Der Käfig
© Nisham 09/2011Der Weg ist staubig. Die Sonne brennt. Kein Lüftchen weht. Alles scheint verdorrt, vertrocknet zu sein. Meine Krieger sind müde. Doch den Karren der Flüchtigen haben sie auseinander genommen und der hölzerne Käfig nimmt Gestalt an. Ein fester Boden und drum herum dicke hölzerne Gitterstäbe. Oben drauf einige Planken über kreuz. Jetzt schieben sie den Mann und seine beiden Töchter hinein. Schnell sind die letzten Stäbe eingesetzt, die letzten Eisendornen eingehämmert.
Eng zusammengepfercht kauern die Drei, der Vater zwischen seinen beiden Töchtern. Nackt. Haut an haut. Sie können sich kaum regen, die Beine halb angezogen, die Köpfe oben an die Planken stoßend. Nur die Hände können sie zwischen den Stäben durchzwängen.
Er hat noch geschrieen, gebettelt und mir seine Töchter angeboten. Ich hab nur müde gelacht. Diese Frauen? Ich habe doch gesehen, was meine Krieger vorhin mit ihnen angestellt haben. Und ich bin kein Sklavenhändler.
Der Mann ein fetter Händler, hat in meiner Abwesenheit und der meiner Krieger, meinen Besitz des Nachts in Brand gesteckt, nachdem er mit seinen beiden Töchtern und seinen drei Leibwächtern, die beiden Türen von außen verrammelt hatte. Meine Frau und meine drei Töchter und drei Mägde und zwei Knechte sind bei lebendigem Leib verbrannt. Den drei Knechten hatten sie die Kehlen durchschnitten.
Als meine Krieger und ich vor drei Tagen nach hause kamen, fanden wir nur noch rauchende Trümmer. Der Steinofen, in dem wir unser gold versteckt hatten war zerschlagen. Das gold weg. Es gab noch keine Zeit zu trauern. Und so müde wie wir waren, die Pferde am allermeisten, sind wir los, Haben den Mörder und Dieb verfolgt. Gestern Abend haben wir ihn hier eingeholt. Ein Rad seines Karrens war gebrochen.
Meine Krieger haben mit den Leibwächtern kurzen Prozess gemacht. Auch gegen ein müdes Pferd kamen sie zu fuß nicht weit. Nun liegen deren Leichen am Wegesrand, den Krähen zum Fraße. Meine Krieger wollten sogleich den Händler und seine Töchter am Baum aufknüpfen und baumeln lassen. aufknüpfen. Doch das war mir nicht Rache genug. Ich will sie im Käfig sehen. Eingesperrt und am Baum an dieser Kreuzung aufgehängt. Als Warnung für andere. Möge ihr Tod lange und quälend auf sich warten lassen.
Ich kenne kein Erbarmen.
Die Blätter des alten Baumes an der Weggabelung sind welk; doch seine Äste liegen hoch und sind dick und kräftig. Ein solider Strick wird darüber gezogen Oben am Käfig mehrfach verknotet
Zwei meiner Männer sind auf den Baum geklettert. Wir alle zusammen ziehen den Käfig in die Höhe. Die Frauen schreien und rütteln an den Holzstäben. Betteln um Gnade. Doch nichts hilft, der Käfig wird immer höher gezogen. Schließlich wird der Strick oben im Baum fest verknotet. Durch die Bewegungen der Frauen schwingt der Käfig hin und her. Er ist so hoch über dem Boden, dass ein Reiter mit ausgestreckter hand knapp die Unterseite des Käfigs erreichen kann.
Eine mit Wasser gefüllte Ziegenhaut haben wir den Bestraften im Käfig gelassen. Und kaum zu glauben: am Horizont ziehen rasend schnell dunkle Wolken auf. Ein Gewitter ist im Anzug! Schon bevor wir unsere Pferde besteigen blitzt und kracht es. Ohne Vorwarnung öffnen sich die Himmelsschleusen und ein heftiger regen prasselt auf die verdurstende Erde. Der erste Regen seit Wochen.
„Freut euch der Almosen.“ Ist mein Abschiedswort, als wir uns auf den Heimweg machen; die Säckchen mit meinem Gold auf die Pferde verteilt. Doch meine geliebte Frau und meine wunderbaren Töchter sind tot.
Etwa einen Mond später erreicht mich die Kunde, dass die beiden Frauen im Käfig immer noch leben. Ihr Vater scheint tot zu sein. Offenbar haben Wanderer und Pilger ihnen immer wieder mal etwas Wasser und Brot zugesteckt. Das ist gut so, denn schnell soll ihr Tod nicht sein. Und hierzulande weiß ein jeder: lass den Käfig, so wie er ist. Das ist die Rache eines stolzen Kriegers.