»Zug um Zug« ...eine etwas längere "Kurz"-Geschichte
Zug um Zug (Teil I)Es war schon ein seltsames, nein — ein unbeschreibliches Gefühl in dieser noch so jungen Spätfrühlingsnacht im sogenannten West-Ost-Express in Richtung Berlin zu sitzen. Allein, in einer angespannten Erwartung, die sich in gleichen Anteilen aus der stolzen Überwindung der Angst vor nächtlichen Bahnreisen und dem Gefühl des „Doch-nicht-alleine-seins“ zusammensetzte.
Letzte Woche Montag hatte Sie Ihren x-ten Geburtstag mit ein paar Freunden im kleinen Kreis bei ihrem Lieblings-Italiener gefeiert. Ein paar Kolleginnen und Kollegen, ein paar gute Freunde und ihre um einige Jahre ältere Schwester, die extra für diesen Abend aus München angereist war, hatten in feucht-fröhlicher Runde den kulinarischen Köstlichkeiten des Hauses gefrönt und dem Vino und Grappa zugesprochen ‚bis der Arzt kam‘.
Auch Marc war an diesem Abend ihr Gast. Marc – Kollege, Nachbar und Zweckerfüller ihrer heimlichen Fantasien, von denen sie als Wieder-Single nur allzuoft Gebrauch machte. Selbstverständlich war sie nicht gerade ein Kind von Traurigkeit und vor noch nicht allzulanger Zeit hatte sie nach dem Motto ‚carpe diem, carpe noctem‘ gelebt.
Aber sie mußte sich eingestehen: Es war nicht die spaßige Zeit, die sich erhofft hatte. Und nun war sie, bedingt durch ihren neuen Job, tagtäglich zehn bis zwölf Stunden an ihre Arbeit gefesselt. „Der Preis des Erfolges!“ hörte sie ihre durchweg jüngeren Ex-Kommilitonen höhnen; der pure Neid sprach aus dieser halb-bedauernden, mit vollkommenem Unverständnis oft gemachten Bemerkung wenn es um die angestrebten beruflichen Ziele der Zukunft ging.
Jeder von ihnen hätte ohne Zögern mit ihr getauscht, denn wer konnte schon einen solchen Karriereschub vorweisen und prompt nach dem Abschluß des Studiums und einem nachfolgenden Praktikum als stellvertretende Referatsleiterin mit einem ansehnlichen, nie erträumten Gehalt aufwarten!
Ganz einfach: Sie, weiblich (die einzige Tatsache an der sie selbst nie zweifelte), mehr als ein Drittel Jahrhundert alt, nicht ganz 170cm groß, traumhafte Figur (sagten jedenfalls die Männer), sexuell unerfüllt aber mit den besten Absichten, dies in Zukunft zu ändern. Genau dies war der Punkt der sie zeitweise zur Verzweiflung trieb und dem Leben dann doch eine kleine, graue Seite anheftete.
Ansonsten hörte sich ihr Steckbrief danach an, nur einmal als Kontaktannonce aufgegeben werden zu müssen — wenn überhaupt! Sie wußte nun nicht ob sie weinen oder lachen sollte. Welcher Belzebub hatte sie geritten, sich auf die kommenden drei Tage einzulassen, an denen Sie alle monatelang gehegten und gepflegten Vorsätze über Bord werfen wollte und zu einer Schandtat bereit war, über deren eventuelle Folgen sie sich keine Gedanken machen wollte.
„Keine Gedanken über die Folgen machen ...“ — ein Umstand, der ihr einen teilweise angenehmen wie auch unangenehmen Schauer über den Rücken laufen ließ.
Sie schreckte plötzlich aus diesem, von einem, Ihre Mundwinkel umspielenden Lächeln begleiteten Gedanken auf und starrte gebannt aus dem Abteilfenster auf die vorbeirasenden Lichter, die vereinzelt in der Dunkelheit der Nacht auftauchten und sich in langgezogene Neonfäden verwandelten.
Es war kein Zufall, daß sie der Sekretärin gesagt hatte, sie möchte bitte ein Abteil im Nachtzug reservieren. Auf den etwas seltsamen Gesichtsausdruck der schreibenden Organisationskraft hatte sie mit einer Begründung reagiert. „Erwischt!“ war der erste Gedanke, der ihr in diesem Moment schlagartig durch den Kopf schoß. Wer rechtfertigt sich gegenüber einer untergeordneten Mitarbeiterin?
