Eiskalt
Berge von Geschirr aus purem Gold häufen sich auf der unendlich langen, weiß gedeckten Tafel. Vor mir stehen Hunderte von Menschen, die alle darauf warten zu Füßen der Königin in einer silbernen Spülschüssel, in die unablässig frisches warmes Wasser fließt, dass schmutzige, goldene Geschirr zu waschen.Ich stehe in dieser langen Reihe und warte, endlich vor die Königin treten zu dürfen. Ich werde das Gefühl nicht los, fehl am Platz zu sein, so als wäre ich eine Fremde. Ich gehöre nicht dazu! Etwas an mir ist anders! Ich bin nicht wie die anderen Menschen um mich herum. Entsetzen umklammert mich!
„Wer sind sie denn?“ fragt mich eine der aufgeputzten Damen.
„Ich bin die Tochter der Königin!“ antworte ich zaghaft.
Die Aufgeputzte gibt ein leises Kichern von sich. Böse Blicke wandern ihr von den anderen Anwesenden zu. Dann herrscht wieder diese Stille, in der man nur das leise Klappern des Geschirrs vernimmt.
Das Warten scheint unendlich, doch dann bin ich dran. Ich stehe vor dem silbernen Trog. Lasse langsam das Geschirr, das ich trage, in das warme, schaumige Wasser gleiten. Während ich spüle, fällt mein Blick immer wieder auf den Rocksaum der Königin. Es dauert lange, bis ich wage der Königin ins Gesicht zu blicken.
Sie erstarrt! Das Wasser, das noch eben warm aus der Leitung kam, wird eiskalt - wie ihr Blick!
Ich spüle langsam weiter, meine Hände werden klamm, schließlich eiskalt, wie der Blick der Königin, den entsetzt sie nicht mehr von mir abwenden kann.
Die Kälte kriecht in mir hoch, wie ein Wurm, der nach Nahrung sucht. Ich spüre wie die Kälte mein Herz erfasst und es erstarrt.
„Warum tust du mir das an?“ flüstere ich.
„Ich hasse dich! Ich hasse dich, seit mein Blick das allererste Mal auf dich fiel!“ zischt sie leise.