Wüstenblüte 6
Wenn Mann und Frau bedenkt, dass meine Königin sich in meinem Namen geisselt, so wird der Mensch verstehen, welch widersprüchlich Gefühl in meiner Brust sich streiten.
Stell er sich den Stolz die Freude vor, die es bedeutet, von einem Freunde so hochgeschätzt zu sein, dass er mit Absicht, um den Feind zu binden, die Sklaverei wählt. Denn sie ist gefangen, meine Liebe. Gefangen vom Räuberhauptmann, der sie aus der Gosse gezogen und auserwählt, ihm dienstbar Frau und Gefährtin zu sein. Sicher überwog zu Anfang sein Großmut, wie meist, wenn Menschen des Elends gewahr werden, doch schon kurz nachdem der Alltag eingefahren, rutscht die edle Seite des Ritters in den Schatten und es marodieren simpelste Gewohnheiten, von Selbstsucht und Neid eifersüchtig bewacht, gar notfalls mit Gewalt erzwungen. So sterben dann die letzten Funken des Gefühls, das anfangs hat das Paar allen Widrigkeiten zum Trotze zusammen geschweisst.
Holla, die Waldfee! Dahin ist dann jegliche Freude aneinander und jeder fühlt Verpflichtung statt Liebe. Was anfangs das köstlichste aller Freudenmahle, wird so zum scheinbar überlebensnotwendigen Fraß. Keinem schmeckt die Suppe mehr, doch Jeder zwingt den Anderen, sie im Namen der Treue und Verantwortung auszulöffeln. So manch fehlgewürzt Gebräu vermag ein guter Koch zu neuer Frische zu verhelfen. Doch ist die Suppe erst richtig versalzen, verliebt sich meist einer der beiden Köche neu.
Da eine neue Liebe kein Wässerchen trüben kann, schmeckt die eigne Suppe wieder. Nur die des alten Beikochs, des Helden vom letzten Jahre weigert sich den Schlund gen Verdauungstrakt zu verlassen. Der weiße Schimmel des gepökelten Ritters wird zum sturen Esel, die einst so wunderschöne Prinzess mutiert zum feuerspuckenden Drachen. Wie schade doch!
Doch.
Manchmal verwandelt sich zum Leidwesen Aller der edle Prinz in einen Kerkermeister und die Nachtigal stellt das Singen traurig ein. Weshalb der Kerkermeister hocherzürnt die Futterrationen kürzt und sie nur bei Wohlgefallen ausnahmsweise etwas üppiger zum Mahle reicht.
So muss es auch meiner Königin geschehen sein. Sicher war sie am Anfang bass erstaunt, ob der herben Männlichkeit, dem Urwuchs des Mannsbildes, das sie so unvermut zum Weib erkoren. Doch wieder einmal zeigte sich alsbald, dass unvollkommne Liebe zur Erblindung führt und eh Frau doch oft auch Mann sichs versieht, die Ehegemächer zu einem zugigen und feindlichen Orte werden. Wer da wen in die Gruft zwang, ist meist von Aussen nicht mehr zu erkennen. Sicher ist jedoch, dass Beide, nun zornig jämmerlicher Knappe und vormals heisser Feger, jetzt feuerspuckend Drache der festen Überzeugung sind, dass sie selbst und nur sie die reinste Unschuld gepachtet haben. Auf Lebenszeit versteht sich. Man stelle sich den grausamen Ritt vor, so es noch zu einem Ritt kommt und sich Drache und Ritter nicht versuchen, gegenseitig zu zerstören.
Der findige Leser sieht schon, welch traurig Verzückung meines Geistes Armut nutzt, um sich in dunkel schwere Gemütsverfassungen zu bringen.
Doch merke er auf:
Mein Herzblatt fügt der Fron sich nur, um meine Haut zu retten.
Noch konnt der Himmel sie nicht überzeugen, dass meines Schutzes genug ist. Mich behüten Engel und Bengel, denn Alles was mir begegnet, ob freudvoller oder gar schmerzhaft, lehrt mich die Liebe zu bewahren, auch in bedrohlichen Situationen meinem tiefsten Herzen den Oberbefehl zu belassen und zu vertrauen. So schwer das manchmal ist, es hält die Seele auf Kurs. Auch die meiner Widersacher.
Doch was wage ich, ihr Rat zu erteilen?
Gilt nicht das Gleiche für mich? Wenn ich dem Peiniger meiner Liebe deren Hand aprupt entzöge, um sie in Sicherheit zu bringen, auch gegen ihren ängstlichen Willen, wäre das wirklich Frevel?
Es wäre die Antwort in der Sprache des Räuberhauptmannes.
Dies gälte nach uralter Überzeugung als rechtmäßige und erforderliche Erfüllung der Aufgabe des Mannes, seiner Gefährtin gegenüber. Allerdings des Mannes, der sich seit Urgedenken seine Frau untertan macht. Der mag ich nicht sein und kann ihn auch nicht überzeugend genug spielen. Aus solchem Material sind Räuberhauptmänner und Kerkermeister geschnitzt. Somit läuft es auf die ewig auftauchenden Moralfragen hinaus:
Held oder Heißsporn?
Weiser oder Feigling?
Noch kann ich ihre Stimme hören, wenn ich des Nachts einsam den Sternenhimmel nach einer Botschaft von Ihr absuche. Sie sagte und sagt noch immer: "Es braucht Geduld! Bitte, tu jetzt nichts!"
Doch höre ich Sie am Ende aller Tage auch bittere Tränen vergiessen.
Dann frage ich mich, wie lange ein Geduldsfaden gezogen werden darf. Noch sagen auch die Sterne und alles was mir raunt: "Geduld. In der materiellen Welt ist noch nicht die Zeit der Handlungen. Das Negative wird sich schon bald selbst auflösen."
Das ist eine angenehme Weissagung!
Neben Geduld würde mir in meiner Ungeduld auch mehr Vertrauen gut tun. Nun bete ich, das ich zur rechten Zeit die Zeichen erkenne und den Mut aufbringe, das Nötige zu tun. Denn meine Königin hat Ihren Teil für mich schon lange getan! Bis es endlich soweit sein wird, schick ich Ihr Rosenduft, Schalmeien, Musenküsse und alles was mein Herz vermag, Ihr zu zu träumen.
So Gott, das Leben es will, werden wir uns bald schon glücklich sehen.
Umso erfreulicher, wenn am glücklichen Ende selbst des Räuberhauptmanns Seele geläutert ward.
Wär ich ein Priester, wär mein letztes Wort:
So sei es!
immer wenn DU
mir im morgengrauen
in den ohren klingelst
geht die sonne auf
zuerst erschreckts mich
doch sobald
den klang ich
deiner stimme höre
wächst in meinen adern
ein tango froh
spielt bandoneon
in meinem herzen
trauer brandet auf
nur kurz wills hadern
dann wärmt uns ganz leicht
ein glänzend übermorgen
und obwohl schon bald
der sorgen alltagsruf
uns wieder unterbricht
bleibt etwas von dir
klingt nach licht
bis ich dich wiederhör
schenkt geduld
mir und vergissdichnicht