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Die wundertätigen Mannsbilder

Die wundertätigen Mannsbilder
(Pardon, ich hatte es schon mal falsch eingestellt)

Als sie mich damals mit dem Auto von zu Hause, von meiner Mutter abgeholt hatten, weil ich mit weniger als siebzehn Jahren gleich zwei neugeborene Mädels im Korb mit heimgebracht hatte, da kam ich zuerst einmal in ein Heim von der Jugendhilfe.

Meine Zwillinge hatten sie ohne mich in ein Mutter-Kind-Heim gebracht, weil ich selber ja angeblich noch zu jung war, um Mutter zu sein.

Dabei war ich doch gerade deshalb mit fünfzehn von meiner Mutter zu Hause ausgebüxt, weil ich mich vorher immer ganz alleine um ihre Zwillingsbuben hatte kümmern müssen und weil ich dadurch fast überhaupt kein Leben mehr für mich gehabt hatte.
Die Welt ist schon komisch, manchmal. Mag sie doch verstehen, wer will.

Meiner Mutter hatte ich vorher noch zwei Vorderzähne mit einem Kleiderständer ausgeschlagen. Das hatte ich aber doch gar nicht gewollt. Ich wollte doch den nackten Hintern von dem Arzt treffen, der ihr gerade wieder neue Zwillinge machen wollte. Leider habe ich aber sie getroffen.
Da bin ich dann halt ausgebüxt und so war alles Weitere gekommen.

Mein Vater war nämlich auch Arzt, aber dieser da war ein anderer gewesen, nicht mein Vater.
Ob mein Vater aber nun wirklich mein richtiger Vater war, da bin ich mir heute auch nicht mehr so sicher. Aber lieb habe ich ihn schon gehabt.
Er war halt nur immer nur so traurig.

Er hat mich dann auch im Jugendhilfe-Heim besucht, weil er da wegen mir was zu unterschreiben gehabt hatte, und ich habe ihm alles erzählt, wie es war.
Er ist wieder ganz traurig gewesen und deshalb habe ich ihn gefragt, warum das denn so sei, mit ihm und mit meiner Mama, seiner Ehefrau, dass sie gar nicht mehr zusammen sind und sich lieb haben.

Er hat es mir dann versucht zu erklären, am Beispiel von meinem Onkel Hubert.
Der Onkel Hubert, der war nämlich ein ganz leidenschaftlicher Sammler von Kuckucksuhren. Er hat sie alle geliebt, seine Kuckucksuhren und er konnte sie alle auseinandernehmen und reparieren und auch wieder schön zusammensetzen.

Dann haben aber auch die anderen Leute ihre Kuckucksuhren zu ihm hin gebracht, zum Reparieren. Zuerst hatte sich ja der Onkel Hubert darüber gefreut und gleich auch eine kleine Werkstatt aufgemacht. Er war zuerst ganz glücklich darüber.
Dann wurde er aber bald immer missmutiger und trauriger, weil die Leute auch solche Uhren gebracht haben, die gar keine richtigen Kuckucksuhren mehr waren.
Solche mit Plastikteilen darin und mit elektrischen Dingern, die darin herumgesummt und herumgewackelt haben und von denen er nichts verstand.
Da hat er dann eines Tages die ganzen Uhren aus dem Fenster geschmissen und wollte keine davon mehr sehen.

„Ja, so ist das, meine kleine Luise-Maria. Man sollte halt niemals sein Hobby zum Beruf machen. Dann macht es nämlich bald schon keine Freude mehr“ Seufzte er.
„Aber die Mama ist doch keine Kuckucksuhr“, sagte ich, „ist es, weil sie sich einen Silikonbusen machen lassen hat und weil sie solche bunten elektrischen Gartenzwerge im Nachttisch hat?“
Er hat nur mit den Schultern gezuckt und gesagt:
„Das verstehst du nicht, Luise-Maria. Später vielleicht…“
Heute verstehe ich ihn.
Er war nämlich niedergelassener Frauenarzt und hatte eine Praxis auf dem Lande.
Eine Kuckucksuhr habe ich mir später auch nie in die Wohnung gehängt, weil ich Angst gehabt hätte, dass da mein Vater rausschaut und „Kuckucksei!“ ruft.

