Das Trommelhaus
© Nisham 08/2011Es ist heilig. Fremden ist der Zutritt verboten. Nur die Eingeweihten dürfen es betreten. Und doch… mir haben sie es gezeigt. Das Trommelhaus. Auf einer Lichtung in diesem immergrünen, immerfeuchten und immer halbdunkeln und undurchdringlichen Urwald.
Ein ausladendes grasgedecktes Dach. Darunter stehen in Kreisen die Trommeln. Ganz außen die fast mannshohen, schlanken Trommeln. Im zweiten Kreis, die breiten, niedrigen. Im dritten Kreis die quer liegenden, die von beiden Seiten geschlagen werden. Und in der Mitte die liegende, über mannhoch im Durchmesser, ein Ungetüm von einer Trommel.
Rund um die Lichtung Grabhügel. Die Ruhestätten der besten verstorbenen und verehrten Trommler: Maka, Aku, Tyro, Saru, ich habe mir nur diese Namen merken können. Obschon ich versprochen habe, alles zu vergessen. Doch es ist nun so lange her…
Eine handvoll Trommler begleiten mich. Ich darf die Trommeln nicht berühren. Eine jede erfüllt eine besondere Aufgabe. Wir sitzen schweigend in der Lichtung und warten, dass es dunkel wird. Die Nacht ist plötzlich da. Nur eine einsame Fackel flackert vor dem Trommelhaus.
Ein Trommler steht auf. Lauscht. Legt seine Hand auf meine Schulter und deutet mir aufzustehen. Mit langen Fingern zeigt er mir in eine Richtung. Ich strenge meine Ohren an. Und ja. Ich höre – ganz weit – so etwas wie Trommeln. Leben kommt in die Trommler. Sie stehen auf und lauschen. Nicken einander zu. Einzelne machen mit ihren Händen Bewegungen – als würden sie imaginär die Trommelschläge nachmachen.
Plötzlich steh ich alleine da. Die Trommler stehen an den Trommeln.
Zwei schlagen mit flachen Händen abwechselnd auf die schlanken Trommeln des ersten Kreises. Dann kommen die Trommeln des zweiten und dritten Kreis dazu. Irgendwie sind nun mehr Trommler da. Keine Ahnung, woher die aufgetaucht sind.
Die Trommelschläge bringen meinen ganzen Körper in Schwingungen. Ich möchte gleichzeitig diesem Dröhnen entfliehen und doch auch weiter da stehen bleiben. Diese Gefühle auskosten, die meinen Körper so beherrschen, dass mein Herzschlag immer lauter und heftiger pocht, meine Seele in ungeahnte Höhen zu tanzen scheint.
Die Stille kommt plötzlich. Völlig unerwartet. Doch dann kommt ein Wirbel von Schlägen, so dumpf und so laut, dass ich denke, mich zerreißt es in tausend Stücke: ein Trommler schlägt mit zwei dicken Stöcken auf die Monstertrommel! Es ist nicht die Lautstärke, die mich fast zu Boden zwingt und doch gleichzeitig vom Boden in die Luft schleudert. Es sind diese Schwingungen!
Ich bin wie angewurzelt und doch so schwebend. Es ist, als wäre ich hypnotisiert. die Trommeln dröhnen synkopatisch und doch ist es, als würden sie ein multitonales Gespräch führen. Ich fühle mich wie in Trance.
Ich habe keine Ahnung, wie lange es gedauert hat. Als die ersten Sonnenstahlen mein Gesicht streifen, liege ich in der Lichtung. Mein Blick schweift in die runde. Einige Trommler liegen schlafend zwischen den Trommeln. Ein letzter Blick auf das Trommelhaus und ich folge meinen Begleitern auf dem fast unsichtbaren Pfad der im dichten Urwald verschwindet.