Außerdem ging ihr Privatleben keinen Menschen etwas an. Den Wunsch zu haben, sich auf der Hinfahrt zu entspannen um dann ausgeruht das lebendige Berlin ausgeruht und voller Elan erforschen zu können, erschien ihr dann zur Genüge der Sekretärin recht plausibel und sollte den unerschöpflichen Wissensdrang ihrer Kollegin auch bis auf weiteres befriedigt haben. Und für die Sekretärin war es anscheinend die normalste Sache der Welt, daß ihre Vorgesetzten die geäußerten Anweisungen mit einer Rechtfertigung versahen.
Vor allen Dingen wenn es sich um private Angelegenheiten der Vorgesetzten handelte.
Und nun saß sie also, in keinster Weise entspannt, in dem eigens für sie reservierten 1.Klasse-Abteil des Nachtzuges in Richtung Berlin.
Noch vor einer Stunde war ihr Versuch, die sich anbahnende nervöse Anspannung durch das Lesen eines Modemagazins zu bekämpfen absolut kläglich gescheitert. Sie hatte den Kampf verloren und es sich nicht nehmen lassen, die Zeitschrift in hohem Bogen durch das Abteil fliegen zu lassen. Bei dieser Aktion wurde ihre friedlich herumstehende Tasche in Mitleidenschaft gezogen und fiel wie im Zeitlupentempo auf den Abteilboden. Der Inhalt der unschuldigen, vollkommen arglosen Tasche kullerte über den Boden und auch der immens wichtige, für Außenstehende nur mit belanglosen Zahlen bekritzelte, Notizzettel segelte nicht gerade elegant durch das Abteil. Diese Zahlen waren der Schlüssel zur erfolgreichen Erfüllung des Lust-Anteils an der vor wenigen Stunden begonnenen Reise...
Die Planungen des Spiels hatten schon vor Wochen begonnen. Doch zu jenem Zeitpunkt damals war ihr noch nicht klar, daß sie ein paar Wochen später in nervenaufreibender Erwartung des, ihr wohlbekannten Unbekannten einen Zug besteigen würde um ein Abenteuer zu realisieren, von dem sie schon seit Monaten in ihren Fantasien Gebrauch machte um sich die erlösende Entspannung zuteil werden zu lassen, die sie aufgrund Ihrer zeitraubenden und übermächtigen Arbeit in keinster Weise vom anderen Geschlecht zu erwarten hatte.
Ja – in dieser Beziehung war sie perfekt; es war schon fast furchteinflößend mit welcher ausgefeilten Perfektion und Erfolgsgarantie sie es sich angeeignet hatte, Befriedigung zu erlangen.....ohne auf das Zusammensein mit einem Mann (deren Charakter sie seit einiger Zeit in den meisten Fällen eh anwiderte) angewiesen zu sein.
Allein schon der Gedanke daran, selbst entscheiden zu können wann, wo, wie und mit wem es passieren soll gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und Macht.
Auf der anderen Seite war das Eine in keinster Weise mit dem Anderen zu vergleichen, hatte sie doch in den letzten fünfzehn Jahren weniger das unverschämte Glück gehabt mit Männern zusammengewesen zu sein, die über das außergewöhnliches Talent verfügt hätten, auf ihre speziellen Bedürfnisse einzugehen. Es gab natürlich auch noch den Umstand, daß sich die Art Ihrer Bedürfnisse in den letzten Jahren gewollt oder ungewollt erweitert hatten und auch viele Türen zu neuen Räumen geöffnet wurden, die sie bis zu dieser Zeit nie betreten hätte. Die Schubladen ihres erotischen Fantasie-Vorrats waren nun prall gefüllt und es war für jede Art des gedanklichen Liebespiels etwas dabei.
Selbstverständlich hatte sie auch in den letzten Monaten einige Männer. In ihrer mittlerweile ausgeprägten Phantasie.
