Eine ganz langweilige Geschichte
Eine ganz langweilige GeschichteBereits seit einer Ewigkeit saß er an der Pforte und hielt Wache. Manchmal knurrte er, dann hob er die Lefzen, nur um sie gleich wieder zu senken. Ab und zu troff Geifer aus seinem Maul, aus einem seiner drei Mäuler. Er gähnte. Er streckte sich. Er schob die Pfoten nach vor und zurück. Legte eine Schnauze auf eine Pfote, dann eine andere. Er schaut sich an.
Dann versuchte er noch, mit sich selbst zu reden. Sogar in Fremdsprachen, versuchte er sich. Eine Weile fand er es ganz witzig, zu miauen wie eine Katze und einer seiner Köpfe konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Als er das bis zum Erbrechen, tatsächlich kotzte der dritte Kopf irgendwann einmal, exerziert hatte, hörte er das Spiel auf, versuchte zu bellen wie ein Fuchs, dann zu fiepen wie eine Maus und schließlich noch ein hochinteressantes und gefährliches Wolfsgeheul, doch das brachte nur den Chef auf den Plan.
Der Chef. Elendes Großmaul. Pfiffiger Dunkelarsch. Einkopf. Dämlack. Futterverweigerer. Ähnliche Gedanken gingen dem Tier durch diverse Gehirnwindungen bevor es sich wieder der Wache zuwandte. Tja … Wache schieben. Tag für Tag und Nacht für Nacht. Für die Ewigkeit. Wie lange die schon dauerte.
Wie lange dauert die Ewigkeit, fragte sich der ungewöhnliche Hund, zumindest war ein Teil von ihm Hund. Versuchsweise wedelte er mit dem Schwanz. Aber ihm war nicht wirklich danach. Es gab nichts Erfreuliches, was diese Tätigkeit rechtfertigen würde. Er fletschte die Zähne. Ergebnislos. Es war keiner da, der in Panik davonrennen konnte.
Müde. Langweilig. Gähnen. Wie langweilig so eine Ewigkeit werden kann. Blöder Fluss. Noch blöderer Eingang. Oder ist es ein Ausgang?
Ein Maul öffnete sich und gab ein gurgelndes Geräusch von sich, dann fiel der Kopf vornüber und landete auf den Pfoten. „Upfmhf“, entfuhr es einer weiteren Kehle, da der Schädel mitgezogen wurde. „Wuff?, machten versuchsweise die dritten Stimmbänder. Der auf den Pfoten liegende Schädel, regte sich nicht, zeigte nur durch leise Schnarchgeräusche, dass er in Morpheus Armen weilte. Der zweite Schädel hing irgendwie seltsam da, den Hals ein wenig verkrampft und rollte mit den Augen. ER sah wirklich furchterregend aus. Der dritte Schädel sang gelangweilt vor sich hin und versuchte diesem Zustand zu entkommen. „Oh Jungfer mein …“, begann er seiner Kehle halb knurrend zu entlocken, was sich bei ihm allerdings nicht wie ein Lobgesang an eine holde Dame anhörte, sondern eher wie das Versprechen auf baldiges Futter und zwar ausgiebiges. Nachdem er zum dritten Mal die drei Worte gesungen hatte, rülpste der zweite Kopf und der erste begann lauter zu schnarchen.
Der Eingang. Dieses wuchtige, unsinnige Tor. War es ein Tor?
Was war ein Tor? Ah, eine Pforte, kam es dem gewaltigen Tier in den Sinn. Wohin sie wohl führt, überlegte ein Teil seiner selbst, woraufhin ihn der andere auslachte. Wenigstens für drei Sekunden wich die Langeweile einem zweistimmigen Gelächter. Dann war es wieder ruhig.
Grabesstille. Was zum Henker, ist Grabesstille? Was ist ein Hen… Ah ja. Der Chef. Einer der drei Köpfe schien ein Philosoph zu sein, zumindest versuchte er sich in gelangweilten Momenten in der Philologik, brachte es aber nie weiter als bis zu diesen Fragen und der einen Antwort.
Der philosophische Kopf drehte sich ein wenig zur Seite, schabte die wuchtige Stirn über den Stein neben dem Eingang, sodass es kratzende Geräusche von sich gab. Einige neue Kerben zeigten sich im Felsen. Er schloss ein Auge, betrachtete die Furche, blinzelte mit dem anderen und machte „Grml“, einige Male sogar, dann versuchte er sich wieder in Fremdsprachen.
Nun gab auch der zweite Kopf der Gravitation nach, landete auf dem Felsenboden und machte: „Chrrrrrr“.
Die Augen des dritten Kopfes blinzelten träge. Es war so langweilig hier. Wachtposten war echt das letzte das man werden wollte. Niemand hatte ihm das gesagt, als er die Stellenausschreibung gesehen und sich schwanzwedelnd beworben hatte. Niemand! Kein Sterbenswörtchen hatte auch nur einer erwähnt, wie LANGWEILIG das hier war. Noch dazu eine Ewigkeit lang mit zwei anderen Köpfen, di sich zuweilen wichtig machten oder nur vor sich hin pennten. Nicht einmal ein richtiges Knurren brachten diese Spinner zustande. Möchtegernhunde.
Pholosophiekopf wurde es nie müde, über die beiden anderen Köpfe schlecht zu denken.
Abermals blinzelte er, die Augen wurden vom Starren langsam trocken, leckte sich das Maul, verteilte mit einem Kopfschütteln rigoros Sabber an seine Kameraden und erschrak heftig.
Wild zog und zerrte er, schob den massigen Körper Zentimeter um Zentimeter nach hinten, der Bauch und der pralle muskelbewährte Hintern bekamen einige Steinchen zu spüren, was ihm ein leises Jaulen entlockte, bis auch die anderen Köpfe erwachten, die Augen öffneten, dann machte er Männchen, streckte wie Lassie die Zunge raus und wedelte mit dem Schwanz.
Cerberus begrüßte Herrchen …
(c) Herta 5/2012