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Familiendelegationen

*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
Familiendelegationen
Hätte jemand von ihr verlangt, diese Familie zu beschreiben, dann wäre das Ergebnis Ratlosigkeit gewesen. Wie hätte sie auch Worte finden sollen, um diese lauthalse Sprachlosigkeit, diese Mischung aus abweisender Stummheit und aufgesetzter Fröhlichkeit, dieses Nebeneinander von ostantativ zur Schau getragenem Zusammenhalt und absoluter Gleichgültigkeit gegenüber dem Anderen auch nur halbwegs angemessen zu erläutern?

Sie sehnte sich danach, die Gründe für all das zu verstehen. Das, so glaube sie, würde es ihr einfacher machen, all den Ballast erst zu akzeptieren und dann abzuwerfen. Doch jeder Versuch, der Geschichte auf die Spur zu kommen, scheiterte an einer Mauer aus Schweigen, die alle Beteiligten zwischen sich und der Vergangenheit errichtet hatten.

„Das ist schon so lange her! Ich lebe für die Zukunft!“ - Der Bau und die Verteidigung des antifaschistischen Schutzwalls war nichts im Vergleich zu dem mentalen Aufwand, der hier betrieben wurden, um den Schmerz zu ignorieren, und – falls das nicht gelang – ihn in der tiefsten Ecke der Erinnerung zu verstecken, um ihn dann möglichst klein zu reden. - „So waren eben die Zeiten!“

Diesmal traf sie dieses resignierende Totschlagargument wie ein Peitschenschlag. Muss der Schlussläufer im Staffellauf wirklich wissen, wer den Stab zuerst in die Hand nahm? Und gesetzt der Fall, der Stab bestünde aus glühendem Eisen? Würde es wirklich den Schmerz in der eigenen Hand lindern, wenn sie wüsste, durch welche Hände er vorher ging?

Sie spürte die Wut darüber, dass er ihr ungefragt in die Hand gedrückt worden war und erkannte: In dem Wissen, dass es weder mit Absicht noch mit Vorsatz geschehen war, lag die große Verführung, den Schmerz beiseite zu legen.

Doch mit dem Schmerz ist es wie mit der Bügelwäsche: eines Morgens steht man nackt da. Und da das dringend benötigte Kleidungsstück ganz unten liegt, gerät der Berg ins Rutschen – sofern man nicht aufgibt und sich im Bett versteckt. Wenn man dann nur ein Einzelteil bügelt, versinkt die Wohnung im Chaos. Und spätestens die nächste Waschmaschinenladung sorgt dafür, dass dieser Berg unaufhaltsam weiter wächst.

Sie lachte laut und herzhaft über diesen Vergleich und beschloss, ihn einzuladen – den Schmerz.

© sylvie2day, 26.08.2011
Sprachlich ohne Not erfinderisch (lauthalse) oder lustig (weder mit Absicht noch mit Vorsatz). Mir fehlen ein paar Hinweise, um welche Familienangelegenheiten es sich handelt.
Als eine Art Nachdenken kann ich den Text ganz gut nachvollziehen.
Schade finde ich aber, dass er sehr an der Oberfläche dessen bleibt,
was er erzählen will und könnte.

LG Dieter
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
Mir fehlen ein paar Hinweise, um welche Familienangelegenheiten es sich handelt.

Welche Rolle spielt das? *nixweiss* Setz in Deiner Fantasie einfach ein, was Dich in der Deinen beschäftigt *zwinker*
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
@Berglöwe
Du weisst, was der Text erzählen will? *oh* Faszinierend...
Ich kenne solche Familiensysteme zur Genüge. *zwinker*
Sylvie2day

Na dann …
Wenn doch über den Schmerz, vor allem über seinen Grund, nicht geredet wird, was wird dann eingeladen? Ein allgemeines Schmerzgefühl, das einem womöglich mit der Familie verbinden könnte?

Ich lese diesen Text eher als eine Einleitung zur eigentlichen Geschichte... und als solche macht sie neugierig.
*g*
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
@Cleo
Sich durch Schmerz mit der Familie verbinden, ist doch arg selbstzerstörerisch, oder? *gruebel*

Aber man kann den Schmerz oder die Wut oder die Verzweiflung spüren über die Sprachlosigkeit oder darüber, dass man sie geerbt hat und kopiert obwohl man eigentlich anders leben möchte...

Nicht reinsteigern, sondern ausleiden, den Widerstand aufgeben gegen die Situation *g*
selbstzerstörerische Tendenzen hat der Mensch genug... *g*

nach dem Ausleiden aber unbedingt den Schritt ins "Ich-mach-es-anders" gehen... *g*
TIEFE
Liebe Sylvie,

ich kann ganz ganz tief in deine Geschichte abtauchen...vielleicht deshalb, weil du die "Form" - Familie vorgibst und ich diese aufgrund meiner Arbeit tausendfach inhaltlich füllen kann - verschiedene Geschichten-Flüssigkeiten, die in einen Krug gefüllt werden....die Form bleibt immer dieselbe, der Inhalt ändert sich....und - es gibt eben solche Krüge und solche Krüge....

Brüderlich oder Familie hieß schon immer Vertreibung aus dem Paradies und Kain und Abel *g*
Familiengeschichten inkl. Schmerz, kann man durch Familienstellen lösen, oder man besorgt sich einen anderen Krug oder lässt bügeln...

