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eine vermessene Dame

eine vermessene Dame
Als Luigi und ich nach dem Frühstück noch am Schwimmen und Herumalbern waren, im Bodensee bei der Lindau-Insel, bei strahlender Morgensonne, da sahen wir auf einmal auf der Inselbrücke, vom Park her, und auch auf einigen der Schiffe im Hafen, dass da Leute waren. Da erschraken wir ganz heftig, besonders der Luigi, weil der ja so streng und anständig erzogen worden war, von seiner Mama.

Wir hatten doch alle beide gar nichts an. Wir waren so nackt wie der Adam und die Eva im Paradies. Und nirgendwo schwamm ein Feigenblatt herum.
Schnell flüchteten wir zwischen unsere Libera und das Zweirumpfschiff daneben.
Luigi hatte seine Badehose noch vom ersten Schwimmen her an der Reling hängen lassen, sprang danach, zog sie sich an und wollte dann gleich mich auch aus dem Wasser ziehen.

Da kam aber auf dem Zweirumpfschiff, dem Katamaran neben uns, gerade ein Mann mit einem Eimer von unten her, aus dem Niedergang, auf die Reling zu.
Ich hatte schon vom Luigi das Seil zugeworfen bekommen, aber daran hochziehen konnte ich mich jetzt nicht, sonst hätte sich ja der Mann gewundert, dass am hellen Tage neben der Sonne auch noch der Vollmond aufgeht.
Und der Vollmond hätte dann auch noch in der Mitte einen Spalt mit zwei Vulkankratern darin gehabt.

Das ging also nicht mehr.
Da habe ich tief Luft geholt und bin unter dem Schiff vom Luigi hindurchgetaucht, auf die andere Seite.
Wenn der Mann auf dem Katamaran das noch gesehen hat, dann hat er bestimmt gedacht, es wäre ein kleiner rosa Walfisch da gerade abgetaucht.

Die Libera vom Luigi hatte wenig Tiefgang, dafür aber ein einziehbares, sogenanntes Kielschwert, das immer in einen schmalen Kasten im Schiffsrumpf hochgezogen wird, wenn die Libera im Hafen liegt.
Das nennt man dann den Schwertkasten. Das hat er mir später erklärt.

Der Schwertkasten war nämlich auch das Ding gewesen, wo ich mir in der vergangenen Nacht den Kopf angestoßen hatte, als der Luigi mich an seiner Brust durch das Schiff trug, und wo er meine Grille auf seinen Dorn aufgespießt hatte, wie ein Schmetterlingssammler seinen Zitronenfalter, oder sein Pfauenauge.
Und wie in einem Schmetterlingsnest ist es in mir drinnen dabei auch umgegangen. Das hat so gesummst und gekribbelt, dass ich nicht einmal den Kopfstoß gespürt hatte.
Aber nun genug vom Insektenleben.

Als ich an der anderen Seite wieder hoch kam, aus dem Wasser, da hat der Luigi Augen gemacht, wie ein Tintenfisch, der gerade am Hintern von einem leeren Füllfederhalter angezapft wird.
Gestaunt hat der!
Der Luigi hat ja auch nicht gewusst, dass ich früher einmal, bevor meine Mutter Zwillinge bekam, beim Turnen und beim Flossentauchen sehr aktiv gewesen bin. Lange war es her, fast schon drei Jahre.

Er hat mich gleich an der Hand nach oben an Deck gezogen und ich musste mich erst einmal auf dem Niedergang hinsetzen und nach Luft schnappen, weil ich so aus der Übung und aus der Puste war.
Die Beine hatte ich zum Abtropfen und Warmschütteln ausgebreitet.
Luigi hat vor mir auf dem Boden gesessen und immer nur auf meine nassen Oberschenkel gestarrt, weil meine Muskeln noch so angespannt waren,
dass sie fast wie zwei quadratische Balken ausgesehen haben.
Wie zwei schräge Dachbalken mit einem blondgelockten Schwalbennest oben drin im First.
Das bebende Muskelzittern hat ihn zuerst schon wirklich gefangen genommen.
Lange hat es aber nicht gedauert, bis sein Blick immer länger oben im First, in dem Schwalbennest verweilt hat.
Das fühlt man ja, als Frau.
„Ich hab nichts Anzuziehen“, habe ich bedeutungsvoll zu ihm gesagt.
Keine Antwort.
„Geld habe ich aber nicht und Einkaufen gehen kann ich SO ja nicht…“
Keine Antwort.
„Das wirst dann schon DU für mich machen müssen, Luigi…“
Keine Antwort.
„…und Schuhe brauche ich auch!“
Keine Antwort.
„…Bist du schon am Maß nehmen?“
Mir war nämlich grad so, als wollte er mit den Augen den Abstand zwischen dem länglichen rosa Piepmatz, der mir frech aus dem Schwalbennest herauslugte, und meinem Bauchnabel abschätzen.
Die Brüste hatte ich ja mit den Händen bedeckt.
„Como? Äh, was?“
„Nix was. Schau mal aus der Luke, Luigi.
Die Leute gucken schon alle her zu uns.
Bald werden sie wissen wollen, welche blonde Frau hier in der Luke ihren Kopf und ihre nackten Schultern herzeigt. Die Brüste kann ich mir ja grad noch so zuhalten, aber immer wird das auch nicht gehen, man muss sich ja auch mal irgendwo festhalten können.“

