Mehr brandheiße Inhalte
zur Gruppe
Kunst und Sünde
3314 Mitglieder
zur Gruppe
KörperKunst
564 Mitglieder
Das Thema ist für dich interessant? Jetzt JOYclub entdecken

Von der Kunst sich durchzuvögeln

Von der Kunst sich durchzuvögeln
Schuberts Unvollendete dröhnt mir um die Ohren.
Ein Glas Rotwein flankiert mich zur Rechten. Dunkel und sehr trocken.
Zur Linken quillt der Aschenbecher über.
Während ich tippe, klemmt eine blaue Gauloise zwischen meinem Ring- und meinem Mittelfinger.
Jahrelange Übung.
Ich greife zum Glas. Wenn ich zum Glas greife heißt das, dass ich nicht weinen werde.
Mit dem vergießen von Tränenflüssigkeit habe ich schon vor Jahren aufgehört.
Ich bin auf Wein umgestiegen. Gehört ja irgendwie im weitesten Sinne zur Wortfamilie.
Rot wie Blut muss er sein. Dann lohnt sich der Schmerz bei jedem Schluck wenigstens.
Schubert trägt mich fort. Für einen Moment schließe ich die Augen.
Jeden Abend betrete ich die Bühne. Jeden verdammten Abend. Seit nunmehr über zehn Jahren.
Regelmäßig um Punkt 17.00 Uhr beginnt die Vorstellung. Am Wochenende gebe ich sogar Zugaben.
Ich mag nicht mehr. Schon lange ist das Feuer in mir erloschen. Ich glühe nicht einmal mehr. Die Leidenschaft hat sich, nein, ich selbst habe mich auf leisen Sohlen davongestohlen, ohne dass ich etwas davon merkte. Eines Tages wachte ich auf und spürte: ab heute, da ist der Ofen aus. Ich zündete mir eine Zigarette an und inhalierte tief.
So saß ich da zwischen cremefarbenen Laken und starrte in das schmutzige Grau vor unserem Fenster. Ich hatte die dumpfe Hoffnung, dass der heiße Qualm in meinen Lungen vielleicht doch noch etwas zurückbringen könnte, von diesen ehemals heißen Flammen die mich, die uns zwei, einst umzüngelten.
Vergebens.
Das wusste ich.
Dennoch steckte ich mir gleich die nächste an.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Seit diesem Tag bin ich Kettenraucherin. Wider besseren Wissens. Ich rauche und qualme und inhaliere und ziehe und sauge und bete und huste und hoffe so das Feuer wieder zu finden.
Ich ziehe nochmals, bevor ich jetzt dieser Zigarette mit ruppigen Bewegungen im Ascher den Garaus mache. Ich fingere nach der nächsten.
Ich wage einfach nicht nach der Wahrheit zu fragen. Jeden Abend ziehe ich erneut ins Feld uns spiele perfekt. Niemand ahnt etwas von dem Abgrund in mir. Am allerwenigsten Ahnst du etwas davon. Das ist gut so. Ich schiebe es auf. Ich schiebe es vor mir her. Ich finde plausible ausreden. Du warst schon immer eine Herzensguter. Du Vertraust mir. Ich will dich nicht enttäuschen. Es hat ja nichts mit dir zu tun. Nur mit mir. Ich habe mich verloren und ich weiß nicht so genau wo und wieso.
Ich funktioniere. Das habe ich bis zum erbrechen Exerziert. Dahingehend kann ich mich auf mich verlassen. Ich bin Profi.

Ich wachte also eines Tages auf und wusste: Es ist vorbei.
Blöderweise kamen mir diese Worte aber niemals über die Lippen. Kein Sterbenswörtchen habe ich gesagt.
Ich habe einfach weitergemacht wie gewohnt. Ich bin aufgestanden und habe geduscht. Dann habe ich mich um den Haushalt gekümmert. So ging das immer weiter. Wochenlang. Ich redete mir ein, dass im Grunde doch alles wie immer sei. Abends tauschte ich weiterhin liebevolle Gesten, war aufmerksam, gab mich hin und heulte mich anschließend lautlos in den Schlaf. Ich zerfleischte mich, weil ich mir selbst nicht erklären konnte, was mit mir los war. Ich riss mich gnadenlos auf, bis ins Innerste und konnte einfach nichts finden. Rein gar nichts.
So konnte es nicht Ewig weitergehen!
Eines Tages stand ich an der Kasse vom Supermarkt und starrte ins Leere. Sehnsüchtig wartete ich auf die nächste Gelegenheit mir eine anzünden zu können. Ich hob den Blick undefiniert in Richtung Gemüseabteilung und starrte auf einmal in graue Augen. Sie sahen mich aufmerksam an. Dann zogen sie sich unmerklich und fragend zusammen, diese grauen Augen. Mehr sah ich nicht. Nur dieses Grau. Kurz sah ich auf meine Fingerspitzen, die auf dem Griff des Einkaufswagens ruhten. Dann sah ich wieder auf und beantwortete die Frage aus meinen grünen Augen, gab grünes Licht.
Wir trafen uns draußen. Im Zwielicht. Zwischen den Autos. Es ging ganz schnell. Es war wunderbar. Ich spürte mich nicht. Er schob mir den Rock hoch, den Slip zur Seite und seinen Schwanz rein. Dann fickte er mich. Ich fixierte seine grauen Augen, während er mich hart stieß. Ich spüre, wie es ihm kam. In mir. Ich labte mich an seinem Saft. Er zog sich nach einem Moment des Verharrens aus mir zurück. Langsam quoll seine Hitze aus meinem Inneren hervor, meine Schenkel entlang. Seine kühlen Lippen streiften mein Ohr, als ich mich von ihm wegdrehte, um seinem, für diesen Augenblick allzu unpassenden Kuss, zu entgehen.
Ich schob meinen Rock zurecht und ging wortlos.
Etwas hat sich damals in mir gelöst. Ein Funken Erleichterung war spürbar. Ein Funken Wärme, ein Funken Hoffnung. Funken, um Funken glomm auf, ich hoffte sie festhalten zu können, hoffte das Feuer wieder zu entfachen. – Vergebens.
Ich sollte Seufzen. Aber das habe ich aufgeben. Genauso wie das Weinen.
Ich nehme mir eine Zigarette, zünde sie an, nehme einen Zug. Ich bin gerade eben heimgekommen. Ich weiß nicht wo ich war. Es ist auch egal. Ich streife durch diese Stadt, durch die Strassen und im Grunde ist es egal.
Ich funktioniere und suche und nutze jede Gelegenheit zum Funkenflug.