Da Berglöwe solche Familien ebenfalls kennt, würde es mich nicht wundern, wenn er ebenfalls vom Fach ist *zwinker* ...
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
Cleo
Ohne vorheriges Ausleiden scheint mir das "es-anders-machen-Wollen" wenig sinnvoll. Der Zahnarzt entfernt ja auch erst die Karies BEVOR er die Krone aufsetzt *zwinker*
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
@Graciella
Genau deshalb habe ich ja keine spezielle Geschichte herum gewoben *zwinker* Um die Struktur hervorzuheben *g*

Die "konkrete" Variante habe ich ja schon mal anderweitig beschrieben:

Homepage "Lavendelblüten" von sylvie2day

Ach, und nur der Vollständigkeit halber: der Text ist kein verkappter Hilferuf *zwinker*
Tolle Geschichte
um diese lauthalse Sprachlosigkeit, diese Mischung aus abweisender Stummheit und aufgesetzter Fröhlichkeit, dieses Nebeneinander von ostantativ zur Schau getragenem Zusammenhalt und absoluter Gleichgültigkeit gegenüber dem Anderen auch nur halbwegs angemessen zu erläutern?

Die Gründe liegen auf der Hand. Die Familie und Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen, ist in jungen Jahren aber aufeinander angewiesen und kann nicht einfach "kündigen", also werden Menschen sehr kreativ... *g*

Sehr treffend beschrieben, was sich in vielen Familien, insbesondere der Mittelschicht abspielt...Pseudofrieden, der sich nur durch Schweigen und Sprachlosigkeit aufrecht erhalten lässt....Wenn einer nach dem "Ausleiden" nicht mehr mitspielt, dann muss er sich darüber bewusst sein, dass er u.U. als Spielverderber betrachtet wird....:-)

Ich finde deine Geschichte klasse, strukturell und inhaltlich. Bin gespannt auf Lavendelblüten....
nochmal Kaminlesung
****ra Frau
12.347 Beiträge
Ich überlege noch, wie ich diese gut geschriebene Geschichte einordnen soll. Als Leser wird man doch sehr hängen gelassen, weil man so gar nichts erfährt, was nicht unbedingt stören muss.

Den Vergleich mit der Bügelwäsche finde ich gut, aber nicht ganz stimmig, denn irgendwann wird der Kleiderschrank leer sein und dann gibt es keine weitere Bügelwäsche mehr. Irgendwann muss auch mit langjährigen Familiendingen Schluss sein, denn wenn jede Generation den Stab nimmt, wird sich nichts ändern.

Es hängt immer von der Art des Schmerzes ab, der sich durch die Familienchronik zieht, wie man ihn bearbeitet, oder ob man das überhaupt machen solle. Dahingehend ist deine Geschichte ziemlich offen geblieben. Also, kann ich alles daraus lesen, was ich will.
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
denn irgendwann wird der Kleiderschrank leer sein und dann gibt es keine weitere Bügelwäsche mehr.

Dann gibt es doch NUR noch Bügelwäsche *zwinker* Der Punkt, an der man der Verdrängung nicht mehr entkommt *g* Da hilft dann nur: bügeln und zwar am besten alles... was aufwändiger ist, als es jedes Mal gleich zu tun, oder ungebügelt durch's Leben gehen und das als Stil deklarieren *smile* Und da die Entscheidung nur jeder selbst treffen kann, bleibt die Geschichte eben offen...
Jetzt weiß ich,
warum ich immer solche pflegeintensiven Mädelz anziehe (ausziehe? nur am Anfang...)
ich bin der perfekte Aus und Abbügler!
*gruebel*

Die Stimmung ist exzellent gezeichnet, der Luftballon prall, doch auch mir fehlt irgendwie die Nadel....

trotzdem *top* laf
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
Brüderchen...
Du weißt doch: dieser Ballon muss sich selbst pieksen *lol*

Und die Nadel? Guck mal im Heuhaufen *neck*

Liebe Grüße

Sylvie *knuddel*
*******f69 Mann
88 Beiträge
Grandios!
Ein toller Text;
am Ende etwas eingeschränkt. Aus welchen Gründen auch immer - ich kann das nachvollziehen, der Letzte zu sein, das ganze Erbe, eben auch die negativen Implikationen, aufgedrückt zu bekommen. Ich bin gespannt, was Du berichtest, wenn Dein Schmerz zu Besuch war. Und freue mich darauf, auch wenn Du nichts Positives zu berichten weißt.

Ansonsten, liebe MitleserInnen: Thema, Ton und Duktus hoch literarisch. Da kämpft mancher unserer regelmäßigen Zuträger vergebens drum.

Verzückt grüßt

apero
****izz Mann
90 Beiträge
hmmm.... Glüh-Stäbchen!
Ist schon schwierig, die Erblast einzudämmen. Mein Opa hob alles auf, bis man kaum noch durch die Räume gehen konnte vor lauter Kartons. Ich bin definitiv sein Erbe, aber ich muss mich zwingen, Dinge loszulassen.

Mein Vater hat das Rumpelstilzchen-Syndrom. Ich bin auch sein Erbe und habe als Kind sehr unter diesen Wutausbrüchen gelitten. Ich liebe ihn trotzdem, zumal er als Rentner dieses Verhalten zum Glück abgelegt hat. Trotzdem spüre auch ich gelegentlich sein Erbe und puste tief durch. Ich will das nicht! Bislang klappt es!

Vielleicht bringe ich ja wenigstens einen Stab zum ausglühen und den zweiten gleich in die Tonne. Ich arbeite daran.

Sylvie2day! Danke, gelegentlich daran erinnert zu werden, kann nicht schaden!
*******day Frau
14.272 Beiträge
Themenersteller 
hmmm...
richtig dramatisch wird es, wenn wir uns dauernd die Finger verbrennen und gar nicht wissen, dass wir einen Glühstab in der Hand halten... *gruebel*
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