nächtliche ruhestörung
BUMSNur langsam erwachte ich aus den Tiefen meines traumlosen Schlafs und sah mich verwirrt in meinem Zimmer um. Ein fremder Raum, Kartons auf dem Boden, Bilderrahmen gegen die Wand gelehnt.
BUMS
Ach, ja, mein neues Schlafzimmer, in meiner neuen Wohnung. Ich verbrachte heute die erste Nacht hier und hatte erschöpft nach der ganzen Arbeit in meine Decken eingewickelt tief und fest geschlafen – bis jetzt.
BUMS
Aber was war das für ein seltsames Geräusch?
“Oh Gott!” BUMS
Oh nein! Ich saß aufrecht im Bett, rieb mir die Augen und sah auf die Wand hinter mir. Ich versuchte krampfhaft durch die Schleier der Müdigkeit zu verstehen, was zum Teufel da nebenan vor sich ging.
“Oh Gott! Das ist soooo guuuut!“ BUMS
Was in Gottes Namen..?
“Oh Gott!” BUMS BUMS
Kam das von draußen? Von einem Fernseher irgendwo?
An diesem Tag war ich in mein neues Appartement gezogen. Eine wunderschöne, großzügig geschnittene Altbauwohnung, zentral, aber ruhig gelegen. Ich war jetzt sogar stolze Besitzerin eines Arbeitszimmers. Meine Freundin Martine und ihr Mann Rolf hatten mir heute geholfen, alles aufzubauen, nachdem gestern meine Möbel und Kartons hierher transportiert worden waren und ich war sehr glücklich damit, wie alles geklappt hatte.
Nach der stundenlangen Schufterei mit Kartons schleppen, Möbelrücken und -zusammenbauen, war ich hundemüde aber zufrieden ins Bett gefallen. Die ungewohnten Geräusche, kleines Knister- und Quietschen eines alten Hauses, und der spärliche Verkehr in meinem Viertel hielten mich nur wenige Minuten entspannt wach, dann war ich in einen tiefen Schlaf gefallen – bis jetzt.
„Oh ja, Baby, genau da, genau so, oooohh, das ist gut, hör nicht auf, hör nicht auf!“
BUMS
Darum saß ich jetzt alarmiert aufrecht im Bett und versuchte, mich zu orientieren! Um – mal sehen – 1:50 nachts. Da hatten eindeutig zwei Spaß miteinander. Konnten sie das nicht leiser tun?
Ich starrte noch halb dösend an die Decke, als ich verwundert merkte, dass mein Bett sich bewegte. Es wurde leicht abgestoßen und machte einen kleinen Satz nach vorne. Erst dachte ich noch an ein Erdbeben, und dann sollte man nach draußen gehen, überlegte ich, und stand auf, um mich anzuziehen.
Als jedoch kein weiterer Erdstoß folgte, schlurfte ich zurück zum Bett, rieb mir gähnend die Augen und wollte wieder unter die Decke schlüpfen, als ich das Bett sich bewegen sah. Das Kopfteil zuerst.
Das war wirklich komisch. Dann hörte ich, sehr deutlich dieses Mal:
„Oh, Tom, das ist sooo guuut. Mmmh, ja!“
Oh verdammt.
Hellwach jetzt und ein kleines bisschen fasziniert von dem, was da vor sich ging, stellte ich mich neben mein Bett und beobachtete es ganz genau. Doch es blieb unbewegt, das war sicher nur ein Versehen gewesen. Also kroch ich wieder unter die Decke und versuchte, wieder einzuschlafen.
Leider ließ mich aber der Gedanke nicht los, dass da nebenan ganz offensichtlich eine Frau Sex bekam – und guten. Etwas, das mir fehlte, schon viel zu lange! Eine Trockenzeit aus Mangel an geeignetem Partner hat ja jeder schon mal erlebt, aber es war letzen Monat über ein Jahr her gewesen, dass ich selbst ein bisschen Spaß im Bett hatte erleben dürfen.
Und das Schlimmste war, dass ich es nicht mal mehr schaffte, mir selbst einen Orgasmus zu besorgen – so verkrampft war ich inzwischen, wenn ich es mir vornahm und ihn wollte und wirklich alles dafür tat. Mein Orgasmus hatte mich im Stich gelassen, schon seit Monaten träumte ich nur noch davon und fing an, die Erinnerung daran zu verlieren, wie sich das noch mal anfühlte.
Heute Mittag noch hatte ich mit einem Anflug von Melancholie meinen Vibrator in den gerade aufgestellten Nachttisch gelegt, ohne dass Martine und Rolf es mitbekamen. Eigentlich hatte ich gehofft, die neue Umgebung, ein frischer Start mit dieser Wohnung würde es mir erlauben, bald mal wieder einen neuen Versuch zu starten. In dieser Situation waren die Geräusche von nebenan nicht gerade förderlich – der Neid begann an mir zu nagen.
