Nachts
Sie sitzt da. Allein. Wie jede Nacht. Und wartet. Sie sitzt auf dem Sofa. Auf zartem Lindengrün. Der Stoff hat seinen Glanz noch nicht verloren.
Sie schaut in den laufenden Fernsehapparat. Nachrichten. Immer dasselbe. Meist Schlimmes.
Ihr Kopf fällt langsam nach hinten. Ein feines Schnarchen ist zu hören.
Er schaut sie an. Lächelt. Hält ihr den Rücken hin und zieht sein Hemd aus den Hosen. Sie lächelt zurück, ohne ihn anzuschauen. Schiebt ihre Hand unter sein Hemd und gleitet Pore für Pore über die Haut seines Rückens, hinauf und hinab. Sein Atem verbindet sich mit ihrem Streicheln. Sie sind eins. Und es ist gut so. Seit bald fünfzig Jahren.
Heute praktiziert der Bergdoktor im Fernsehen. Immer am Mittwoch. Er mochte ihn auch. Da waren sie sich einig. Wie beim Streicheln. Und darüber, dass sie immer miteinander sein werden, durch dick und dünn gehen, bis dass der Tod euch scheidet.
Dann hat der Tod entschieden: zuerst nehm ich ihn. Nun sitzt sie da, jede Nacht und wartet. Auf ihn.
Und in ihrer Hand atmen seine Poren.
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