AUFBRUCH
Erstarrt. Alles klebte. Das Hemdchen, die Hosen, selbst die Socken. Die Schuhe standen neben ihm. Die Schnürsenkel durchnässt, lagen in einer Pfütze. Einer Pfütze aus Urin. Er hatte sich in die Hosen gemacht. Wie jedesmal. Jedes Mal, wenn der Gürtel auf ihn niederfuhr. Ihn traf. Das Zischen in der Luft. Zum Schmerz wurde. Und wieder. Solange, bis das Zischen und der Schmerz eins wurden. Der Körper leicht vornübergebeugt. So hielt er den Schlägen jeweils stand. Wartend ausserhalb der Zeit. Und dann kam das Licht. Er sah es als Strahl durch diesen Spalt fallen, dort, wo sich der rote Vorhang vor dem Fenster teilte. Er klammerte sich an dieses gebündelte Licht. Starrte in es hinein. Durch es hindurch. Umarmte es, atmete es ein, trank es. Bis er selbst zum Strahl wurde und sein Körper hinausflog. Eindeutig, auswegslos, leicht.
Philip!
Der Mann mit dem Gürtel liess seinen Arm sinken. Er teilte den roten Vorhang und blickte durch das zerbrochene Fenster. Da lag sein Sohn. Auf dem Rasen lag er, als ob er einen schönen Traum grad träumte. Hell verteilte sich das Blut auf seinem Gesicht. Der Mann beobachtete eine Fliege, die sich auf Philips Hals setzte. Wie sie sich von seinem Puls hinauf- und hinabtragen liess, eine irre Fahrt, immer schneller. Und schneller. Bis sie vorüber war.
Nun sass die Fliege ganz still. Der Mann hörte sich atmen. Und husten. Die Fliege krabbelte zu Philips Kinn und hob dann ab. Der rote Vorhang bebte. Er bebte lange. Lange nach. Wie ein Echo. Der Mann liess den Gürtel fallen. Er riss den Vorhang zu Boden. Das Licht blendete ihn. Er stand da, umrandet von einem bizarr schönen Glaskranz. Und dann kam das Zittern. Ohne Ende. Weil er sah, dass Philip aufgebrochen war, in die nächste Welt.
© cs