Zwischen uns ist „nichts“ passiert?
Also, gestern Abend kamst du vorbei, bei mir Zuhause. Hast dich nur kurz vorher angemeldet und natürlich sagte ich "Klar, komm vorbei." Du warst kurz angebunden, aber zumindest kamst du gleich zur Sache. Du wolltest mir keinen Kuss geben an der Haustür und keinen Drink annehmen, du hättest nicht viel Zeit – wie immer.Du sagtest etwas, das ich nicht zum ersten Mal hörte. Du wolltest es nicht schreiben oder am Telefon sagen, sondern mir dabei ins Gesicht schauen, hast du betont. Eine große Geste, eine nach außenhin so offenherzige, gutmütige Tat.
„Was zwischen uns passiert ist, war nichts, nichts von Bedeutung. Das verstehst du hoffentlich. Ich habe keine Zeit für etwas... Festes. Das kannst du bestimmt akzeptieren, okay? Schön.“ Und weg warst du.
Nichts. Die Abwesenheit von Etwas. Warum meintest du denn, dass das gesagt werden musste? Wenn es wahr ist, ist das doch nicht nötig? Oder glaubtest du, meinen Eindruck von „uns“ ins rechte Licht rücken zu müssen? Ich habe nie bemerkt, was für ein starkes Wort das ist – Nichts. Nicht einfach „etwas kleines“. Eher ein großes schwarzes Loch, das alle Gefühle aufsaugt, eine gähnende Leere, ein Abgrund, ein unerträgliches Nicht-Vorhandensein von jeglichem.
Ich bin keine Verrückte. Ich weiß, dass wir keine „Beziehung“ hatten, dass du nicht mein „Freund“ warst. Wir waren keine Verliebte, kein Paar, wir hatten keine romantischen Treffen. Ich verstehe den Unterschied zwischen dem, was wir taten und dem Sich-um-den-Hals-fallen und Zusammen-in-den-Sonnenuntergang-reiten. Aber es war nicht Nichts.
Mir scheint, dass sich in unserer Kultur Männer und Frauen immer wieder falsch verstehen, wenn sie etwas tun, das eigentlich ganz natürlich sein sollte. Dinge, die man anfassen kann, die man quantitiv und qualitativ beurteilen kann, werden als „real“ oder „echt“ bezeichnet. Aber andere, wie Gefühle, Beziehungen, Empfindungen, körperliche Anziehung und unsere Reaktionen darauf, sind unfassbar, unwirklich, verweichlicht und will man nicht als ausschlaggebend betrachten, wenn man Entscheidungen zu treffen hat. Nur weil etwas nicht fassbar ist oder man es nicht sehen oder zählen kann, heißt nicht, dass es diese Dinge nicht gibt.
Es war keine Beziehung, was wir die letzten drei Monate miteinander hatten. Wenn das so gewesen wäre, hättest du jetzt nicht plötzlich ein Problem damit, dass ich so etwas wie Gefühle für dich entwickelt haben könnte. Aber nur dadurch, dass du offensichtlich dem „Ding“ zwischen uns keinen Namen geben wolltest, kannst du nicht verhindern und mir nicht verbieten, etwas für dich zu empfinden.
Was wirklich passiert ist? Ich mochte dich. Du schienst mir ein interessanter und netter Mensch zu sein. Wir lachten zusammen, wir schliefen zusammen. Der Sex war nett, nicht umwerfend, aber gut. Und du hast eines Abends jeden einzelnen meiner Finger geküsst, als ich auf dem Sofa einschlief, ich hab es gespürt. Und fand es süß. Was passiert ist? Du sagtest mir, dass du dich wohl fühlst mit mir und du mich am liebsten immer um dich hättest, weil es dich froh machte. Aber das ist Nichts, offenbar.
Ich bitte dich nicht um einen Ring am Finger oder ein Mahnmal, erbaut zum Gedenken an diese vorübergehende Affäre. Ich bitte dich nur um eins: sag mir nicht, ich hätte es mir nur eingebildet. Lass es einfach zu Ende gehen, ohne es zu benennen. Lass mich glauben, dass auch etwas wie diese kleine Sache zwischen uns großartig sein konnte, und es einfach gut war.