen knackigen hintern. meine güte, er ist aber auch sexy. mit lustigen sprüchen überspielt er seine ungeschicklichkeit und endlich leuchten die lampen. auf der letzten sprosse bleibt er stehen und wir blicken uns in die augen. jan ist kleiner als ich und aus dieser perspektive treffen seine blicke und meine weste bietet keinen schutz mehr.
ich werde ihn vermissen und mit diesem gefühl gemischt, kann ich dieser situation nicht entfliehen. völlig versteinert stehe ich da, er nimmt mit beiden händen mein gesicht, küsst mich sanft auf den mund und sagt leise, dass er mich vermissen wird. inzwischen weich wie butter erwidere ich seinen kuss.
er nimmt den phasenprüfer aus seiner gesässtasche und reisst die folie von der neuen matratze und genauso schnell, wie wir die folie abziehen, ziehen wir uns aus. wir sehen uns an, als ob wir uns noch nie nackt gesehen hätten, doch es ist plötzlich nichts mehr vertraut an diesem nackten körper.
wie oft hätten wir schon gelegenheit gehabt uns zu entdecken und ich habe immer abgeblockt.
langsam kommt jan auf mich zu, öffnet behutsam meine haarspange und küsst mich erneut. wir sinken auf die knie und versinken in tausenden küssen auf jedem centimeter unserer haut. wir lüften jedes kleine geheimnis und mir fallen alle seine komplimente wieder ein. seine hände sind so unglaublich sanft, seine haut so glatt, seine stimme so fremd und sein männlicher duft, gepaart mit frischem schweiss, wahnsinnig betörend.
wie in trance nehme ich seine berührungen auf meiner brust wahr, die er begierig knetet und mit küssen übersät. meine fingerspitzen fahren über seinen starken rücken bis hin zu seinem runden po, in den ich nun beherzt greife und ziehe ihn nur näher an mich heran.
er versteht meine wortlose sprache, beugt sich über mich, greift meine handgelenke und streckt meine arme nach oben, ohne nur einmal den blick in meine augen zu lösen.
wieder küsst er mich auf den mund, mein kinn, meine ohren, meinen hals, über meine brüste und wandert über den bauchnabel. ganz sacht öffnet er meine beine, fast als öffne er eine kostbare schatztruhe, betrachtet bewundernd meinen schmetterling, schliesst die augen und atmet durch die nase genüsslich ein. euphorisiert zögert er nun nicht auch mit der zunge den geschmack zu testen. völlig verzaubert nascht er nun immer gieriger und entlockt mir noch viel mehr von diesem honig.


Fortsetzung folgt
schön
auch wenn ich privat nur klein schreibe und es für Konvention halte, habe ich mich hier damit abgefunden, zum besseren Leseverständnis meine Stories in korrekter Groß- und Kleinschreibung einzustellen, da ich weiß, dass es einige stört.
Eigentlich stört es mich nicht.

Am Anfang war nicht ganz deutlich, wo die Erinnerung anfängt und wann diese Szene spielt, da du alles in Jetzt-Zeit schreibst, und auch in der Erinnerung Zeitsprünge vorkommen.

Aber du findest schöne Worte für das, was passiert und bringst die Figuren und die Anziehungskraft zwischen ihnen sehr bildlich rüber.

Hoffentlich kannst du in der Fortsetzung Begriffe wie "Honig" und "betörend" vermeiden, aber auch das ist nur persönlicher Geschmack - eigentlich fand ich es sehr angenehm zu lesen.

Danke
lg,
Dea
******_46 Frau
1.294 Beiträge
Themenersteller 
Liebe Dea,
vielen Dank für Deine Kritik und auch Dein Lob, bin ich doch blutige Anfängerin und für jeden Hinweis empfänglich!

Ich wünsche ein schönes Wochenende und aufregende Lektüre.
Carmen
*****_nw Mann
505 Beiträge
Fortsetzung erwünscht
So langsam komme ich dazu, den Berg ungelesener Geschichten abzubauen. Oft ist nach wenigen Sätzen auch schon Schluss - das Leben ist zu kurz, um es mit dem Lesen schlechter Bücher zu verbringen (so oder ähnlich Arno Schmidt).

