Was willst du mal werden, wenn du groß bist?
Als Kind hatte ich Phasen, wie wahrscheinlich jeder von euch, in denen ich Prinzessin, Tierärztin, Primaballerina, Stewardess, Architektin, später dann Paläoanthropologin, Film- oder Rockstar oder Philosophin als Berufswunsch äußerte, ungefähr in dieser Reihenfolge. Ausgelöst von einem spannenden Buch, einer neuen Erfahrung oder einer beeindruckenden Begegnung. Viel wichtiger wurde später das „Womit will ich mein Geld verdienen“, was eine ganz andere Geschichte war. Man lernt – leider – viele seiner Träume als unrealisierbar einzustufen und besser zu vergessen. Und sich auf die offensichtlichen Vorlieben und Talente zu konzentrieren, mit denen man etwas Handfestes anfangen kann.
Die beste Antwort auf die Frage, was jemand später werden will, ist eindeutig: Groß.
Im Sinne von `erwachsen; reif; fähig, die Welt um mich zu verstehen, mich ihr anzupassen oder sie mir passend zu machen`. Und das schafft fast jeder, irgendwie, auf seine Art, glücklich oder weniger, gelungen, oder mit Ach und Krach.
Habe ich mir jemals Gedanken darüber gemacht, ob ich ein guter Mensch werden möchte? Ob ich ein guter Freund oder eine gute Mutter sein will? Habe ich mir jemals die Frage gestellt, ob ich später jemand sein will, der das Gerechte tut und dafür kämpfen würde? Habe ich bei meinen Träumen von Reichtum, Erfolg und Ansehen je darüber nachgedacht, ob ich dafür alles tun oder Skrupel haben würde, müsste? Nein, habe ich nicht, bewusst jedenfalls.
Das scheint man so nebenbei zu lernen. Schritt für Schritt in seiner Laufbahn, bei kleinen Entscheidungen auf seinem Lebensweg, trifft man immer wieder aufs Neue kleine Entschlüsse, die einen in eine bestimmte Richtung weiterbringen. Mit einer gehörigen Portion Glück und manchmal auch Gewissensbissen kommt man weiter und weiter zu einem Zustand des Erwachsenseins, des selbstständigen, eigenverantwortlichen Lebens, das zu einem Großteil aus der Familie, dem Beruf, Freunden und den wenigen Dingen besteht, die man in der Freizeit tut.
Und steht plötzlich still und fragt sich, wie man dahin gelangt ist – und ob es das war, was man sich gewünscht hat. Ich habe Kinder in die Welt gesetzt, was mich zu einem anderen Menschen gemacht hat und von dieser Entscheidung gibt es keinen Weg zurück. Und doch entscheide ich mich täglich wieder bewusst dafür, und gelobe, es so gut wie möglich hinzukriegen. Und ich unterstütze sie bei all ihren Träumen, die meinen oben genannten nicht unähnlich sind. Hauptsache, sie wissen, sie können tun und lassen, was immer sie wollen, wirklich wollen.
Ich übe keinen der oben genannten Berufe aus, aber ich bin ganz zufrieden – es hätte schlechter gehen können. Es hätte nach der ersten Ausbildung dabei bleiben können, doch zum Glück schickte mich der Zufall woanders hin und lernte ich hinzu. Und ich bin mir treu geblieben – habe einen Job lieber hingeschmissen, als gemeine Kollegen oder Chefs weiter zu akzeptieren, das Studium dann doch abgebrochen, bevor es mir die Lust am Thema durch trockene Theorie völlig verleidete.
Natürlich könnte ich mir Schöneres vorstellen, als allmorgendlich ins Büro zu müssen, statt meiner Lieblingsbeschäftigung zu frönen, für die ich keinen Cent bekomme, aber es ist irgendwo sinnvoll und befriedigend, mehr als Brot-auf-den-Tisch-Beschäftigung.
Reich und berühmt bin ich auch nicht geworden, aber zufriedener als viele der ehemaligen Idole, denke ich, schon. Ich habe mich selbst akzeptieren gelernt, ich stehe zu mir, auch wenn es ein paar Zeitgenossen vielleicht nicht passt, aber das ist deren Sache.
Und dafür danke ich jedem Menschen, der mir begegnet ist und einen Denkanstoß gab, der mir als Vorbild oder abschreckendes Beispiel diente, jedem kleinen Zufall, der mich dazu brachte, meinen Beschluss zu treffen, durch den ich heute hier bin.
Ich bin groß geworden – und alt und weise und habe noch viele Tage, Monate und hoffentlich Jahre vor mir, noch älter und weiser zu werden, jeden Tag ein kleines Stück.