Wovon wir träumen...
Wovon wir träumen Am Anfang, als mein Herz noch stark war wie das eines jungen Gottes, da lief ich jeden Morgen mit dem Sonnenaufgang um die Wette. Wir lachten uns an und rannten oder spazierten nebeneinander her.
Manchmal gewährte mir der Sonnenaufgang ein wenig Vorsprung und ich konnte sehen, wie die Delfine mit ihm auf den Wellen tanzten und wie die Wellen selbst voller Freude in grosser und in kleiner Gischt an den Stränden dieser Welt zum erliegen kamen.
Wir sahen die Fischer, wie sie ihre Netze und ihre Boote zu Wasser liessen, um in Demut einem Tag auf dem Meer entgegenzurudern, von dem sie wussten, dass dieser sie wieder mit allem versorgen würde, was sie für ihr heutiges Glück brauchen würden.
Wir glitten sanft die Flanken der Vulkane dieser Welt hinauf und wieder hinab. Dabei vernahmen wir die sanfte Stimme der Wahrheit, wie sie diesen brodelnden Ungeheuern für einen weiteren Tag Einhalt gebot.
Wir besuchten die unzähligen, mit der Natur verbundenen Völker der Maori, der Massai, der Tuareg, der Sioux, der Kelten, der Aborigines, und noch viele weitere. Dabei sahen wir, wie sie alle um die Feuer jener Feste tanzten, die sie zu Ehren der tiefen Wahrheit feierten, welche Sie jeden Tag aufs Neue in Freude und Einklang mit der Natur begehen liess.
Und wir sahen Ihn. Jeden Morgen lachte er und jeden Morgen lachten wir zurück.
Doch eines Tages sah er uns ganz traurig an. Als wir am nächsten Morgen wieder bei ihm vorbeikamen, liess ich den Sonnenaufgang alleine weiterziehen und setzte mich zu ihm.
Er erzählte mir, dass er schon sehr lange nach der Wahrheit suche. Doch nun, nachdem er es geschafft hatte, sich in einen körperlosen Zustand zu meditieren, habe er nur Dunkelheit und Leere gefunden. Er war sehr verzweifelt.
Daraufhin bat ich ihn, noch einen weiteren Tag Geduld zu haben, denn am nächsten Morgen würde ich wiederkommen, um ihm etwas zu zeigen. Dann setzte ich meine Reise fort.
Alle, die wir an diesem Tag trafen, baten wir, am nächsten Morgen mit besonders offenen Herzen auf uns zu warten, da wir einen neuen Freund mitbringen würden. Oh die Freude in den Gesichtern der Menschen war unermesslich.
Am nächsten Morgen eilte ich meinem alten Freund voraus, um einen neuen zu wecken. Ich schrie schon aus der Ferne: „Buddha, Buddha, erwache, Buddha mein Freund, erwache!“
Da schlug Buddha die Augen auf und sein Strahlen war unbeschreiblich. Er stand auf und fiel mir in die Arme. Wir schauten uns tief in die Augen. Und als der Sonnenaufgang kam, rannten wir los. Die reine Wonne streichelte unsere Seelen.
Und so, wie die Delfine die Wellen ritten, so ritten wir an diesem Morgen den Sonnenaufgang.
Später, am Abend der Menschlichkeit, sahen wir die Völker dieser Welt, wie sie nach Babel strömten, um einen Turm zu bauen, mit dem sie gemeinsam den Schöpfer ihrer Welt ehren wollten. Um diese wundervolle, Alle umfassende Baustelle siedelten Menschen aus aller Herren Länder. Sie waren fleissig und bescheiden. Und man konnte hören, wie sie eine gemeinsame Sprache sprachen. Die Sprache des Herzens.
Viele male kamen wir auf unseren morgendlichen Reisen an Babel vorbei. Und wahrlich gross waren die bunten Werke der Menschen. Mit überschäumender Freude sahen die Bewohner uns jeden Morgen Ihnen entgegeneilen, und jedes Mal wurden wir herzlich begrüsst.
Wir hörten aber auch die erste Lüge, in grauer Vorzeit, und sahen, wie Sie das gesamte Gefüge der Schöpfung zum Beben brachte. Und es schien, als wolle es nicht mehr richtig hell werden. Dunkler und dunkler wurden nun die Tage, die wir gekommen waren, zu verkünden.
Da fragten wir das Paar, als wir sahen, dass sie aus der Gemeinschaft verjagt wurden, was geschehen war. Doch ihre Augen waren voller Zorn und Wut, und ohne zu antworten, gingen sie hinfort. Was sie leider nicht sehen oder spüren konnten, war ihre eigene Scham über den Schmerz, den sie ihren Seelen angetan hatten.
Jeden Tag kreuzten sich unsere Wege aufs Neue, und mit schweren Herzen vernahmen wir, wie sie viele, die ihnen auf ihrer Wanderung begegneten, mit diesen Gefühlen ansteckten.
Es gab Zeiten, da wollte ich nicht an jedem Ort dieser Welt an jedem Tag aufs neue vorbeieilen, weil manche Orte mehr Licht benötigt hätten als Ihnen anscheinend gegeben wurde, während andere schon so vergiftet waren, und es mich sehr schmerzte, sie leiden zu sehen. Doch der Sonnenaufgang erinnerte mich daran, das ein Jedes von uns seine Aufgabe hätte in dem großen Gefüge der Schöpfung, und dass ich nicht gegen meine Natur ankämpfen solle.