Ich kam dann in das freikirchliche Heim für elternlose Mädchen bei den Malteserinnen.
Weil mein Nachname „Gottlos“ ist und weil ich der Ordensschwester bei der Aufnahme gleich erklärt hatte, dass es ursprünglich der Name eines exkommunizierten Henkers war, hatte ich mich ab sofort „Schwester Lucrezia“ zu nennen und über meinen richtigen Namen zu schweigen.

Lange haben die Schwestern mich misstrauisch beobacht und bei jedem Schritt kontrolliert. Als sie dann aber gesehen haben, dass ich ganz eifrig die Lebensgeschichten fast aller Heiligen, besonders die der Heiligen Nonnen, Wundertäterinnen und Ordensfrauen gelesen habe und sie danach auch fast fehlerfrei wieder erzählen konnte, da war ich bald sehr beliebt bei ihnen und musste immer zum Essen von einem Heiligenleben erzählen oder vorlesen, zur Erbauung der anderen jungen Schwestern, Novizinnen und Probandinnen, wovon ich auch eine war.
Dafür bekam ich dann zweimal Gemüse und Kompott.

Fleisch habe ich nicht mehr gegessen, seit ich im Jahr zuvor mit ansehen musste, wie der Prinzipal vom Luigi, der Patrone Giovanni, unser „Pfeifchen“, mit einer Axt erschlagen und gesagt hat, dass er sie in der Pfanne braten wird, wie eine Roulade.
Pfeifchen war Luigis zahme Ratte, ein ganz liebes pfiffiges Tierchen und auch meine Freundin.
Luigi war mein geliebter Freund und ist der Vater meiner Zwillinge.
Ich weiß es, weil ich vor unserer Liebe drei Wochen krank gewesen bin und keinen anderen an mich ran gelassen hatte. Er weiß es aber noch nicht.
Er war der erste Mann gewesen, der mich wie eine richtige Frau und nicht wie einen löcherigen Putzlappen behandelt hat.
Mich hat der Patrone Giovanni ja dann auch gleich wie eine Ratte vom Schiff gejagt.

Daran muss ich immer denken, wenn ich jemanden Fleisch essen sehe, und es macht mich immer ganz traurig. Wegen Pfeifchen und wegen Luigi.

Eines Tages, im letzten Monat, bevor ich volljährig war, stand auch die Vorbereitung zum Gelöbnis für die angehenden Novizinnen bevor, die später richtige Nonnen werden wollten. Die Oberin hatte alle älteren Schwestern in ihrem Offizium zusammen gerufen, um sie alle in ihre Aufgaben einzuweisen.
Es sollte auch ein Mann, ein hoher Herr vom Malteserorden. kommen, um die angehenden Novizinnen zu befragen und zu examinieren. Ich weiß nicht mehr, wie sein Name und sein Titel war. Die Oberin und die Schwestern waren aber ganz aufgeregt, vor lauter Ehrfurcht.

Damit wir nicht im Heim herumliefen und dem Hohen Herrn in die Quere kamen, nahm mich unsere Schwester Maria-Martina beiseite und sagte:
„liebe Schwester Lucrezia, ich habe eine ganz wichtige Aufgabe für dich: Du nimmst bitte heute Nachmittag nach der Vesper und dann bis zum Abendmahl alle jungen Schwestern, die nicht bei dem Gelöbnis mit dabei sein müssen, in der Bibliothek zusammen und erzählst ihnen aus dem Heiligen Buch, das du gerade zuletzt gelesen hast. Welches ist es?“
„Hildegard von Bingen“, sagte ich eifrig.
„Gut“, lächelte sie zufrieden, “ja, das ist gut.“
„Soll ich ihnen auch gleich noch erzählen, warum es besser ist, dem weltlichen Leben und den Männern zu entsagen? Ich kenne mich da aus, hatte schlimme Erfahrungen damit“, fragte ich sie.
Schwester Maria-Martina sah mir zweifelnd in mein langnasiges Sommersprossengesicht, winkte dann ab und sagte nur:
„Na, was soll das denn schon gewesen sein?
Du wirst das schon machen, Lucrezia, das weiß ich.“