Ich schob die Gefühle von Unbefriedigtsein und Sorge um beginnende Frigidität ganz weit nach hinten in mein müdes Hirn und rollte mich auf die Seite. Alles war ruhig, und langsam driftete ich wieder in den Schlaf.
Dann jedoch brach die Hölle los.
“Oh Gott !Ja, ja, ja, ohhhh!”
Das Bett wackelte, nicht der Boden. Fluchend setzte ich mich wieder auf und sah zu, wie das Kopfteil gegen die Wand schlug, als die Orgie nebenan weiterging.
„Fick mich, Baby, ohh ja!“, hörte ich und seufzte wieder laut. Das nächste Geräusch zwischen den Stößen, die meine Wand zum Erzittern brachten, hörte sich nach Schlägen an. Da bekam jemand Prügel und es schien ihr zu gefallen.
“Oh Gott, Tom, jaaaaaaa. Ich war ein böses Mädchen, oh, gib´s mir! Ja, ja!”
Du lieber Himmel..
Mehr auf nackte Haut klatschende Schläge, und dann der unverkennbare Laut einer tiefen, männlichen Stimme, grollend und dann ein dunkles Stöhnen wie ein Aufschrei.
Ich stand auf, zog das ganze Bett ein paar Zentimeter nach hinten, weg von der Wand und stieg wieder hinein, während ich genau beobachtete, ob jetzt noch was kommen würde – oder wer.
Während ich langsam wieder einschlief, schwor ich mir, beim nächsten Geräusch sofort zurückzuschlagen – auf die Wand, nicht auf den Nachbarn. Doch es passierte nichts mehr.
Willkommen in der Nachbarschaft, haha.
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An meinem ersten offiziellen Morgen im neuen Heim saß ich am Küchentisch mit einer Tasse wundervollen Kaffees und dem Rest der Muffins, die Rolf uns gestern spendiert hatte. Ich fühlte mich gut, trotz der unterbrochenen Nachtruhe, was an dem Zucker liegen konnte.
Nach dem Spanking war die Frau von nebenan zufrieden eingeschlafen und Tom wohl auch – ich vermutete, dass mein Nachbar Tom hieß, da die Frau mit der devoten Ader diesen Namen während ihrer Spielchen gerufen hatte.
Mann, ich vermisste solche Spielchen, auch wenn ich mich nicht erinnern konnte, jemals Spanking gemocht, oder so leidenschaftlich genommen worden zu sein, dass die Wände bebten.
Ich sah in meinen Schoß und hätte fast mitleidig zu meiner “Vicky” geredet, die schon so lange keinen Höhepunkt mehr erreicht hatte.
Mit fast 30 – ich würde nächsten Monat 28 Jahre alt – konnte ich eigentlich auf ein einigermaßen zufriedenstellendes Liebesleben zurücksehen. Zwei längere Beziehungen von jeweils 3 Jahren lagen hinter mir. Die erste hatte ich mit 18 nur aus dem Grund begonnen, dass ich keine Jungfrau mehr sein wollte, da all meine Freundinnen über ihre Erfahrungen redeten, und nur ich noch den romantischen Vorstellungen der wahren Liebe anhing. Was ich erfuhr, gefiel mir und irgendwie blieb ich mit dem Jungen zusammen, der eindeutig in mich verliebt war, ich aber nicht in ihn.
Denn ich war eigentlich immer noch in Tom verliebt – ja, witzig, er hieß auch Tom, meine große, unerreichbare Liebe aus der Schulzeit. Er kam in die Klasse über mir, als ich ein kleines Mädchen, von 12 war, unschuldig und unwissend. Er war ein kleiner Rebell, der schon von mehreren Schulen geflogen war, ein Traumtyp, dem alle Mädchen hinterher liefen, und er ließ es sich nur allzu gern gefallen.
Als ich noch nicht mal genau wusste, ob man vom Küssen vielleicht nicht doch schwanger werden kann, hatte er bereits mit 14 eindeutige Erfahrungen gemacht und war keins der Mädchen sicher vor ihm. Er kriegte sie alle rum, und außer ein paar äußerst amüsanten Ringkämpfen zwischen zwei rivalisierenden Mädchen schaffte er es auch, dass sie ihn zur nächsten ziehen ließen und ihn trotzdem weiterhin anhimmelten, wenn sie ihm alles gegeben hatten, was er wollte.