Seine Wangen, seine Stirn und sogar sein Hals tomatisierten zuerst intensiv, dann wurden sie aber bleich wie ein Rettich.
„Komm schnell rein, Luise, das darf doch keiner sehen!
Du musst dir schnell was anziehen, Luise!“
„Ein Blitzmerker bist du, Luigi. Hast du mir eben gar nicht zugehört?“
„Wie? Doch, ja, ich war nur so in Gedanken, gerade...“
„Ich weiß schon, worin du gerade warst, mit deinen Gedanken…“
Sein Antlitz tomatisierte sich ein zweites Mal.
Nun hatte er es endlich auch kapiert und wir lachten beide gemeinsam.

Meine Konfektionsgröße kannte ich nicht, weil ja meine letzten Sachen noch meine Mutter gekauft hatte. Und außerdem hatte ich mich seitdem auch körperlich erweitert.
Das alte Kleid hatte schon ziemlich vorn und hinten an mir gespannt. Zu kurz war es ja sowieso.

Ein Maßband war auch nicht zu finden, und so hat der Luigi eben mit seinen Händen an mir Maß nehmen müssen.

Vom Halsansatz bis zum Zwickel waren es dreieinhalb Hände, wenn er die Fingerspitzen nach oben gehalten hat.
Andersherum war es ein Mittelfinger weniger.
„Lass das doch jetzt, Luigi!“
Hinten herunter, vom Hals bis unter den Po waren es ungefähr vier,
grob geschätzt, so über den Daumen und vier Fingerspitzen.
Wie soll ich denn da auch still halten, wenn es mir am Steiß so kitzelt?

Zwei Hände über die Brüste, zwei halbe Hände unter den Achseln und noch einmal zwei über die Schulterblätter.
Also oben herum insgesamt fünf Hände minus einen Daumen.
Der Luigi hatte mich noch gefragt, ob er meine Brüste platt drücken solle, oder ob ich es lieber hätte, wenn sie noch Luft zum Hängen haben.

Da hätte ich ihn gleich gerne mal auf den Fuß getreten, aber er hatte gerade seine Hände um meinen Hals. Genau zwei.

Um die Hüften und den Hintern herum war es eine halbe Hand mehr als um die Brust, aber eine Daumenkuppe weniger.
Um die Taille haben drei Hände und ein Daumen gereicht.

Bei den Füßen war es einfacher, weil wir beide fast gleich große Füße hatten, nur waren meine um eine Daumenbreite kürzer, als bei ihm, und um einen kleinen Finger schmaler.
Luigi hat sich das alles auf einen kleinen Zettel geschrieben.

Als er dann mit seinem Zettel losgezogen war, da wurde ich gleich sehr nachdenklich.
‚Wie wird er das wohl machen?
Wird er alle Schlüpfer, Negligés, BHs und Kleider jetzt mit seinen Händen abgreifen, bis er was Passendes findet, oder wird er vielleicht die Verkäuferinnen mit seinen Händen ausmessen, bis er die Richtige findet? Die werden meinen Luigi verschlingen, wenn sie ihn lächeln sehen, mit seinen Grübchen!’