Alles fing auch ganz gesittet und normal an.
Aber als wir darauf zu sprechen kamen, dass die Hildegard von Bingen schon mal vermählt gewesen war und dann allem entsagt hatte, da kamen Fragen auf.
„War sie denn nicht glücklich mit ihrem Mann?“
und
„Wie soll man denn mit einem Mann glücklich sein, wie geht denn das?“
und
„die Männer sind doch alle Schweine, habe ich gehört“
…und so weiter.
Da kam dann aber doch eine entrüstete Stimme aus dem Saal:
„Du beleidigst damit auch unseren Herrn Jesus Christus, mit dem wir ja alle nach dem Gelöbnis vermählt sein werden, wenn wir als rein genug befunden werden. Der war doch auch ein Mann!“
Gleich erhob sich Widerspruch:
„das ist doch ganz etwas Anderes! Der Herr Jesus Christus war doch kein gewöhnlicher Mann, der konnte Wunder tun. Der konnte sogar über das Wasser von einem See laufen!“
„Na und? Vielleicht können ja die anderen Männer auch Wunder tun.
Es gibt ja so viele Heilige.
Und wenn dir ein Mann ein Kind machen kann, ist das denn nicht auch ein Wunder?
Lucrezia, ich habe gehört, dass du auch schon Kinder hast.
Können Männer Wunder tun? Ich meine, solche kleinen Wunder…?“
Da wusste ich erst gar nicht, was ich sagen sollte und habe lange überlegt.

Dann habe ich ihnen von meinem Baro Xaver erzählt, der mit der Brust eiserne Ketten sprengen konnte und mit dem nackten Hintern einen langen Hufnagel aus einem Brett ziehen, (das er vorher immer über die Nacht lange in Olivenöl eingeweicht hatte, so dass man den kleinen Spalt darin nicht sehen konnte).

Und ich habe ihnen auch erzählt, wie der Xaver mich das erste Mal genommen hat, dass ich dachte, er reißt mich mit seinem Knüppelding unten am Bauch auseinander, wie ein gebratenes Huhn.
Und wie es geblutet und wie höllisch es geschmerzt hat, so dass ich zwei Tage nicht richtig laufen und sitzen konnte und auch sonst nichts, auch nicht tanzen.

Nicht erzählt habe ich ihnen, wie mir seine Schwester, die Hannah, am dritten Tag eine saftige Watschen gegeben und gesagt hat, dass ich mich nicht so zieren soll, wenn der Xaver mir schon die große Ehre antut.
Es ging ja hier um Männer und nicht um Weibsbilder.
Und die Männer wollte ich ihnen ja ausreden.

Von meinem Luigi habe ich ihnen nichts erzählt, weil das ja kein Mann wie die anderen Mannsbilder war und mein heiliges Geheimnis. Der Luigi war für immer ein Teil von mir und entblößen wollte ich mich hier ja nicht.

Dann ist auf einmal die Frau Oberin mit dem Hohen Ordensherren hereingekommen, weil sie ein Buch aus der Bibliothek holen wollten.
Und die Mädels haben dem Hohen Herrn alle ganz gespannt vorne und hinten auf die Mitte seiner Soutane gestarrt, weil sie herauskriegen wollten, wie so ein Knüppelding aussieht und ob der Hohe Herr vielleicht auch einen dicken Nagel mit dem Hintern irgendwo herausziehen könnte.

Das muss er wohl gemerkt haben und die Frau Oberin auch.
Das Novizinnen-Gelöbnis wurde um ein Jahr verschoben.
Der Hohe Herr ist sofort abgereist
Sie haben dann das Heim für drei Wochen für die Öffentlichkeit gesperrt und alle Mädels wurden vernommen. Mich haben sie vorzeitig als volljährig entlassen.
Als ich am letzten Tag am Offizium vorbei ging, hörte ich die Oberin und die älteren Schwestern laut kichern.
Das war aber wirklich die einzige Katastrophe, die ich im Heim ausgelöst habe.
Leider aber nicht die Letzte.
volatile
*******aum Frau
16.590 Beiträge
Na dann hier nochmal:
Herrschaftszeiten, wo nimmst Du das alles her?

