Die Entscheidung
© Nisham 11/2011Fortsetzung von: „Die Grube“, „Der Dolch“, „Das Feuer“, „Die Unruhe“, „Die Verfolgung“, „Das Tier“ und „Die Heilung“
Kurzgeschichten: Die Heilung
Es sieht so aus, als wollte diese Gruppe der Dunkelhäutigen noch etwas da bleiben, denn sie machen keine Anstalten ihr Lager zu räumen. Immer wieder kommen die Kinder in unsere Nähe und versuchen unsere weiße Haut zu berühren. Ja, das muss für sie sehr unverständlich sein.
Wir reden und mit Händen und Füßen, erzählen woher wir kommen. Umso erstaunter bin ich, als einer der Männer im Sand mit einem Stöckchen die Umrisse unseres Segelschiffes zeichnet. Grob zwar, doch deutlich zu erkennen. Und danach führt er so was wie einen Tanz auf, wie das Schiff in der Brandung an das Ufer getrieben wird, sogar die Flammen des Feuers. Also haben sie das alles beobachtet und wissen, woher Mag und ich kommen. Ich versuche ihnen zu erklären, dass etliche Männer mit zwei Booten auf dem Fluss unterwegs sind. Doch ich bin mir nicht sicher, ob sie mich verstanden haben.
Ich verstehe, als mich der eine Mann mit Gesten fragt, wie wir das Tier erlegt haben. Mag steht auf und zeigt, wie sie sich an die Tiere herangepirscht hat, wie sie die Axt durch die Luft hat wirbeln lassen. Dies führt sie an einem der Bäume vor. Laute Rufe erschallen - das scheint sie zu beeindrucken. Und alsbald führt einer der Männer dieses komische gebogene flache Stück Holz vor. Er wirft es in die Luft; das Ding macht einen weiten Bogen und kommt wieder zu ihm zurück. Oder er deutet auf einen Baum, dorthin,wo er ihn treffen will. Er geht viele Schritte zurück und wirft das Ding, das den Baum genau an der Stelle trifft die er vorher gezeigt hat. Also ist dieses Stück Holz eine treffsichere Waffe.
Zwei Frauen bringen zwei komische Tiere mit; sie sind etwa halb so lang wie ich, mit vier recht kurzen Beinen und einem langen Schwanz. Sie sind schuppig, ganz ohne Fell. Diese Tiere werden in dieser Haut direkt im Feuer geröstet. Das Fleisch schmeckt herrlich, zart und saftig, wenn auch etwas ungewohnt.
Am nächsten Morgen, kurz nachdem die Sonne aufgegangen ist stelle ich fest, dass die Menschengruppe ihr Lager abbricht. Was wird mit uns, fragt mich Mag. Ich zucke mit den Schultern. Doch dann beginne auch ich unsere Sachen in die Bündel zu schnüren. Alleine haben wir hier in diesem völlig fremden Land keine Chance. Und sicher ist es auch gefährlich. Also werden wir mit ihnen gehen - wenn sie das zulassen. Mag ist einverstanden, denn auch sie sieht keine andere Möglichkeit.
Als die Gruppe sich auf den Weg macht – zwei Männer gehen schnell voran, die anderen folgen gemächlicher, schließen wir uns an. Niemand beachtet uns, doch niemand hält uns auf. Mit der Sonne im Rücken marschieren wir los. Wir sind wieder bei Kräften und mit jedem Schritt gehen wir in unsere neue Zukunft. Es ist ein seltsames Gefühl, sich mit diesen wenigen Menschen auf einen Weg in ein neues leben zu begeben, denn das erscheint mir nun sehr klar: Die Zukunft, die wir uns erhofft hatten lag anderswo. Doch wir sind nun hier und alles wird anders werden…
Nie hätte ich an jenem Tag gedacht, dass wir uns auf eine Reise begeben würden die nie wirklich enden wird. In eine Welt, wo jegliche Form von Besitz unbekannt ist. In eine Welt in der nicht immer alles so traumhaft ist, doch in der unser Glück zum Alltag wurde.