Hier bin ich dran geblieben, eingefangen hast Du mich als Leser also. Deas Lob und Kritik teile ich, will beidem aber auch etwas hinzufügen:

Du beginnst mit einer 60-Jährigen, der man erklären muss, was eine Möwe ist. Das legt eine unnötig falsche Spur, worum es in der Geschichte gehen wird. Die ersten Sätze sind sehr wichtig, nicht nur vor einem Publikum, das wegen Reizüberflutung schnell wegklickt.

Du hast einige sehr schöne Bilder verwendet, nein, erfunden. 'Die Beine öffnen wie eine kostbare Schatztruhe' - das ist so viel erotischer als jede Beschreibung der Mechanik des Geschlechtsverkehrs. Bleib dabei und bau es aus. Gut dosiert jedoch, sonst wirkt es schnell gekünstelt.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
******_46 Frau
1.294 Beiträge
Themenersteller 
@byron_nw
Vielen Dank für die freundlichen Worte!
Eine Fortsetzung ist in Arbeit und es ist keine falsche Spur, das wird noch deutlich.

Einen schönen Abend noch

Carmen
geniale idee
Hallo Kerstin,

wenn ich deine idee weiter denke, dann könnte ich schon wieder selbst eine geschichte schreiben. Das ist genial!
Zugegeben, ich bin kein guter kritiker, ich schreibe lieber selber, statt zu kritisieren, deshalb findest du (bis jetzt) auch keine kritiken von mir im JC.
Ich drücke mich da einfach immer zu schroff aus und vergraule die leute.
Aber deine idee, die hat was.
60 jahre, aus dem weltall zurück…
Warum erinnert sie sich an nichts mehr, außer an die liebe?
Ganz klar, die sache. In einem raumschiff war sie teil des systems. Sie brauchte sich um nichts zu kümmern, als um ihre mission, ihre aufgabe als astronautin.
Das system hat die gesamte versorgung übernommen. Sie brauchte nicht einkaufen, nicht kochen, nicht putzen, sich nicht mit leuten und anwälten herumstreiten…nichts, einfach nichts.
Da war nur und ausschließlich ihre mission, mit der ihr gehirn beschäftigt und voll in anspruch genommen war.
Und jetzt? Ihre mission ist beendet und ihr gehirn ist völlig frei von beschäftigung. Da werden jetzt ihre ganz eigenen, persönlichen erinnerungen wachgerufen, an die zeit vor dem raumflug zum saturnmond(?). Und da diese erinnerungen irgendwann einmal aus sehr intensiv erlebtem entstanden waren, haben sie jetzt auch die absolute majorität.
Lasse sie sich doch auch rückwärts im körperlichen sinne entwickeln. Ihre geschlechtlichkeit war vom system aus ökonomischen und rein rationalen gründen stillgelegt worden, konserviert, durch völlige unterbrechung der hormonproduktion. Diese fängt jetzt aber wieder an, zu funktionieren, weil die blockade aufgehoben ist. Auch ihr körper reagiert darauf und lässt sie wieder erblühen und ihre haut straffen, ihre gefühle und sensorik erwacht zu neuem leben. Das wäre mal eine geschichte, wie es sie so wahrscheinlich noch nie gab.
Die Stimmen aus dem OFF
„Was ist das?“
„Was?“
„Das da, auf deinem Monitor, die Frau da, die kenne ich doch. Das ist Sonia. Sie war mit mir zusammen auf dieser letzten Langzeit-Space-Mission. Wir haben beide die Saturnmonde erforscht. Sind gerade erst zurückgekehrt, nach fast 40 Jahren im All.. Das scheint aber sehr persönlich und intim zu sein, was du da auf dem Schirm hast. Ist das denn eigentlich erlaubt? Das ist doch nicht möglich!“
„Hier gelten andere Gesetze, Hanno, wir müssen das tun. Wir müssen ihre Gehirnaktivitäten ständig überwachen, damit nichts Unvorhergesehenes passiert. Ihr wart damals die Ersten, bei denen das Verfahren zur Hormondrosselung angewandt wurde. Jetzt ist bei euch allen aber wieder die hormonelle Blockade abgeschaltet worden, und daraus könnten sich schlimme Komplikationen entwickeln. Notfalls müssten wir sogar wieder operativ eingreifen.“

