Verliebt sind wir alle kleine Mädchen
Herzen, gezeichnet auf ein beschlagenes Fenster, herausgerissene Notizbuchblätter voller Kritzeleien seines Namens. Initialen und Plus-Zeichen. Träume von einem gemeinsamen Namen, einem gemeinsamen Leben. Ein goldenes Armband, wieder Initialen, schwer um ein Handgelenk, um das man seinen Daumen und Zeigefinger wickeln könnte. Jacken, zu breit in den Schultern, zu lang an den Ärmeln. Am Geruch zu erkennen. Blind wiederzuerkennen.
Du siehst nicht über den Moment hinaus, weil du mittendrin steckst. Initialen werden zu Herzchen, die Plus-Zeichen zu Ringen. Du schwärmst. Du sagst Ich liebe dich, auch wenn du du gar nicht Ich liebe dich meinst. Ich liebe dich wird zum Ersatz für alles, was du nicht sagen kannst. Du denkst nicht nach über die Dinge, die du nicht sagen kannst, weil du zu beschäftigt bist damit, Ich liebe dich zu sagen. Wenn – nicht falls. Niemals falls.
Ein unmöglich dauerhaft zu haltendes, fieberhaftes Gefühl, das vorbei gehen wird, auch wenn du nicht auf die hörst, die dir sagen, dass dieses unmöglich dauerhaft zu haltende, fieberhafte Gefühl, das du gerade empfindest, vorbeigehen wird. Nicht wir. Nicht zwei Initialen-Paare, verbunden durch ein Plus-Zeichen.
Du zeichnest mehr Herzen. Du verdrehst die Initialen und bist jetzt oben, oder nicht mehr oben. Du malst sie bunt aus.
Beste Freunde, für immer. Das Lied hat nicht recht – Liebe wird uns nicht auseinanderreißen. Nichts wird uns auseinanderreißen. Für immer, und ewig. Wir brauchen keine Hochzeitsreiseziele – weil du mein Ziel bist und ich deins. Wir brauchen keinen Doppelnamen – ich hab mich dran gewöhnt, deinen zu benutzen.
Doch dann wachst du eines Tages neben jemandem auf, der zu einem Fremden geworden ist. Nicht über Nacht, obwohl es sich so anfühlt. Oder vielleicht bist du es, der sich geändert hat. Du wachst eines Tages auf und bist anders, als du vorher warst und du weißt nicht, wie du zu dieser Person geworden bist.
Du liebst, aber du bist nicht mehr verliebt. Du hörst auf, Ich liebe dich zu sagen, wenn du alles andere meinst außer Ich liebe dich. Du glaubst nicht mehr an Plus-Zeichen und Herzen auf beschlagenen Scheiben. Du findest sie albern. Eure Initialen sehen nicht mehr gut zusammen aus. Es fällt dir immer schwerer, ich liebe dich zu sagen. Bis du eines Tages sagst ich liebe dich nicht mehr.
Unmögliche, erste Liebe. Sie ist aus gutem Grund die Erste Liebe. Denn nach ihr kommt die Zweite Liebe, und danach die Dritte und dann die Vierte und danach mehrere Lieben, die du jetzt noch nicht liebst, aber die du, eines Tages, lieben wirst. Auch sie lieben dich noch nicht, aber sie werden es tun.
Neue Freunde, neue Gerüche, neue Gefühle. Neue Initialen. Herzen, gemalt auf kleinen Zetteln, die du auf das Kopfkissen legst. Neue Körper, auf denen du deine Fingerabdrücke hinterlässt. Albernheiten machen wieder Spaß. Deine Kritzeleien bestehen aus Buchstaben, die Namen und Namen, die dein Ein und Alles bedeuten.
Du sagst, ich liebe dich und meinst es, in dem Moment, echt!