Grillenfrühstück
Gleich nach meiner ersten Nacht mit Luigi, in der ich erfahren und gefühlt hatte, dass ich kein löcheriges Schneuztuch für rabiate Mannsbilder mit Unterleibsschnupfen, sondern eine richtige Frau bin, ging über dem Bodensee die Sonne auf, grad so, als wäre jetzt auch die Sonne meine Freundin und als wollte sie mir zeigen: „Daumen hoch, Luise-Maria, ich freue mich ja so mit dir!“.Es war der letzte Tag im Mai.
Luigi war irgendwann nach Mitternacht eingeschlafen, aber ich hatte noch lange wach gelegen, ihn vorsichtig in den Haaren gekrault und konnte lange keinen Schlaf finden.
Sein Kopf hat an meiner linken Brust gelegen und manchmal hat er mit der Zunge nach dem Zipfel gesucht, wie die kleinen Geißlein bei ihrer Mutter, der Ziege vom Johann.
Immer wieder ist mir so eine Welle von Gefühl vom Bauch herauf gekrochen gekommen, dass ich heulen musste.
Aber es war kein Weinen aus Kummer oder Schmerz, sondern vor Glück.
Manchmal hat es auch richtig geschmerzt, aber dann nicht ganz so schön, wie in dem Moment, wo mir, mit Luigi im Bauch, die große zirpende Grille darin verrückt geworden war und ihr Lippenmund den Wurm vom Luigi mit Stumpf und Stiel hatte verschlingen wollen.
Meiner Grille war ja lange vorher schon das Wasser im Mund zusammen gelaufen.
Auch meine Beine sind diesmal ruhig geblieben und haben nicht gezittert und gezuckt, als würden sie gleich den Veitstanz kriegen. Und so laut hecheln und schreien habe ich auch nicht müssen, sonst hätte ich ja den Luigi geweckt.
Erst ganz spät in der Nacht bin ich dann endlich eingeschlafen und so war der Luigi schon aufgestanden, als ich noch fest geschlafen hatte.
Da hat auf einmal das Schiff geschwankt und gewackelt und draußen hat es einen lauten Platscher im Wasser gegeben. Davon bin ich aufgewacht.
Ich fand mich aber gar nicht in meiner alten Rattenhöhle im Bug wieder, sondern in einer richtigen Kajüte und sogar in einem richtigen Bett.
Zuerst habe ich mich gewundert, aber dann ist mir wieder eingefallen, dass ja der Luigi mich gestern in der Nacht an seinen Bauch gepresst und im Schiff herumgetragen hatte.
Meine Beine hatte ich um seinen Hintern geschlungen und gehalten hatten mich seine Hände unter meinen Backen und auch der Zapfen, der in mir drin gesteckt hat.
Irgendwo angestoßen sind wir wohl auch, denn an meinem Kopf fühlte ich jetzt eine schmerzende Beule. Letzte Nacht habe ich aber nichts davon gemerkt.
Ein Bad nehmen, im kühlen Bodensee?
Ich schlug die Decke zurück und strich mir mit der Hand über den Bauch bis unten zu den Beinen. Die blonden Löckchen an meinem Grillennest waren steif und verkrustet wie eine Wurzelbürste. Das kannte ich zwar schon von früher, aber diesmal war es anders.
Diesmal hat es mich nicht geekelt, so wie früher.
Vom Luigi würde ich mir immer wieder gerne eine Wurzelbürste machen lassen.
Alles würde ich mir von ihm machen lassen.
Aber ein Bad hatte ich schon nötig.
Was zum Anziehen auch, doch davon war weit und breit nichts in Sicht.
Mein Kleid und meine Schlüpfer hingen vorn im Rattennest. Aber die waren so schmutzig, dass ich sie nicht anziehen wollte.
Einen BH hatte ich nicht mehr, weil der Xaver mir den weggenommen und zerrissen hatte, als ich ihn mir einmal zum Tanzen partout nicht ausziehen wollte.
Ich hatte mich so geniert, mit meinen nackten Brüstchen vor den Leuten herum zu tanzen.
Meine Brüste waren nämlich inzwischen schon so groß geworden, dass sie beim Tanzen auf und nieder gehüpft sind.
Dem Xaver, dem Johann und den Leuten hat es zwar gefallen, aber mir war das gar nicht mehr so geheuer.
Kurz entschlossen ging ich eben so nackig wie ich war aus der Tür der Kajüte zu der Treppe, die mir bei Tageslicht noch kleiner vorkam, als am Abend vorher und spähte vorsichtig über den Rand der Luke. Alles war ganz ruhig, Keiner zu sehen weit und breit, außer Luigi, der im Wasser des Bootshafens herum schwamm. Da fasste ich Mut, ging zur Reling, was das Geländer von dem Schiff war und ließ mich zwischen zwei Schiffsrümpfen langsam und vorsichtig an einem Tau ins Wasser gleiten.
Huch! War das aber kalt!
Schnell ein paar Schwimmzüge hin zu Luigi und schon wurde es auch angenehm und erfrischend.
„Guten Morgen Prinzessin!“ rief er erfreut und lachte.
Prinzessin? Mir war auf einmal gar nicht mehr zum Lachen zumute.
Luigi hatte mein Gesicht noch nie bei hellem Tageslicht gesehen!