Seit diesem Tag auf dem Parkplatz verweigere ich mich meinem Mann konsequent. Aber Abseits dieser Bastion liefere ich die beste Ehefrau.
Ich gebe mich jedem hin. Jedem. Ungefragt. Eines Tages, so hoffe ich, werde ich mich wieder finden. Ich ging irgendwo verloren.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, denke ich und Schuberts Unvollendete treibt mir die Tränen in die Augen.
Schnell greife ich zum Rotweinglas.
Sehr intensiv...
Erst habe ich es als bekannt gelesen, dann begann mir eiskalt zu werden.
Das im Moment nur eine Auszeit- egal wie schmerzhaft- der richtige Weg wäre setze ioch als bekannt vorraus...
Boah!
Beim Bekannten anfangen und mit dem Unglaublichen enden, in knappen, fast eisigen Sätzen - das macht mir Gänsehaut!

Äusserst gefickt eingeschädelt!

*zugabe* laf
Wow
Wunderschön schmerzerfüllt. Ich hab doch tatsächlich die Hand von der Tastatur gezogen um dem Eishauch dieser Geschichte zu entgehen - aber nur für einen Moment, denn mit lesen aufhören kam nicht in Frage.

*top*
**********_stgt Frau
1.355 Beiträge
Atemlos ...
... ich fühlte mich aufgesogen, hineingezogen und atemlos zurückgelassen!

Genial!
Vielen dank...
Für das viele Lob!!!
Das versüßt mir den Sonntag Abend!
Juhuuuuuu*
keine Frage, die Geschichte ist gelungen...
genieße also den Sonntag Abend *g*

Doch noch etwas zum thematischen Inhalt:

Das im Moment nur eine Auszeit- egal wie schmerzhaft- der richtige Weg wäre setze ioch als bekannt vorraus...

Ich würde mal sagen, dass hier eine Psychotherapie angezeigt wäre..... *zwinker*

Was ich nicht wirklich verstehe, ist der Titel zum Text. Wieso Kunst? Wieso sich durchzuvögeln? *gruebel*

Was ist daran für dich Kunst?
Wieso SICH durchzuvögeln? Ich glaube nicht, dass sie überhaupt irgendetwas spürt...müsste es nicht heißen "sich durchvögeln zu lassen"? passiver, gleichgültiger, devoter, in diesem Fall selbstzerstörerisch "funktionierend"...Ist für mich keine Kunst denn ein Künstler erschafft ein Werk. Hier sehe ich keine Erschaffung, sondern Zerstörung......Oder soll das Werk die Selbstzerstörung sein? Was meinst du? *cool*
****e_a Frau
583 Beiträge
Heftig beschrieben. Ohne Ausweg. Dicht gewoben. Keine Frage, ein gelungener Text.

Einzig den Titel verstehe ich nicht. Worin besteht die Kunst? Meinst du mit durchvögeln bescheissen oder sich durchschummeln?
Für einen Moment...
War ich jetzt versucht in Hinsicht auf die Überschrift Aufklärung zu betreiben...
Aber...
Ich habe mich dagegen entschieden.
Nur soviel sei gesagt: manchmal muss man die Dinge gewissermassen auf eine Spitze treiben um deren Abgründe besser erfahrbar zu machen...
Ja, so vielleicht...
*g*
**********her63 Mann
232 Beiträge
Das ist...
... ja ne ganz schöne Psychonummer, die Du uns hier vorstellst, liebe InsertCoin. Interessant, was bei Dir im Kopf so abgeht... Macht Lust und Angst zugleich. Bei mir überwiegt irgendwie die Lust *g*
*********uptas Mann
452 Beiträge
Toller Text…
…zieht mich rein, muss man fertig lesen, gut beschriebene Gefühlswelt- *danke*
Anmelden und mitreden
Du willst mitdiskutieren?
Werde kostenlos Mitglied, um mit anderen über heiße Themen zu diskutieren oder deine eigene Frage zu stellen.