„Unsere Hormonproduktion war die ganze Zeit abgeschaltet? Jetzt wird mir so Einiges klar! Ich habe fast ständig mit Sonia zusammen gearbeitet und ich weiß es ganz genau: sie war mir mehr als nur sympathisch. Ich konnte ohne sie fast nicht mehr Leben. Aber manchmal haben wir zusammen in einer Kapsel gesessen und sogar auch zusammen in einer engen Schlafkoje gelegen, weil wir aus Platzgründen nur eine mitnehmen konnten. Es ist niemals dabei auch nur das Geringste passiert, was man als Sex bezeichnen könnte. Dafür sind wir aber in den langen Wartezeiten derart mit feuchten Träumen bombardiert worden, dass wir es schon ziemlich über hatten. Am nächsten Tage aber: Da war nichts. Nichts! Keinerlei Gefühl mehr. Das habe ich nie so richtig kapieren wollen. So war das also. Ihr verfluchten Schweinehunde!“

„Das musst du verstehen, Hanno. Wir mussten euch neutralisieren, sonst wäre es ökonomisch und ethisch gar nicht zu vertreten gewesen. Stelle dir doch bloß einmal vor, eine oder mehrere der Frauen hätten auf der Reise Kinder gekriegt? Na? Was hättet ihr da machen sollen?“

„Ganz egal! Eure Scheiß-Ökonomie ist mir doch gleichgültig! Ich werde sie suchen und ihr sagen, dass ihr hier ihre geheimsten und intimsten Gedanken auf dem Monitor habt, damit sie gewarnt ist, vor euch, ihr voyeuristischen Schweine!“

„Nein! das wirst du schön bleiben lassen, Hanno. Damit würdest du ihr schaden. Eure Hormonproduktion war nämlich nicht das Einzige, was abgeschaltet war. Auch die Zellalterung eurer inneren Organe war stark verzögert, damit ihr nicht in eurer Leistung nachlassen solltet. Nur eure Haare und eure Haut sind gealtert, weil in der ständig recycelten Luft eures Raumschiffes nicht mehr ausreichend Spurenelemente und Mikroorganismen vorhanden waren. Das wird sich jetzt ändern, erst langsam, aber dann immer schneller. Deine und ihre Haut und auch die aller anderen Astronauten wird sich straffen, eure Haare werden voller und geschmeidiger und auch eure Libido wird sich regenerieren.“

„Und das heißt…?“
Ihr werdet ständig jünger werden, Hanno, zirka bis auf Anfang 30. Und auch Sonia wird immer jünger werden. Tue ihr das nicht an, dass du sie jetzt verbitterst und verunsicherst, Hanno. Das wäre schon fast ein Mord. Auch das hier wird aufhören und wir werden den Chip irgendwann abschalten können. Du solltest das Ganze vergessen und auch ihr nichts davon sagen. Ihr braucht Zeit, um eure Körper und euren Geist darauf einzustellen. Ihr seid die Ersten Menschen, die von 60 Jahren an wieder jünger werden.“
*****_nw Mann
505 Beiträge
Sorry,...
...was für ein Film läuft hier gerade?

Ich schäme mich ein wenig dafür, einen für die Geschichte später wichtigen Hinweis als überflüssig kritisiert zu haben, weil ich für einen Augenblick vergessen hatte, dass ja noch eine Fortsetzung kommen soll,

und dann krieg ich das alles von jemand anderem aufgetischt?

Sollte Carmen ihre Geschichte nicht besser selbst fortsetzen, oder übersehe ich gerade wieder eine literarische Finte?
******_46 Frau
1.294 Beiträge
Themenersteller 
Keine Sorge!
Wir haben uns abgesprochen und wagen ein Experiment.
*zwinker*
Carmen
******_46 Frau
1.294 Beiträge
Themenersteller 
Teil 2
Augustäpfel

Hmmmm. Und noch ein tiefes Einatmen durch die Nase bis in den letzten Zipfel der Lunge. Schnell ausatmen und noch einmal: hmmmmmm... Dabei die Augen schließen, die Nasenspitze direkt an diese zarte, etwas wachsige Schale halten... Noch nicht hineinbeißen! Einmal noch, als wäre es das letzte Mal, die letzte Gelegenheit für diesen Genuss!