Das Verfahren, oder sollte man sagen: der Akt, war einfach und mit keinerlei Verpflichtungen gekoppelt: Sie nahm sich in ihrer Vorstellungskraft wen oder was sie brauchte und warf den- oder diejenige danach weg. Das Lust-und Launeprinzip! Und die Moral? Dieses Wort hatte sie vor geraumer Zeit ohne mit der Wimper zu zucken aus ihrem Wortschatz gestrichen und in ihren gedanklichen Abenteuern durch ein Verhalten ersetzt, welches dem einer ‚Gottesanbeterin‘ sehr nahe kam.
Was hatte sie nun nach der langen Zeit des erfolgreichen Praktizierens dieses Methode dazu veranlaßt diesem Prinzip untreu zu werden und sich auf ein anstrengendes, zeit- und vor allen Dingen nervenaufreibendes Abenteuer einzulassen, dessen Folgen in keinster Weise abzusehen waren?
Es erklang die sonore Stimme des Zugbegleiters durch den Abteillautsprecher um zu verkünden, daß der nächste Halt in wenigen Minuten anstehen würde. Ihr Treiben wurde emsiger, den im Abteil verstreuten Inhalt ihrer Tasche wieder einzusammeln und ungeordnet zurückzupacken. Sie nahm sich eine neue Zigarette aus dem Etui das unter den Sitz gefallen war, zündete sie an und entließ den ersten Zug in kleinen Kringeln durch ihre leicht geschminkten Lippen. Ja, sie hatte sich die Lippen geschminkt.
Auch wiederum eine Abnormalität zu ihrem normalen, täglichen Verhalten. Aber auch dies gehörte zu dem anstehenden (oder sollte sie sagen: schon laufenden?) Spiel.
Sie rauchte seit einigen Tagen zuviel! War sie nervös? Sie – jene Frau, welche die Männer in Scharen nach ihrer Pfeife tanzen ließ, sie jeden Abend in ihren Fantasien insgeheim ohne deren Wissen, nach Lust und Laune erniedrigte und sich , wenn sie es selbst wollte auch erniedrigen ließ? Ja, sie war nervös; mehr noch ..... sie hatte Angst!
Worauf sie sich im Laufe der letzten Wochen eingelassen hatte und was nun im wahrsten Sinne des Wortes seinen Höhepunkt in den nächsten drei Tagen finden sollte, war anders! Noch bestand die Möglichkeit sich in ihrem Abteil umzukleiden und das Spiel zu beenden. Genug Garderobe war in den Koffern vorhanden um sich, noch fristgerecht in Windeseile umzuziehen und das, in dem letzten Brief vereinbarte Erkennungszeichen — ihre momentane Kleidung — abzulegen (allzuviel war es eh nicht) und dem Anderen dadurch unmißverständlich mitzuteilen, daß sie das Spiel abbrechen wolle!
Schon allein der erregende Gedanke daran, daß sie sich unter ihrem Kostüm nackt auf dieser Reise befand, veranlaßte sie dazu den Gedanken an einen Spielabbruch augenblicklich zu verwerfen. Es war prickelnd, sich vorzustellen was die männlichen (und wahrscheinlich auch einige weibliche) Mitreisende in diesem Zug dafür gegeben hätten in diesem Abteil zu sitzen und nur darauf zu warten, daß sie eine unüberlegte Bewegung machen würde und sie einen Anblick erhaschen könnten, wenn sie um dieses kleine Geheimnis ihrer spärlichen Kleidung gewußt hätten. Sie mußte unwillkürlich lächeln und ihre Anspannung verwandelte sich langsam in eine Art Vorfreude auf das, was in den nächsten Stunden kommen würde.
Es gab nur ein Problem ..... sie wußte nicht im geringsten was sie erwartete. Und dieser Gedanke spielte nun sein gnadenloses Spiel mit Ihr, denn wenn sie etwas über alle Maßen haßte, war es der Umstand etwas nicht selbst steuern zu können. Steuern, lenken, beeinflussen! Das waren die Stichworte sich zu vergewissern, daß alles in ihrer Macht stehende vorbereitet war und es ihrerseits keine Spielpannen geben konnte.
Hektisch drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus und kam nicht drumherum sich dabei leicht aber sehr schmerzhaft den Zeigefinger zu verbrennen. „... sich die Finger verbrennen..“ – oh, bloß jetzt nicht abergläubisch werden und an Voraussagungen denken, betete sie sich selbst vor!