Ich war wie gesagt noch fast ein Kind, naiv und unscheinbar. Fast sechs Jahre lang schwärmte ich heimlich von ihm, behauptete nach außen aber immer nur, er sei ja wohl unter meinem Niveau. Ich zeichnete ihn, schrieb im Gedichte, träumte von allem, was wir zusammen erleben könnten, würde ich ihm jemals auffallen. Aber nicht mal meiner besten Freundin erzählte ich davon – ich hätte ja doch nie eine Chance. Als er dann die Schule wieder verließ war ich am Boden zerstört.
Ich hörte, er wäre nicht mal mehr in der Stadt und fühlte, eine solche Geschichte würde ich nie wieder erleben – eine Liebe wie aus dem 19. Jahrhundert, aber leider auf immer unerfüllt. Ich dachte, ich würde mich nie wieder so für jemanden interessieren, aber aufsparen für einen Traum wollte ich mich auch nicht. Darum meine Beziehung mit Tobias. Er war nett, aber nicht mehr, er tat alles für mich, aber ich sah ihn nur als Freund – vielleicht könnte ich gar niemanden lieben, außer Tom.
Sicher wusste ich das erst, als ich mich mit 23 in Alex verliebte. Da spürte ich zum ersten Mal etwas Ähnliches wie das, was ich für Tom empfunden hatte, nur erwachsener, natürlich. Als er Schluss machte, fiel ich in eine Depression und gab mich in meinem Kummer einigen Männern in One-Night-Stands hin, was genau die Dummheit war, die ich bei anderen immer bemäkelt hatte. Aber ich sah es als Erfahrung, denn ich hatte viel dabei gelernt, vor allem über mich, was ich wirklich wollte, was mir in Punkto Sex gefiel und was nicht, und dass auch ich Sex und Liebe trennen konnte.
Doch weil mein Körper irgendwann nicht mehr mitspielte und ich von nichts und niemandem so erregt werden konnte, dass es mich körperlich befriedigte, hörte ich auf mit dem unverbindlichem Sex mit Freunden und Fremden. Das war nicht gut für mich, stellte sich heraus und seitdem war ich keusch, versuchte, mich auf mich selbst zu konzentrieren und musste zu meinem Erschrecken feststellen, dass auch Sex mit mir selbst nicht mehr funktionierte.
Über meinen Ausflug in die Vergangenheit war mein Kaffee eiskalt geworden, merkte ich prustend nach einem gedankenverlorenen Schluck, und ich schüttete ihn gerade in den Ausguss, als ich Stimmen vor meiner Wohnungstür hörte. Auf jeder Etage gab es nur zwei Wohnungen, daher war die Wahrscheinlichkeit, dass es meine geräuschvollen Nachbarn waren, groß. Ich rannte zur Tür und presste mein Auge an den Spion, um einen Blick auf sie zu werfen. Was für ein neugieriger Perversling ich doch war, dachte ich, ehrlich.
Viel konnte ich nicht sehen, aber ich hörte, was sie sagten. Die Stimme des Mannes war tief und sanft und sie kicherte albern.
„Mmmhh. Tom, diese letzte Nacht war wunderschön.“
„Ich fand diesen Morgen eigentlich auch ganz nett.“, sagte er, und das Schmatzen, das darauf folgte, musste ein verdammt guter Kuss sein, so wie sie danach atemlos seufzte.
Da mussten sie es heute Morgen wohl in einem anderen Raum getrieben haben, ich hatte nichts gehört.
“Oh, das war er. Ruf mich an, bald, ja?”
“Natürlich, ich ruf dich an, sobald ich wieder in der Stadt bin.”, versprach er und klatschte ihr zum Abschied mit der Hand auf den Po, was ihr ein erneutes Kichern entlockte.
Ich sah sie nicht sehr deutlich, als sie an meiner Tür vorbei tänzelte, sie war klein und blond und drehte sich winkend noch einmal zu ihm um. Diesen Tom konnte ich nicht sehen, er war bereits wieder in seiner Wohnung verschwunden, als ich meinen Kopf weit genug an die Tür drücken konnte, um etwas zu erkennen.
Interessant – das Mädchen lebte also nicht bei ihm. Und ich hatte keine “Ich liebe dich“´s gehört, als sie sich verabschiedeten, obwohl sie sehr vertraut miteinander umgingen. Tja, vertraut genug für Spanking, das hieß schon was.
Ich vermied weitere Gedanken an Spanking und diesen Tom, indem ich anfing, meine Kartons mit CDs und DVDs aus – und sie in die Regale zu räumen. Spanking Tom wäre eigentlich ein guter Name für eine Band, war das letzte, was ich zu diesem Thema noch dachte, bevor ich mich konzentrierte.
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fortsetzung folgt