Ich mag Deine Erzählerin. Sie rührt mich an. Sie ist naiv und weise zugleich. Eine sehr gut, sehr dreidimensional gezeichnete Figur und Du bist sehr konsequent mit der Art, wie Du sie erzählen lässt.
Danke
*****_nw Mann
505 Beiträge
Lucrezia sitzt blass, müde und abgehärmt auf einem einfachen Stuhl vor einem kahlen Tisch und erzählt mit monotoner Stimme von ihrem Leben. Ab und an zieht die Kamera auf zu einer Großaufnahme ihrer Hände, die Fingernägel kurz geschnitten, die Nagelhaut eingerissen, abgekaut, an manchen Stellen ist eingetrocknetes Blut zu sehen.

Sie macht keine Gesten mit ihren Händen, sondern reibt sie verlegen aneinander, während sie spricht. Drei-, viermal ist eine Überblendung wahrnehmbar. Ob Lucrezia sich in dieser Zeit nur geräuspert hat oder eine Träne wegwischen musste - wir können es nicht erraten, denn sie sagt nicht alles. Wir möchten sie in den Arm nehmen und schicken sie doch zurück.


Selten hat eine Geschichte so intensiv visuell auf mich gewirkt, obwohl doch eigentlich nichts zu sehen ist. Gefühlskino in Perfektion.
**********Engel Frau
25.832 Beiträge
Gruppen-Mod 
Ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen.
Eine Geschichte, die ich in einem Rutsch durchgelesen und die Bilder wie einen Film dabei vor meinem inneren Auge sah.
Und ich kam auch bereits nach wenigen Zeilen darauf, dass ich ja schon von Dir die andere Geschichte gelesen hatte, worin alles anfing und kam sofort wieder rein.

Wundervoll erzählt!
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Obwohl ich oft ...
... schmunzeln muss, erfasse ich den tragischen Hintergrund und den eigentlichen Tiefgang der Geschichte ...

Du schreibst wie ein Kind, das unwissend über das was es damit auslöst mit einer unverblümten Offenheit aggiert!

Ich hoffe, es ist alles nur erfunden ... doch auch dann lässt es mich nachdenklich werden!

Außergewöhnlicher, interessanter Schreibstil!
Grillenfrühstück
Gleich nach meiner ersten Nacht mit Luigi, in der ich erfahren und gefühlt hatte, dass ich kein löcheriges Schneuztuch für rabiate Mannsbilder mit Unterleibsschnupfen, sondern eine richtige Frau bin, ging über dem Bodensee die Sonne auf, grad so, als wäre jetzt auch die Sonne meine Freundin und als wollte sie mir zeigen: „Daumen hoch, Luise-Maria, ich freue mich ja so mit dir!“.
Es war der letzte Tag im Mai.

Luigi war irgendwann nach Mitternacht eingeschlafen, aber ich hatte noch lange wach gelegen, ihn vorsichtig in den Haaren gekrault und konnte lange keinen Schlaf finden.

Sein Kopf hat an meiner linken Brust gelegen und manchmal hat er mit der Zunge nach dem Zipfel gesucht, wie die kleinen Geißlein bei ihrer Mutter, der Ziege vom Johann.
Immer wieder ist mir so eine Welle von Gefühl vom Bauch herauf gekrochen gekommen, dass ich heulen musste.
Aber es war kein Weinen aus Kummer oder Schmerz, sondern vor Glück.

Manchmal hat es auch richtig geschmerzt, aber dann nicht ganz so schön, wie in dem Moment, wo mir, mit Luigi im Bauch, die große zirpende Grille darin verrückt geworden war und ihr Lippenmund den Wurm vom Luigi mit Stumpf und Stiel hatte verschlingen wollen.
Meiner Grille war ja lange vorher schon das Wasser im Mund zusammen gelaufen.

Auch meine Beine sind diesmal ruhig geblieben und haben nicht gezittert und gezuckt, als würden sie gleich den Veitstanz kriegen. Und so laut hecheln und schreien habe ich auch nicht müssen, sonst hätte ich ja den Luigi geweckt.

Erst ganz spät in der Nacht bin ich dann endlich eingeschlafen und so war der Luigi schon aufgestanden, als ich noch fest geschlafen hatte.
Da hat auf einmal das Schiff geschwankt und gewackelt und draußen hat es einen lauten Platscher im Wasser gegeben. Davon bin ich aufgewacht.
Ich fand mich aber gar nicht in meiner alten Rattenhöhle im Bug wieder, sondern in einer richtigen Kajüte und sogar in einem richtigen Bett.

