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Quatsch mich ins Glück

Quatsch mich ins Glück
Henriette war ein wenig nervös. Sie hatte ihre beste Freundin Laura seit drei Monaten nicht gesehen – genauso lange, wie sie mit Herbert zusammen war. Nun würde sie gleich mit ihr bei Kaffee und Kuchen sitzen und ausführlich erzählen müssen.
Sie hatte ihr ein paar mails geschickt, in denen sie von ihrem neuen Freund erzählt hatte, und auf Drängen Lauras auch drei Fotos, auf denen sie mit ihm zu sehen war. Laura hatte nicht viel dazu geschrieben, nur dass sie sich freue, dass Henriette wieder in einer Beziehung war. So richtig begeistert hatte das nicht geklungen.
Seit zwei Jahrzehnten gingen Laura und Henriette miteinander durch dick und dünn: sie machten sich Mut für neue berufliche Projekte, freuten sich am Erfolg der anderen, stellten sich ihr Männer vor, analysierten ihre Vorzüge und Nachteile, trösteten sich, wenn es schwierig wurde, und halfen sich durch jeden Trennungsschmerz.
Das Urteil der einen war immer wichtig für die Sichtweise der anderen.
Nun fürchtete Henriette das Urteil Lauras über Herbert.
Henriette lief zur U-Bahn und suchte dabei Argumente.
Wie sollte sie ihn beschreiben, was von ihm erzählen, damit Laura verstehen würde, warum Henriette mit Herbert zusammen war?
Auf den ersten Blick sprach nicht all zu viel für Herbert, und manches sogar gegen ihn.
Er entsprach nicht dem Bild ihres Traummanns: weder groß, noch schön, noch Sixpack bestückt. Doch dafür war er real, ahnsehnlich genug und hatte Geschmack.
Gegen ihn sprach, dass er schon zweimal verheiratet war; mit seinen beiden erwachsenen Kindern hatte er ein gutes Verhältnis. Für Henriette war das ok, aber wie würde Laura das sehen?
Er war ein toller Liebhaber – ein wichtiger Punkt; doch hatten sich auch die tollsten Hengste schon als absolute Beziehungsnieten erwiesen; das würde Laura sofort dagegen halten.
Herbert liebte seinen Job; der machte ihn nicht reich, aber versorgte ihn gut. Er war oft unterwegs, nahm sich aber immer Zeit für Henriette, wenn es in ihren Terminplan passte. Er konnte gut reden, vor allem über seine Gefühle für Henriette. Sie fühlte sich geliebt.
So wichtig dieser Punkt auch war, Laura würde gewohnt rational argumentieren, dass Gefühle vergänglich und subjektiv waren.
Henriette musste aussteigen und fuhr die Rolltreppe hoch.
Was faszinierte sie am meisten an Herbert? Sie lief über den Platz zum Cafè.
Wenn sie an Herbert dachte, sah sie sein lachendes Gesicht. Und musste selbst lächeln. Schnell ging sie durch die Drehtür und sah ihre Freundin am Fenster sitzen.
„Ich weiß es“, sagte sie und küsste Laura auf die Wangen, „ ich weiß es genau, warum ich ihn liebe und mit ihm zusammen sein will.“ Sie ließ sich auf den freien Platz neben Laura sinken.
Laura sah sie erstaunt an: „Schön, dich zu sehen – na, dann schieß mal los!“
„Herbert ist immer positiv. Nicht so ein oberflächlicher Gute-Laune-Typ, mit dem man kein ernstes Wort reden kann. Nein, er sieht durchaus die Schwierigkeiten des Lebens, und kann auch traurig oder sogar ängstlich sein. Aber er ist so selbstsicher, so klug und erfahren, dass er immer eine Lösung sieht. Du kennst mich ja...“
Henriette hielt kurz inne, als der Ober zwei Gläser Prosecco auf den Tisch stellte, „ich kann mich in meine Sorgen richtig einarbeiten und bei Stress nur schwer abschalten – und da bedient Herbert genau die richtigen Knöpfe. Er zerlegt mir mein Thema in kleine, verdauliche Brocken, er baut mich auf, in dem er mir sagt, was ich alles kann und wie wunderbar und stark ich bin – er schickt mich auf eine Leiter, auf der ich aus meinem Elend steigen kann. Und wenn ich dann oben bin, und lachen muss, weil alles so leicht erscheint, was eben noch bleischwer auf mir lastete, dann lacht er mit mir. Er bringt mich zum Lachen und das Leben ist leicht mit ihm – dafür liebe ich ihn am meisten.“
Laura nahm ein Glas und hielt es hoch.
„So eine Liebeserklärung habe ich noch nie von dir gehört – lass uns darauf trinken und hoffen, dass das noch lange so bleibt!“

