Das Tier
© Nisham 11/2011Fortsetzung von: „Die Grube“, „Der Dolch“, „Das Feuer“, „Die Unruhe“ und „Die Verfolgung“
Kurzgeschichten: Die Verfolgung
Weit vor uns steht eine kleine Baumgruppe die sich aus dieser kargen Landschaft erhebt. Wir gehen darauf zu. Nicht mehr so schnell. Es ist ein mühevolles Gehen, denn der Boden ist alles andere als eben, steinig und es gibt da immer wieder Dornengestrüpp das unsere schon leicht zerfetzten Kleider magisch anzuziehen scheint. Wir haben Hunger und was noch schlimmer ist, schrecklichen Durst.
Mag hat Tränen in den Augen als sie leise zu sprechen beginnt. Über ihr inneres Entsetzen, dass sie schon wieder einen Mann getötet hat. Als ich dazwischen kommen will bittet sie mich zu schweigen und sie reden zu lassen. Langsam beginne ich zu verstehe: Sie hat Angst so wie ihr Vater und ihre Brüder zu werden - abgestumpft. Ein Mensch für den ein anderes Menschenleben nicht zählt. Doch sie sagt auch, dass es ja reine Notwehr war, sonst wäre ich tot und sie…
Wir sind völlig erschöpft als wir endlich diese Baumgruppe erreichen. Sie steht über einem ausgetrockneten Bachbett. So wie es aussieht muss es zu gewissen Zeiten recht viel Wasser führen. Nun ist es völlig trocken. Wir setzen uns zwischen die Bäume. Ich weiß nicht, was wir nun tun sollen. Ich muss eingenickt sein denn ich erwache plötzlich, weil Mag mich an meinem Arm gepackt hat. Mit der Hand deutet sie auf den Bachlauf zu unserer Linken der dort eine breite Biegung macht und jetzt stehen da mitten im Bachbett zwei, nein drei große Tiere. Die sehen nicht so aus, wie Tiere die ich schon gesehen hätte. Sie wirken etwas unförmig mit einem kleinen Kopf auf dem recht langen Hals und einem gedrungenen Körper mit zwei kleinen Vorderbeinen, die zu nichts zu gebrauchen sind – scheint mir. Dafür sind die Hinterläufe riesig. Und gleich sehen wir warum: sie bewegen sich hüpfend voran!
Mag hat ihre Axt in der Hand. Sie steht auf und geht in gebückter Haltung in Richtung der Tiere die etwa hundert Schritte von uns entfernt sind. Sie scharren im Bachbett. Mag kommt langsam näher. Ich betrachte das Schauspiel. Sie muss möglichst nah ran und unbemerkt bleiben. Immer wieder schaut das eine oder andere Tier in unsere Richtung, doch sie machen keine Anstalten zu flüchten. Mag ist nun recht nahe dran, immer noch gebückt auf der Böschung. Sie bleibt nach jedem Schritt stehen. Neben einem Busch richtet sie sich ganz langsam auf und hebt ihren Arm mit der Axt in der Hand. Plötzlich schnellt ihr Arm nach vorne. Die Axt wirbelt durch die Luft und trifft eines der Tiere am Hals, direkt unter dem Kopf. Das Tier macht einen Sprung nach vorne. Bleibt stehen, dann kippt es zur Seite. Die beiden anderen Tiere sind einige Hüpfer weit gesprungen. Sie bleiben stehen, doch als sie Mag sehen die die Böschung herunter rutscht, hüpfen sie in großen Sprüngen davon. Als ich Mag erreiche ist das Tier tot. Es ist groß und schwer. Da muss es einiges an Fleisch für uns abgeben. Mag ist schon dabei, mit ihrem Dolch das Tier aufzuschlitzen als mein Blick da hinfällt, wo die Tiere im Bachbett gescharrt haben.
Es ist sandig und der Sand scheint dunkel, also nass zu sein. Ich knie mich hin. Ich schaufle mit beiden Händen ein Loch. Es ist wirklich nass, und je tiefer ich grabe, umso nasser wird es. Als ich aufhöre sehe ich wie sich im Loch Wasser ansammelt. Mag schaut zu mir hin, denn ich muss etwas gesagt haben.
Wasser! Ich schöpfe mit beiden Händen und trinke. Dann ist Mag auch schon da und tut dasselbe. Wir graben tiefer, damit wir noch mehr von dem köstlichen Nass haben. Es dauert lange bis wir unseren Durst gestillt haben.
Mag holt den Eisenkessel um ihn mit Wasser zu füllen, während ich im Bachbett unterhalb der Baumgruppe ein Feuer entfache. Es liegt genügend trockenes Holz herum und Steine sind auch da, so dass wir eine schöne Feuerstelle habe. Den gefüllten Kessel stellen wir darauf. Mag hat schon einige Fleischbrocken hineingelegt. Sie kommt mit noch mehr Fleisch. Einige Stücke spießt sie an Ästen auf, andere legt sie direkt an das Feuer auf große Steine. Bald riecht es wunderbar. Wir sind so hungrig und ungeduldig, dass wir das Fleisch zuerst noch fast roh verschlingen.
Später. Wir liegen satt neben dem Feuer, das weiter heiß vor sich hinglüht; nur ab und zu lege ich etwas Holz nach, damit das Feuer nicht erlischt. Wir haben zu essen und zu trinken. Was wir jetzt brauchen ist Schlaf.
Ich erwache als die Sonne schon hoch am Himmel steht. Mir ist eiskalt. Es schüttelt mich. Wie im Traum sehe ich Mag wie sie sich über mich beugt. Tränen in den Augen. Mein Bein schmerzt sehr und mir ist eiskalt und glühendheiß zugleich. Mag flösst mir von der Fleischbrühe ein. Sie hat mich so gut es geht zugedeckt. Das Feuer brennt nicht weit von mir. Mag hantiert an meinem Bein und sie hat ihren Dolch in der Hand. Ich bin zu schwach um mich zu wehren.
Ich muss wieder eingeschlafen sein denn es ist jetzt Nacht. Das Feuer brennt und Mag ist sofort hellwach und neben mir. Sie spricht leise zu mir aber ich verstehe sie kaum. Sie flösst mir wieder Fleischbrühe ein.
Es ist hell. Die Sonne steht irgendwie anderswo am Himmel. Mag kommt gerade mit dem Kessel voller Wasser und stellt ihn auf die Feuerstelle. An Ästen brät Fleisch. Ich verspüre keinen Hunger. Mag hat sich über mein Bein gebeugt.
Ich erwache, weil ich einen Schrei gehört habe. Ich schlage die Augen auf. Mag sitzt neben mir. Eine Hand krallt sich in meinem Arm. Sie starrt zur gegenüberliegenden Böschung. Ich folge ihrem Blick: Da stehen zwei Männer.