Zuerst habe ich mich gewundert, aber dann ist mir wieder eingefallen, dass ja der Luigi mich gestern in der Nacht an seinen Bauch gepresst und im Schiff herumgetragen hatte.
Meine Beine hatte ich um seinen Hintern geschlungen und gehalten hatten mich seine Hände unter meinen Backen und auch der Zapfen, der in mir drin gesteckt hat.
Irgendwo angestoßen sind wir wohl auch, denn an meinem Kopf fühlte ich jetzt eine schmerzende Beule. Letzte Nacht habe ich aber nichts davon gemerkt.

Ein Bad nehmen, im kühlen Bodensee?
Ich schlug die Decke zurück und strich mir mit der Hand über den Bauch bis unten zu den Beinen. Die blonden Löckchen an meinem Grillennest waren steif und verkrustet wie eine Wurzelbürste. Das kannte ich zwar schon von früher, aber diesmal war es anders.
Diesmal hat es mich nicht geekelt, so wie früher.
Vom Luigi würde ich mir immer wieder gerne eine Wurzelbürste machen lassen.
Alles würde ich mir von ihm machen lassen.

Aber ein Bad hatte ich schon nötig.
Was zum Anziehen auch, doch davon war weit und breit nichts in Sicht.
Mein Kleid und meine Schlüpfer hingen vorn im Rattennest. Aber die waren so schmutzig, dass ich sie nicht anziehen wollte.
Einen BH hatte ich nicht mehr, weil der Xaver mir den weggenommen und zerrissen hatte, als ich ihn mir einmal zum Tanzen partout nicht ausziehen wollte.
Ich hatte mich so geniert, mit meinen nackten Brüstchen vor den Leuten herum zu tanzen.
Meine Brüste waren nämlich inzwischen schon so groß geworden, dass sie beim Tanzen auf und nieder gehüpft sind.
Dem Xaver, dem Johann und den Leuten hat es zwar gefallen, aber mir war das gar nicht mehr so geheuer.

Kurz entschlossen ging ich eben so nackig wie ich war aus der Tür der Kajüte zu der Treppe, die mir bei Tageslicht noch kleiner vorkam, als am Abend vorher und spähte vorsichtig über den Rand der Luke. Alles war ganz ruhig, Keiner zu sehen weit und breit, außer Luigi, der im Wasser des Bootshafens herum schwamm. Da fasste ich Mut, ging zur Reling, was das Geländer von dem Schiff war und ließ mich zwischen zwei Schiffsrümpfen langsam und vorsichtig an einem Tau ins Wasser gleiten.
Huch! War das aber kalt!
Schnell ein paar Schwimmzüge hin zu Luigi und schon wurde es auch angenehm und erfrischend.
„Guten Morgen Prinzessin!“ rief er erfreut und lachte.

Prinzessin? Mir war auf einmal gar nicht mehr zum Lachen zumute.

Luigi hatte mein Gesicht noch nie bei hellem Tageslicht gesehen!
Es traf mich gleich, wie eine harte Watschen vom Xaver,
wie ein eiskalter Guss auf den Kopf, mitten ins Gesicht.
Auch die Sonne, die eben noch schien, hatte sich mit einer Wolke bedeckt.
Ich weiß ja, wie ich aussehe.
Der Johann hatte mich immer mit einer seiner Ziegen verglichen, der Marta.
Schmales Gesicht mit langer Nase.
Viele Sommersprossen um die großen blaugrauen Augen und oft auch einen harten Zug um den Mund mit den schmalen Lippen.
Ich konnte dem Druck der Selbstzweifel nicht mehr standhalten.
Ich kehrte um und schwamm zurück zum Schiff.
‚Aus!’ dachte ich.
Ich setzte mich auf eine Stufe der Treppe und das Wasser schoss mir gleich in die Augen.
In meinem Bauch wuchs ein eiskalter Dornenbusch heran, der auch bald meine Brust, meinen Hals und meine Kopfhaut überwucherte, wie die Dornenhecke am Dornröschenschloss.
Die Enttäuschung in seinen, Luigis Augen hätte ich jetzt nicht ertragen können.
Jetzt nicht! Um gar keinen Preis. Unter mir brach die Welt zusammen.
Ich wollte nur noch ganz schnell hier weg.