Es traf mich gleich, wie eine harte Watschen vom Xaver,
wie ein eiskalter Guss auf den Kopf, mitten ins Gesicht.
Auch die Sonne, die eben noch schien, hatte sich mit einer Wolke bedeckt.
Ich weiß ja, wie ich aussehe.
Der Johann hatte mich immer mit einer seiner Ziegen verglichen, der Marta.
Schmales Gesicht mit langer Nase.
Viele Sommersprossen um die großen blaugrauen Augen und oft auch einen harten Zug um den Mund mit den schmalen Lippen.
Ich konnte dem Druck der Selbstzweifel nicht mehr standhalten.
Ich kehrte um und schwamm zurück zum Schiff.
‚Aus!’ dachte ich.
Ich setzte mich auf eine Stufe der Treppe und das Wasser schoss mir gleich in die Augen.
In meinem Bauch wuchs ein eiskalter Dornenbusch heran, der auch bald meine Brust, meinen Hals und meine Kopfhaut überwucherte, wie die Dornenhecke am Dornröschenschloss.
Die Enttäuschung in seinen, Luigis Augen hätte ich jetzt nicht ertragen können.
Jetzt nicht! Um gar keinen Preis. Unter mir brach die Welt zusammen.
Ich wollte nur noch ganz schnell hier weg.
„Luise!“ rief Luigi und kam ebenfalls zum Schiff geschwommen.
„Luise, was hast du denn auf einmal,
Es war doch alles so schön mit uns beiden. Es IST so schön.
Schau doch mal, die Sonne! Es ist doch alles ganz wunderbar!“
Aber ich zog meinen Kopf tief zwischen meine Unterarme und hielt meine Hände mit verschränkten Fingern über den Kopf.
„Ja, es war sehr schön, Luigi. Alles war schön mit dir.
Ich bin aber nicht schön.
Schau mich lieber nicht an, Luigi, dann behältst du mich wenigstens in guter Erinnerung.“
„Erinnerung? Aber es hat doch gerade erst angefangen mit uns, Luise…“
Er strich mir über das Haar und die Schultern, ließ seine Hände über meinen Hals gleiten und spielte mit meinen Ohrläppchen.
„Ich kann nichts finden an dir, was nicht schön wäre, Luise.
Und seit heute Nacht weiß ich auch, dass du ein richtiger Schatz bist, ein Teil von mir, das ich nie wieder hergeben möchte.“
Ich fühlte, dass ich das nicht mehr lange aushalten würde.
In mir brannte der Dornbusch wie das Fegefeuer, aber mit eiskalten Flammen.
Es war höllisch.
Ich drehte mich zu ihm um und strich mir mit beiden Händen die Haare nach hinten.
Kurz und schmerzlos, schnell und endgültig sollte es sein.
„Da! Dann schau dir eben DAS an!“
Ich hielt die Augen geschlossen, damit ich das Entsetzen in seinem Gesicht nicht sehen musste. Es würde sich sonst wie ein Kainsmal in meinen Kopf einbrennen, fürchtete ich.
Nichts passierte. Absolut nichts.
Keiner sagte etwas.
Dann spürte ich auf einmal seine Nase an meiner Nase und seine Lippen auf meinem Mund.
Er gab mir einen langen Kuss und hatte meinen Kopf in seinen Händen.
„Ach, Luise. Was soll denn das? Ich habe dich doch heute am Morgen, als die Sonne schien, schon ganz lange angesehen, als du noch geschlafen hast. Und da musste ich gleich an das Bild denken, das bei meiner Mama im Wohnzimmer an der Wand hängt. Da ist nämlich die Duchessa Giulia de la Toskana drauf, bei der ihr seliger Großvater früher mal als Gärtner in Diensten war. Sie hat immer zu mir gesagt: „Schau Luigi, so sieht eine ganz edle Dame aus.
Solche edlen langen geraden Nasen haben nämlich nur die Leute, die noch von den alten Griechen und Römern abstammen. Daran kann man bei ihnen gleich erkennen, dass sie vom gutem alten Adel sind.“ Und ich habe dich angesehen, mir deine lustigen Sommersprossen weggedacht und habe mir überlegt, ob du vielleicht auch vom…“
„Luigi, hör auf!“ hatte ich gerade noch hauchen können, dann fiel ich in Ohnmacht.
Als ich im Bett wieder aufgewacht bin, wohin er mich wohl getragen hatte, da bin ich ihm gleich um den Hals gefallen, habe mich fest an ihn gepresst, als ob mich gleich das böse Untier fressen wollte und konnte mit Heulen gar nicht mehr aufhören.
Das war so schön, dass wir gleich noch einmal meine Grille gefüttert haben.
Das Pfeifchen hat ja immer noch satt in auf seinem Kissen geschlafen und nichts mitgekriegt.
Damit wir aber gar nicht erst wieder eine Wurzelbürste kriegten, sind wir dann noch einmal zusammen Schwimmen gegangen.
Auch die Sonne war wieder da und alle Wolken waren verschwunden.
Danach hat Luigi mit mir zusammen ein schönes Frühstück zubereitet und wir haben uns angesehen, gelacht, und der Luigi hat gesagt:
„Luise, in deinen großen Augen spiegelt sich die ganze Welt.
Auch die Sonne kann man jetzt darin sehen.“