Die Weltalter vergingen und die Menschen kamen und gingen. Doch eines war fast unmerklich spürbar, in all den Jahrtausenden. Die Dunkelheit breitete sich immer weiter aus. Tag für Tag, Herz für Herz und Krieg für Krieg.
Wir sahen aber auch in die strahlenden Augen des von Gott Gesandten, als sie Ihn am Kreuz verhöhnten und die Wächter Ihn quälten. Doch mit einem sanften Lächeln begrüsste er unser Kommen. Dann blieb die Welt auf einmal stehen.
3 Tage reiste er mit uns um die Erde, betend zu seinem Vater, er möge Ihnen verzeihen. Am ersten Tag drang er tief ein in die Erde, um die Wunden der Vergangenheit und die Gemüter der Menschen zu heilen. Am zweiten Tag bat er inständig um Vergebung für die Fehler der Zukunft. Und am dritten Tage machte er die Welt wieder eins in einem Augenblick, für alle Menschen.
Als er spürte, dass sein Werk getan war, verliess er uns. Die Dunkelheit seines Grabes wurde mit hellem Licht erfüllt.
Die Welt jedoch drehte sich weiter, und das Gift des Hasses und der Lügen verbreitete sich erneut und immer schneller um den ganzen Erdball.
Und so, nach endlosen Schlachten und Kriegen, am Höhepunkt menschlichen Versagens, musste ich eines Tages durch die Augen eines Wärters im KZ mit ansehen, wie die Körper von Tausenden von Frauen, Kindern und alten Männern zu Boden fielen und wie ihre gottgewollte Zukunft durch menschliches Gift dahingerafft wurde.
Doch ich sah auch IHN wieder, in seiner ganzen Herrlichkeit, wie er jedes einzelne Wesen, das in einem Jeden von Ihnen gesteckt hatte, erneut willkommen hieß in der Welt aus reinem Geist und Freude. Das machte mich froh. Wenn auch nur für kurze Zeit.
Denn eigentlich war ich müde und fühlte mich unendlich erschöpft.
Eines Tages blieb ich einfach sitzen, und der Sonnenaufgang zog wortlos an mir vorüber.
Da trat jemand an mich heran. Doch ich erkannte zuerst nicht, wer er war. Er fragte nur, wie es mir gehen würde. Ich sagte ihm, dass ich mich so leer fühlen würde. Wie ausgebrannt.
Da fing er an, mir zu erzählen:
„Du mein Freund, bist die untergehende Freude meines Lebens, allen mir bekannten Lebens. Erinnerst du dich nicht mehr an mich? Du hast mich damals erweckt. Du hast die Liebe in mein Herz gezaubert, du hast die Flamme der Hoffnung an mich übergeben. Frei und bedingungslos hast du gebrannt, hast alles Leben zu dir gerufen, zu dir ins Licht. Du warst der Bote in der Dunkelheit. Luz’e’fe, der Lichtbringer.“
„Buddha?“ fing ich an zu weinen.
„Ja, mein alter Freund!“
Ich konnte nur schluchzen.
„Ich bin gekommen, um meinen Teil des Spieles zu erfüllen.“
„Was ist passiert? Wie konnte es soweit kommen und was habe ich getan?“
„Gar nichts. Du hast gar nichts getan, zumindest nichts Falsches. Du bist einfach nur ausgebrannt, und du stehst kurz davor, voll ganz zu verglühen!“
„Aber das kann doch nicht sein“, entgegnete ich weinend.
„Und ob, du Spaßvogel. Deine Zeit ist gekommen. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen. Du warst der Anfang, und jetzt bist du das Ende. Du hast fast alles von dir gegeben, denn das ist deine Art. Bedingungslos, aus reiner Freude. Wenn du jetzt voll erlischen wirst, dann wirst du einem Schwarzen Loch ähneln, und alles wird von dir aufgesogen werden.“
„Oh nein, Buddha“ schrie ich, „Was ist dann mit dir, und all den anderen?“
„Ach …, mein Freund“ sagte Buddha, „verstehst du es denn immer noch nicht? Das ist der Lauf der Dinge, und du solltest dich nicht dagegen wehren. Erinnerst du dich denn nicht mehr an damals, als wir mit dem Sonnenaufgang und den Delfinen auf den Wellen dieser Meere geritten sind?“
„Doch ja, jetzt erinnere ich mich wieder.“
„Na also. Und was denkst du, was all diese Dinge geschaffen und mit Leben erfüllt hat?“
„Ich?“
„Wer sonst, mein lieber Freund. Du wurdest aus dem reinen, sanften Geist der Wahrheit ins Licht geboren, als Licht für diese Welt. Du warst die Sonne, du warst der Mond. Du warst die Elemente und du warst und bist nun der Regen! Und jetzt wirst du zum Meer, zum uferlosen Ozean. Hör einfach nur auf, dich gegen dein Schicksal zu wehren!“
„Wie könnte ich so etwas jemals verdient haben?“ kam es mir zitternd über die Lippen.
„Verdient?! Wie kannst du so etwas sagen. Da ist niemand, der es mehr oder der es weniger verdient hat als du. Da ist nur der Lauf der Dinge. Und Du, das Leben. Lass es einfach geschehen.“
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Markuss@2010 (für einen Freund, dessen Sehnsucht leider zu groß war, und der auf seine Weise ging. Er liebte diesen Text)