Ich habe die ganze Zeit zwischen Lachen, Angst und Eifersucht geschwankt.
Dann ist mir aber eingefallen, dass er ja auch Schuhe kaufen wollte und da habe ich davon geträumt, wie die Schuhe aussehen könnten, an meinen Füßen und ich bin auch gleich wie auf Wolkenschäfchen geschwebt.
‚Vielleicht bringt er ja auch gleich zwei Paar Schäfchen, äh, Schuhe mit, oder drei, oder vier, oder…’
Darüber bin ich dann eingeschlafen, weil ja auch die Nacht so kurz gewesen war.

Als er endlich wiederkam, da stand die Sonne schon weit im Süden, über Innsbruck und es war richtig heiß. Luigi hat auch ganz schön geschwitzt mit seinen Paketen.

„Was bringst du denn da alles angeschleppt, Luigi? Sind das etwa alles Schuhe?“

„Nein, nein, lasse dich doch einfach mal überraschen, Luise.“

Aber Eines wollte ich doch gleich genau wissen: „Wie hast du es gemacht, Luigi?“
Er hat mir erzählt, dass er zuerst einmal in der Einkaufspassage die preiswertesten Geschäfte gesucht hatte.
„Ooch!“
Dann hatte er Ausschau gehalten, nach einem Mädchen oder jungen Frau, die ungefähr meine Größe und Figur hatte.
„Luigi! War sie sehr schön, Luigi, viel schöner als…, äh…, hatte sie auch eine römische Nase?“

„Nein, Luise, da kannst du ganz beruhigt sein, sie hatte eine Stupsnase.“

„Stupsnasen sind aber sehr schön und niedlich, stimmts, Luigi?“

„Mag sein, aber sie hatte noch etwas, was du ja auch hast…“

Da gingen aber bei mir sofort heftig die Alarmglocken an!
Ich schaute an mir hinunter, von den Brüsten, über den Bauch, die Hüften, das Grillennest, die Knie, bis hinab zu den Füßen.

„Was? Sag es mir sofort, Luigi! Was hatte sie, was ich auch so habe?“

„Sie hatte einen festen Freund, einen Mann, genau wie du jetzt.
Es war ein junges Paar.
Ich habe die beiden angesprochen und ihnen erzählt, dass ich meine Schwester ganz neu einkleiden will, die nach langer Krankheit wieder genesen ist, aber noch im Bett bleiben muss.
Sie haben mir gerne geholfen und sie hatten auch viel Spaß dabei.
Besonders ihr Freund.
Der musste nämlich bei ihr die Maße vergleichen und prüfen, von meinem Zettel her.“

Wenn dieser Stein, der mir da vom Herzen plumpste, jetzt von oben her das Schiff getroffen hätte, dann läge es jetzt zertrümmert auf dem Grund vom Bodensee.
So aber hat es nur Luigi getroffen in Gestalt meiner stürmischen Umarmung und warf uns auf das Bett.
„Ach Luigi! Ja, ich habe jetzt dich und das ist gut. Aber ich hatte doch solche Angst um dich!“ ‚und um mich’, dachte ich mir noch im Stillen. Dann setzte ich mich beruhigt auf das Bett, in welchem ich als „Schwester“ jetzt eigentlich hätte liegen müssen.
‚Schwester? Hihi! Da weiß ich was Besseres.’

Endlich kam auch die große Bescherung. Ich war ja so was von gespannt.
Und gleich wurden auch meine Augen immer größer, obwohl das fast gar nicht mehr ging, weil sie ja eh schon so groß sind.
Was er nicht alles für mich hatte:

Ein zartblaues Negligé! Wo zartblau doch so schön zu meinen blonden Haaren passte!
Das hatte sogar oben und unten weiße Spitzen! Und dazu zwei gleichfarbige Höschen, auch mit Spitzen. Die Stupsnasige hatte einen guten Geschmack.
Ein schulterfreies himmelblaues Kleid mit kleinen, weißen und roten Pailletten unter dem Ausschnitt und mit weißen Puffärmeln, wie es gerade in Mode war. Herrlich!
Einen weißen BH mit Spaghettiträgern und gefütterten Cups mit Schnellverschluss.
4 Packungen verschiedenfarbige Strumpfhosen und auch noch eine Packung Einlagen. „Nanu? War das deine Idee, Luigi?“
„Nein, ihre. Sie hat mich gefragt, in welcher Woche du bist. Das wusste ich nicht.
Da hat sie gesagt: „Schaden kann es ja nicht.“
Na ja, da hast du es eben immer schön warm am Hintern…“
Ich hielt mir schnell die Hand vor den Mund. Aber losprusten musste ich doch.

