Die schwarze Katze
Da ist sie wieder. Nur einen kleinen Spalt breit habe ich das Fenster gekippt, aber sie hat es geschafft sich hindurch zu winden – wieder einmal. Erst habe ich sie wie immer gar nicht bemerkt, doch nun streicht sie schnurrend um meine Beine. Ich halte inne und fühle die weiche warme Berührung ihres Fells und ihres geschmeidigen Körpers. Atemlos lausche ich ihrem Schnurren, fühle wie es von ihrem Körper in meinen fließt. Mein ganzes Ich vibriert und das Gleiten ihres Fells auf meiner Haut elektrisiert mich bis in die Haarspitzen. Ich gebe ihr nach und setze mich, da springt sie mühelos mit einem Satz auf meinen Schoß und blickt mir direkt ins Gesicht. Da sind sie wieder, diese wilden großen grünen Augen, die mich hypnotisieren und erschauern lassen. „Sieh nicht zu lange hinein, Du verlierst Dich sonst“ schreit es in mir, doch es ist zu spät, schon hat sie mich wieder in ihrem Bann. Ohne den Blick von mir zu wenden macht sie es sich auf mir bequem. Leicht, nur ganz leicht berühren ihre ausgefahrenen Krallen meine Haut, um mir ihre Macht über mich zu zeigen. Ich seufze und weiß was sie jetzt will. Ich gebe mich hin und streichle liebevoll ihr schwarzes Fell.Unter ihrem tiefen glühenden Blick erinnere ich mich an unsere erste Begegnung. Ich schlief und wachte von einem sachten Druck auf meiner Brust auf, da sah ich ihre beängstigenden Augen zum ersten Mal. Erschrocken fuhr ich mit einem Schrei hoch, mein Herz hämmerte. Überrascht von meiner heftigen Reaktion floh sie zum offenen Fenster hinaus. Doch sie kam wieder – immer öfter – unverhofft. Sie kam und ging wie es ihr gefiel, waren Türen und Fenster geschlossen suchte sie sich andere geheime Wege über den Keller. Anfangs war es mir nicht recht, ich wunderte mich was sie bei mir wollte, ich dachte sie nicht eingeladen zu haben. Ein Tier in meinem wohlgeordneten Haus – das hatte ich so nicht geplant. Ihr war das egal, sie spielte ihr Spiel mit mir und neckte mich. Mal sprang sie mir vom Schrank auf den Schoß, mal stolperte ich über sie und wäre beinahe gestürzt. Als ich versuchte sie zu ignorieren sprang sie auf den Tisch und fegte meine Vase herunter, die in tausend Stücke zersprang. So viel Wildheit – ich fühlte mich machtlos gegen sie. Um sie milde zu stimmen begann ich kleine Leckereien für sie bereitzustellen, die sie manchmal annahm, manchmal verschmähte. Einmal war ich ihrer überdrüssig und schrie sie an sich zu trollen – sie fauchte, machte einen Buckel und ihr Fell sprühte Blitze. Mit einem Satz war sie zum Fenster hinaus. Zuerst war ich erleichtert als sie wegblieb, doch mit der Zeit merke ich erstaunt dass ich ihre Überfälle vermisste, ja ich mich nach ihr sehnte. Ich öffnete alle Fenster und Türen – doch sie ließ sich nicht blicken. Nach Tagen des Wartens kauerte ich weinend auf meinem Sessel, da war sie plötzlich da und leckte mir die salzigen Tränen vom Gesicht. Seitdem gehöre ich ihr, sie sucht mich auf und verlässt mich wie es ihr gefällt.
Ich streichle sie weiter. Sie blickt fort und wie zum Trost leckt sie mir mit ihrer Zunge über meinen Arm. Sie erhebt sich, spannt ihre Muskeln an und da – mit einem Satz ist sie beim Fenster, ein kurzer Blick zurück und mit einem zweiten Satz ist sie hinaus. Ich seufze und vermisse sie jetzt schon, aber eines tröstet mich – die schwarze Katze namens „Lust“ kommt immer wieder, bestimmt.
Gewidmet all denen die die Lust kennengelernt haben und ihr verfallen sind.