Sie stand auf um das Kästchen von der sich über ihrem Sitz befindlichen Kofferablage zu nehmen als die Tür zu ihrem Abteil aufgezogen wurde: Sie stand ohne Schuhe auf den Zehenspitzen und ihre Arme nach oben gereckt als sie durch das Öffnen der Abteiltür so erschreckt wurde, daß sie herumfuhr und dabei mit dem erfolgreich geangelten kleinen Kiste ihre Tasche zum zweiten Mal von der Fensterablage fegte.
„Pardon, haben Sie Feuer für mich?“ fragte der angegraute, ungefähr fünfundsechzigjährige Herr freundlich und sie antwortete mit der, ihr fast glaubhaft angeborenen Schlagfertigkeit: „Aber selbstverständlich, auf dem Boden dort. Bedienen Sie sich!“. Aber auch der elegant gekleidete ältere Bittsteller ließ sich nicht beirren und verließ das Abteil mit einem netten „Weiterhin eine schöne Reise!“ — nachdem er sich mit dem auf dem Boden liegenden Feuerzeug bedient hatte und es ordentlich wieder zwischen Lippenstift, Kugelschreiber und allen anderen auf dem Abteilboden liegenden Dingen plaziert hatte.
Sie dachte darüber nach ob der Besucher wohl darauf geachtet hatte, daß sich kein BH-Verschluß unter ihrer gespannten Kostümjacke und kein Slip unter ihrem doch recht engen und kurzen Rock abgezeichnet hatten als sie angespannt versucht hatte auf Zehenspitzen stehend das „Schatzkästchen“ in ihre Gewalt zu bringen.
Sie war sich nicht sicher, ob Männer in diesem fortgeschrittenen Alter auf so etwas achteten, oder ob vielleicht gerade in diesem Alter die Männerblicke schon fast automatisiert jeden Frauenkörper blitzartig auf diese Feinheiten untersuchten — und bemerkte nun, daß sich ihre Gedanken immer mehr auf ein Thema zubewegten und eine unsichtbare übergroße Hand langsam aber sicher Besitz von ihr ergriff.
Wiederum begann sie damit das verstreute Sammelsorium ihres Tascheninhalts zurückzupacken und nutzte unbewußt diese Gelegenheit um die von der Zigarette angeschlagene Bemalung ihrer Lippen zu korrigieren, als sich ihr der vorhin gekommene Gedanke bestätigte: Sie erwischte sich dabei, an alles andere als einen Lippenstift zu denken als sie diesen langsam, ja fast zeremoniell aus seiner Hülle hochschraubte und damit langsam über ihre Lippen fuhr. Automatisch schloß sie leicht die Augen und fuhr dann genüßlich mit der Zungenspitze über ihre Lippen und die Vorfreude hatte nun endgültig Besitz von ihr ergriffen. Sie setzte sich wieder auf ihren Platz, schaute auf die Uhr und begann mit nervösen Fingern auf dem, auf ihren Knien ruhenden, einen momentan unbezahlbaren Schatz beinhaltenden, Kästchen herumzutrommeln.
Noch war es nicht so weit! Die Erwartung am Heiligabend unter dem Tannenbaum auf das erlösende Zeichen zum Auspacken der Geschenke war, im Gegensatz zu Ihrer jetzigen Verfassung nur mit einer Schlaftablette oder der Wirkung eines Glases warmen Biers vergleichbar. Eine weitere Zigarette aus dem Etui zupfend entschloß sie sich das Abteillicht zu löschen und die Vorhänge zum Waggonflur zuzuziehen.
Sie zog die Sitzfläche des gegenüberliegenden Platzes ein wenig näher an den ihren und es war ihr somit möglich die Beine hochzulegen und es sich ein wenig gemütlich zu machen. Bemerkend, daß der Saum ihres knappen Rocks noch ein ganzes Stück höher gerutscht war, beließ sie ihn aber in dieser Position da sie sich darüber bewußt war, daß innerhalb der nächsten neunzig Minuten kein weiterer Fahrgast das Abteil zum Mitreisen betreten würde.....
_______________________________________________________
To be continued....Teil II...die nächsten 35 Seiten ab hier leider FSK 18...und als "Neuling" im Forum weiß ich nicht, durch welches Procedere ich die nachfolgenden Seiten publizieren kann. ?!
Liebe Grüße,
bigteaser2008
(© 2002-2010 bigteaser 2008)