©tangocleo 2011
sehr schön
Diese nette kleine Anekdote hat einen hohen Wiedererkennungwert für mich - obwohl ich mir nie einen Mann, in den ich verliebt war, habe ausreden lassen von den es gut meinenden Freundinnen, musste ich hinterher oft feststellen, dass sie Recht hatten und ich ne rosa Brille trug.

Während es aber sehr hilft, sich über seine eigenen Gefühle klar zu werden, wenn man den Neuen verteidigen muss - natürlich nur, wenn man am Urteil anderer interessiert ist. Und Freundinnen sind da schon wichtig.

Aber dein Fazit sagt auch, dass, egal, was andere von ihm halten, man spürt, ob einem jemand gut tut. Und das ist die Hauptsache, die man schwer in Worte fassen und nie wirklich verständlich erklären kann.

Du hast das sehr schön ausgedrückt.
"Das Leben ist leicht mit ihm." ist wirklich eine der schönsten Liebeserklärungen.
Danke

Gruß
Dea
*****e_M Frau
8.519 Beiträge
Deine Geschichte gefällt mir sehr gut Cleo.

Oft sind gerade diese Art Gedanken und Überlegungen, der Versuch von der Außensicht zu schauen, sehr klärend und hilfreich, rücken Blickwinkel zurecht und machen vieles einsehbarer.

LG, Odette
*****_nw Mann
505 Beiträge
Mein neuer Vorsatz: wenn ich eine Geschichte lese, schreibe ich auch einen Kommentar dazu. Ich muss also, und dann muss es auch mehr sein als: "Du hast mir mit Deinen Zeilen den nebligen Tag ein wenig aufgehellt."

Fast jeder Satz hat bei mir zustimmendes Nicken ausgelöst. Henriette hat wohl wirklich einen Glückstreffer gelandet, Laura spürt das und mäkelt nicht wie üblich herum. Ich freue mich über die Freundschaft der beiden Frauen, ich freue mich für Henriette. So wünscht man es sich für sich selbst.

(Manchmal geht es sogar in Erfüllung <grins>)

Das hast Du gut herübergebracht, besonders das Bild der Leiter ist sehr plastisch geworden. Bravo!

Verbesserungswürdig empfinde ich die Absätze. Es sieht aus, als hättest Du die eigentlich nötigen Leerzeilen herausgenommen, weil über weite Strecken nur einzelne Sätze abgehackt untereinander gestanden hätten. Etwas mehr Mut dabei, auch unterschiedliche Gedanken in einem Absatz unterzubringen oder, wenn es partout nicht passen will, Sätze umzustellen, würde gut tun.
Ich danke euch für das Lob - und es freut mich, dass ihr erkennt, warum ich diese Anekdote schreiben wollte.

Danke auch Byron, für deine konstruktive Kritik - stimmt, ich war nicht konsequent genug, mehr Absätze zu machen. Beim nächsten mal denke ich daran! .-)
******_46 Frau
1.294 Beiträge
Ich bleibe bei meinem Kommentar emotional und sage einfach, dass es mir gefallen hat!

Danke!
Carmen
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Nachvollziehbare Beziehung ...
... zu wissen warum man mit jemand zusammen ist!

Manche wissen es nicht ...
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