Und schon ist es geschehen. Ich sitze im Garten eines guten Freundes. Wie hingebeamt durch diesen grünen Apfelgeist, der absichtlich das komplette Gehirn umspült und alle Momente in kürzester Zeit zusammenrafft, die jemals mit diesem irren Duft im Zusammenhang standen und auch noch stehen.

Das funktioniert immer, allerdings nur beim ersten Apfel im Jahr. Merkwürdig ist heute, dass es diese Erinnerung ist, die mir als erste vor Augen lebendig wird. Sonst waren es die Sommerferien in meiner Kindheit bei meiner Oma. Heute sitze ich im Garten eines guten Freundes, direkt unter dem Apfelbaum, und halte einen Apfel in der Hand. Zwar mit einer Made drin, doch das ist egal. Natürlich habe ich die Augen geschlossen, versuche ich diesen Moment einzufrieren.

Jetzt freue ich mich, dass es mir gelungen ist.

Mein Freund Paul ist in Breisach am Rhein geboren. Das ist im Elsass zwischen Strasbourg und Freiburg im Breisgau. Er hat mich oft dort hin erzählt; es mir so eindringlich geschildert, dass ich glaubte, ich sei schon dort gewesen. Verbunden ist das bei ihm mit einer enormen Genussfähigkeit aller Sinne, unglaublichem Wissen über Weine, Käse, Kräuter und hunderte Rezepte. Kaum ein Tag ist vergangen, an dem ich nicht diesem Zauber erlegen wäre; an dem ich nicht etwas aufgesogen hätte von seinem großen Wissensschatz; mit Hingabe und warmer Zärtlichkeit, ja Liebe, von seinem Leben, Lernen und Lieben erzählt hätte. Sollte ich einmal in diese Gegend kommen, dann wird sie mir sehr vertraut sein.

Mein Freund Paul wohnt in einem Nachbardorf in einem schönen alten, ausgebauten Haus mit einem natürlichen Garten. Hier habe ich schon Schmetterlinge und Vögel gesehen, die ich nicht für einheimisch gehalten hätte. Paul kennt sie natürlich mit Vornamen!

Marie kommt mit selbst gebackenem Kuchen um die Ecke, hat ein frisches Lächeln im Gesicht und küsst
Paul, wie am ersten Tag ihrer großen Liebe. Mit seiner rechten, sehr starken Pranke greift er ihr liebevoll
an den prallen Po und erwidert diesen süßen Kuss. Ich muss schmunzeln. Die Beiden sind so lieb im Umgang, da geht mir das Herz auf. Wir genießen den Kuchen, den herrlichen Kaffee; und als Paul den Wein öffnet und einschenkt, erwähnt er fast beiläufig, dass sie ein Attentat auf mich vorhaben. Meine Neugier ist geweckt und meine Augen und Ohren sind voller Aufmerksamkeit.

Marie braucht unbedingt Urlaub. Sie ist ausgelaugt von der vielen Arbeit, hat schon seit Jahren keinen freien Tag gehabt. Langsam geht das an ihre Substanz. Sie haben mich beobachtet, als ich beim Hoffest freiwillig und ohne Honorar geholfen habe. Man könne sogar etwas mit mir anfangen, hat Marie damals gesagt. Ich hab es als Kompliment aufgefasst, denn Marie ist etwas wortkarg und mit ihrer Bayrischen
Seele meinem Berliner Dialekt nicht hold.

Damit sind wir beim eigentlichen Grund dieser lauschigen Kaffeerunde. Ich hätte ja sowieso Zeit nach meinem Unfall und könne es ja auch langsam angehen, aber es müsse eine Urlaubsvertretung her. 'Jawoll', habe ich mir gedacht. Nicht schlecht - doch wie sollte ich diese Frau ersetzen können? Anlernen, dieses Wort hat eine völlig neue Dimension bekommen an diesem Tag. 'Juuut, mach ick!' Schon war die zweite Flasche geöffnet und der erste Termin zum 'Anlernen' vereinbart.