„Luise!“ rief Luigi und kam ebenfalls zum Schiff geschwommen.
„Luise, was hast du denn auf einmal,
Es war doch alles so schön mit uns beiden. Es IST so schön.
Schau doch mal, die Sonne! Es ist doch alles ganz wunderbar!“

Aber ich zog meinen Kopf tief zwischen meine Unterarme und hielt meine Hände mit verschränkten Fingern über den Kopf.
„Ja, es war sehr schön, Luigi. Alles war schön mit dir.
Ich bin aber nicht schön.
Schau mich lieber nicht an, Luigi, dann behältst du mich wenigstens in guter Erinnerung.“

„Erinnerung? Aber es hat doch gerade erst angefangen mit uns, Luise…“
Er strich mir über das Haar und die Schultern, ließ seine Hände über meinen Hals gleiten und spielte mit meinen Ohrläppchen.
„Ich kann nichts finden an dir, was nicht schön wäre, Luise.
Und seit heute Nacht weiß ich auch, dass du ein richtiger Schatz bist, ein Teil von mir, das ich nie wieder hergeben möchte.“

Ich fühlte, dass ich das nicht mehr lange aushalten würde.
In mir brannte der Dornbusch wie das Fegefeuer, aber mit eiskalten Flammen.
Es war höllisch.
Ich drehte mich zu ihm um und strich mir mit beiden Händen die Haare nach hinten.
Kurz und schmerzlos, schnell und endgültig sollte es sein.

„Da! Dann schau dir eben DAS an!“

Ich hielt die Augen geschlossen, damit ich das Entsetzen in seinem Gesicht nicht sehen musste. Es würde sich sonst wie ein Kainsmal in meinen Kopf einbrennen, fürchtete ich.
Nichts passierte. Absolut nichts.
Keiner sagte etwas.
Dann spürte ich auf einmal seine Nase an meiner Nase und seine Lippen auf meinem Mund.
Er gab mir einen langen Kuss und hatte meinen Kopf in seinen Händen.

„Ach, Luise. Was soll denn das? Ich habe dich doch heute am Morgen, als die Sonne schien, schon ganz lange angesehen, als du noch geschlafen hast. Und da musste ich gleich an das Bild denken, das bei meiner Mama im Wohnzimmer an der Wand hängt. Da ist nämlich die Duchessa Giulia de la Toskana drauf, bei der ihr seliger Großvater früher mal als Gärtner in Diensten war. Sie hat immer zu mir gesagt: „Schau Luigi, so sieht eine ganz edle Dame aus.
Solche edlen langen geraden Nasen haben nämlich nur die Leute, die noch von den alten Griechen und Römern abstammen. Daran kann man bei ihnen gleich erkennen, dass sie vom gutem alten Adel sind.“ Und ich habe dich angesehen, mir deine lustigen Sommersprossen weggedacht und habe mir überlegt, ob du vielleicht auch vom…“

„Luigi, hör auf!“ hatte ich gerade noch hauchen können, dann fiel ich in Ohnmacht.

Als ich im Bett wieder aufgewacht bin, wohin er mich wohl getragen hatte, da bin ich ihm gleich um den Hals gefallen, habe mich fest an ihn gepresst, als ob mich gleich das böse Untier fressen wollte und konnte mit Heulen gar nicht mehr aufhören.

Das war so schön, dass wir gleich noch einmal meine Grille gefüttert haben.
Das Pfeifchen hat ja immer noch satt in auf seinem Kissen geschlafen und nichts mitgekriegt.
Damit wir aber gar nicht erst wieder eine Wurzelbürste kriegten, sind wir dann noch einmal zusammen Schwimmen gegangen.
Auch die Sonne war wieder da und alle Wolken waren verschwunden.
Danach hat Luigi mit mir zusammen ein schönes Frühstück zubereitet und wir haben uns angesehen, gelacht, und der Luigi hat gesagt:
„Luise, in deinen großen Augen spiegelt sich die ganze Welt.
Auch die Sonne kann man jetzt darin sehen.“
zum
Dahinschmelzen schön!

*anbet*laf
*******ose Frau
793 Beiträge
schluck...
*roseschenk*
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
unglaublich ...
berührend! *liebguck*

Das ist so emotional ...

... ich hab jetzt echt Pipi in den Augen! *heul2*
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