Abschied
Da ist sie wieder, die totale Vertrautheit zweier Seelen, die sich nach Millenien erneut zusammen finden. Da ist sie wieder, die glasklare Verständigung zweier Menschen, die jedes Wort nur einmal aussprechen müssen und keines erklären. Da ist sie wieder, die absolute Selbstverständlichkeit, die das Geschehen sein lässt und keinen Jota anders wünscht.Es ist doch alles einfach. Sei mit mir. Was braucht es mehr als dich und mich und diesen Augenblick? Wir kennen die Antwort. Es braucht die Kraft, die dir gerade fehlt. Und es tut weh zu sehen, ich kann sie dir nicht geben.
Ich hätte dir so gerne meine Welt gezeigt, die Kirche, in der ich die Kerze entzündete für dich. Ich sehe mich dort stehen und Gott verfluchen, weil ich es nicht verstehe. Ich sehe mich dort stehen und ihm sagen, „mach doch, was du willst. Es wird schon richtig sein“. Und ich sehe uns da sitzen und einig sein darüber, dass es dem Menschengeist nicht gegeben ist, den Sinn der Schöpfung zu begreifen.
Da sind sie wieder, die zwei Millionen Zeitlinien, die sich in meinem Kopf formieren und sagen, „ihr könntet glücklich sein, wenn...“. Und zwei Millionen Male halte ich sie an und schreie, „ihr seid nicht real“. Es gibt nur diesen Augenblick. Und in diesem Augenblick haben Konjunktive keine Chance. Wie könnte ich es anders haben wollen, wenn ich doch nicht weiß, ob anders besser wäre?
Dann wachsen sie, die zwei Millionen Zeitlinien, die sich in meinem Kopf formieren und sagen, „ihr wärt noch viel unglücklicher, wenn...“. Und zwei Millionen Male halte ich sie an und schreie, „ihr seid nicht nicht real“. Und in diesem Augenblick haben Konjunktive keine Chance. Denn es liegt kein Trost in diesen Gedanken.
Ich hätte dir so gerne deine Welt abgelauscht, den Raum, der dein Refugium ist. Ich sehe mich dort stehen und sehen, was du tust. Ich sehe mich dort stehen und dich umarmen. Ich möchte dich locken, zurück in die Welt, und weiß doch, es steht nicht in meiner Kraft.
Ich bin ihn gegangen, diesen Weg, der vor dir liegt. Aber ich weiß, dass mein Weg nicht der deine ist. Jetzt und hier haben wir keine Chance. Wir gehen. Der eine rechts, die andere links. Wir werden es überleben. Hoffentlich. Doch jeder für sich.
Lebe wohl, Geliebter. Vor allem: lebe! Ich liebe dich. Und ich werde dich erkennen, auch wenn Millenien vergehen werden. Sie wird wieder da sein: die totale Vertrautheit zweier Seelen, die sich erneut zusammen finden. Und bis dahin? Werde ich erleben, was immer gerade auftaucht. Denn nur das ist real: dieser eine Augenblick...
© Sylvie2day, 04.03.2012