Ich koche gerne, aber mit Backen habe ich bis dato nichts am Hut gehabt. Wenn ich bügle, dann mache ich es auch gern, sonst wird es nichts. Doch hier gibt es sogar eine Mangel, was auf Mengen schließen lässt, die eine normale Hausfrau nicht hat. Dazu: Essig selbst ansetzen, Flaschen dafür reinigen, neu befüllen und etikettieren; Stoffservietten und Schürzen in Unmengen waschen, trocknen, mangeln und sortiert zusammen legen.

Habe ich schon erwähnt, dass Paul drei gut laufende Restaurants in Berlin hat? Und noch einen Weinhandel? Nebenbei gibt es noch zwei schöne Ferienwohnungen, die auf Hochglanz gebracht werden müssen - jeden Tag! Nach zwei Wochen hatte ich Routine, meinen eigenen Zeitplan und Alles im Griff. Marie konnte endlich Urlaub machen.

Täglich habe ich bis zu fünfzehn Kuchen gebacken, Essig angesetzt, gemangelt und so weiter und so weiter. Es hat mir riesigen Spaß gemacht; mit meiner weißen Schürze kam ich mir vor wie die dicke liebe Küchenfee aus alten Filmen. Ich erfüllte meine Rolle zwar gut, sie war aber leider nicht meine Rolle im wirklichen Leben. Zum ersten mal war ich neidisch, weil ich nur auf Abruf erleben durfte, wie es sich anfühlte, mit Paul den Alltag zu bewältigen.

Den ehelichen Pflichten seiner Liebsten bin ich nicht nachgekommen, obwohl ich darüber nachgedacht habe.
Die Stimmen aus dem OFF
Beobachter:
„Was willst du schon wieder hier, Hanno? Du weißt doch, dass ich das nicht zulassen darf.“

Hanno:
„Entschuldigung! Ich halte mich zurück, ich sehe nicht hin. Ich wollte einfach nur Eines wissen: Hat sie irgendwann einmal auch an mich gedacht, über mich nachgedacht? Nur ein einziges Mal vielleicht…?“

Beobachter:
„Nein, nicht, dass ich wüsste.“

Hanno:
„Aber das kann doch nicht sein! Wir waren doch fast vierzig Jahre lang ganz dicht und ganz eng zusammen! Sie muss sich doch auch an mich erinnern!“

Beobachter:
„Nein, sie hat es wirklich nicht im Sinne gehabt. Du bist für Sonia immer mit technischen Belangen verknüpft, nicht mit irdischen. Sie hat sich an den Geruch und Geschmack von richtigen, natürlichen grünen Äpfeln erinnert…“

Hanno:
„Von Äpfeln?“

Beobachter:
„Ja, von Äpfeln aus dem Elsass, Freiburg im Breisgau. Und auch an Wein, Käse, Kräuter, Vögel und Schmetterlinge.“

Hanno:
„An den Geschmack von Vögeln und Schmetterlingen?“

Beobachter:
„Nein. An deren Farben und Namen und an deren Schönheit. Auch an die alltäglichen Dinge des Lebens erinnert sie sich und versucht, sie selbst auch wieder zu verrichten.“

Hanno:
„Ich muss zu ihr! Ich muss sie sehen! Sie muss mich sehen!“

Beobachter:
„Auf gar keinen Fall!
Das darfst du nicht tun. Gerade du nicht Hanno, weil du alles weißt, jetzt.
Aber ich mache dir einen Vorschlag: Du kannst dich ihr ganz anders annähern.
Versuche doch einfach, das Gleiche oder ähnliches zu erleben, erfühlen, erriechen, erschmecken und zu tun, was sie tut und was sie schon getan hat.
Fahre nach Freiburg im Breisgau und probiere da die Äpfel, den Wein, den Käse und alles, was es dort zu sehen und zu erleben gibt. Spreche mit den Leuten, lerne Freunde kennen.
Wenn du auf diese Art ihre Gefühle und Wahrnehmungen teilst, dann bist du näher an ihr dran, als jeder Andere. Und vergiss es nicht: Ihr werdet immer jünger. Eines Tages werdet ihr euch treffen. Dann wärest du vorbereitet, für ein Leben mit ihr.“
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