„Und Schuhe?“

„Ja, gleich. Hier sind sie. Sehr gut und sehr praktisch.“
Mir klappte doch gleich der Unterkiefer runter und die Gesichtszüge blieben im Tunnel stehen.
Kein Licht am Ende desselben.
„Waas? Diese Latschen sollen Schuhe sein?“
„Aber natürlich. Das sind Bordschuhe, die wirst du hier bald brauchen. Wenn das Schiff schwankt oder schräg im Wasser liegt, dann findest du damit Halt. Sieh mal, die haben ein Moosgummiprofil, damit haftest du sogar auf einem Nassen Deck. Aber ich weiß schon, was du meinst. Hier sind auch noch ein Paar andere, für das Land.“

Da waren sie! Zwei wunderschöne altrosa Pumps mit hellblau unterlegten Durchbrüchen und schwarzen Riemchen. Genau die, wovon ich geträumt hatte!
Hellblau und Altrosa sind nämlich meine Lieblingsfarben.
Luigi musste schon wieder eine nackte Nymphen-Umarmung über sich ergehen lassen, aber es war die Letzte, dann probierte ich die Sachen an und sie passten mir wie angegossen.
Ich war so was von selig.

Doch da lagen immer noch zwei ungeöffnete Einkaufstüten auf dem Bett.
Und Luigi machte ein Gesicht, als hätte er mir gleich mein Todesurteil zu verkünden.
Als wäre das nicht schon genug, hielt er auch noch eine Schere in der Hand…
„Was ist denn da drin, Luigi? Warum guckst du so seltsam? Was willst du um Himmelswillen jetzt mit der Schere?“

„Luise,…“ Luigi sah erst mich flehend an, dann zur Decke und dann wieder zu mir.
Es ist wegen…, wegen der Mannschaft und wegen der Regatta…“
„Ja, und? Ich gehe einfach an Land und warte, bis zu zurückkommst.“
„Das geht nicht. Ich komme nicht zurück. Ich muss in Überlingen wieder herunter vom Schiff. Das ist fast am anderen Ende des Bodensees. Dort wohnt ein Verwandter von mir, bei dem ich für die nächsten vier Jahre wohnen soll. Dort kann ich dir dann vielleicht auch eine Anstellung verschaffen, bis wir beide volljährig sind und heiraten können.“

„Luigi! So lange hast du schon voraus gedacht? Und ich habe geglaubt, dass du…“
„Was hast du geglaubt, Luise?“
„Ach nein, Luigi. Es ist gut. Alles ist gut. Ich will jetzt gar nicht mehr daran denken, sonst falle ich gleich wieder in Ohnmacht. Was ist in den Tüten? sag es schon.“

Wortlos legte Luigi die Sachen aus der Tüte aufs Bett:
Eine weite lange dunkelblaue Männerhose, ein blauweiß gestreiftes Trikot, eine Ballonmütze, eine orangefarbene Windjacke, Socken, und…
…und eine breite altrosa Rheumabinde.
„Für die Brüste“, sagte er.
„Und die Schere?“
„Für die langen Haare. Die müssen wir stutzen.“
„Neiiiin!“
„Aber die Mannschaft, die mein Onkel angeheuert hat, kommt doch schon heute am späten Nachmittag mit dem Zug hier an. Die Regatta beginnt dann morgen, bei Sonnenuntergang.“
„Was, in der Nacht?“
„Ja, weil dann mehr Wind ist und weil dann der Bodensee frei ist von Fähren, Sportbooten und Ausflugsschiffen.“

„Später Luigi, später. Bitte, ich werde über alles das nachdenken, versprochen.
Aber jetzt will ich nur noch Eins:
Mit dir zusammen durch den Park gehen, mit meinen Haaren und mit meinen neuen schönen Sachen und mit meinen schönen neuen Schuhen. Danke, Luigi!
Einem Polizisten ganz einfach so sagen, dass er gut auf mich aufpassen soll,
hihi, wo ich doch gar keine Papiere habe, und gar keine richtige Bürgerin bin...,
zum ersten Mal in meinem Leben einen Einkaufsbummel machen, mit dir.
Ich brauche doch auch noch eine Handtasche, einen Kamm, einen Lippenstift, Haarspangen…, ein kleiner Ring oder ein Kettchen wären schon, vielleicht auch beides…, Ach Luigi! Wenn wir erst zusammen verheiratet sein werden, dann wirst du aber staunen!“
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