Der kleine Baum
Inspiriert durch den Yogi-Tee Spruch heute morgen hab ich eine ältere Geschichte hervorgekramt...Der kleine Baum
Es wurde einmal ein kleiner Baum geboren. Während er heranwuchs, spielte er mit all den anderen kleinen und großen Bäumen.
Als er größer wurde, bemerkte er, wie die anderen Bäume Wurzeln schlugen und schöner und stärker wurden. Der kleine Baum begann also, seine Wurzeln ebenfalls immer tiefer in die Erde zu treiben.
Mit der Zeit fühlte auch er sich sehr stark. Doch er sah auch die anderen Bäume, wie sie vergnügt lachten und spielten, ohne dass sie ihre Kraft zu verlieren schienen.
Da wurde unser kleiner Baum, der seine Wurzeln immer tiefer in die Erde trieb und der merkte, dass er immer weniger mit den anderen Bäumen spielen konnte, sehr traurig. Er hatte einfach nicht mehr genügend Kraft, sich von seinen Wurzeln zu lösen. Aber er ließ es sich nicht anmerken. Immer wieder kamen andere Bäume zu ihm, um mit ihm zu spielen.
Mit der Zeit bemerkten diese, dass mit dem kleinen Baum etwas nicht stimmte, und manche fragten ihn, was denn los sei. Da der kleine Baum es auch nicht so recht wusste und sich dafür schämte, anscheinend nicht wie die anderen zu sein, stieß er die Meisten von sich weg. Das machte ihn noch trauriger. Doch er versuchte, dies zu verbergen.
Er fing an, seine ganze Kraft zusammen zu nehmen, und tobte herum wie ein Wilder. Viele der anderen Bäume kamen zu ihm. Viele schauten ihm verwundert oder staunend zu, wie er all seine Kraft aufbrachte, um mit ihnen zu spielen.
Aber er konnte sich nicht mehr richtig von seinen Wurzeln lösen, die er immer tiefer in die Erde trieb. Denn er wollte ja schließlich auch so stark werden, wie ihm die anderen Bäume erschienen.
Da wurde er mit der Zeit ganz ängstlich, und schließlich sogar böse. Denn es wollte ihm bei all seiner Kraft nicht gelingen, einfach nur friedlich mit den anderen Bäumen zu spielen. Schließlich zog sich der kleine Baum ganz tief traurig in sich selbst zurück.
Wenn nun hin und wieder noch ein anderer Baum zu ihm kam, dann war er ganz wirsch zu ihm. Die anderen Bäume verstanden nicht so recht, was mit ihm los war. Doch mit der Zeit ließen sie ihn in Ruhe, da sie merkten, wie zornig er werden konnte, wenn man ihn darauf ansprach.
Unser kleiner Baum, der nun schon recht groß und kräftig schien, suchte schließlich bei anderen, großen Bäumen, Rat. Aber die konnten ihm anscheinend auch nicht helfen. Denn sie sagten nur zu ihm, dass auch sie Wurzeln geschlagen haben, und dass sie trotzdem glücklich seien, und noch immer spielen würden, wenn sie es wollten. Er solle doch einfach dasselbe tun, rieten sie ihm.
Manchmal versuchte er mit kleineren Bäumen zu spielen, da er vor denen keine solche Angst hatte. Mit der Zeit wurde ihm aber klar, dass auch diese mit der Zeit stark und kräftig werden und es irgendwie wohl trotzdem schaffen würden, weiter unbekümmert miteinander spielen zu können. Dass er es nicht verstand, bereitete im großen Kummer. Der kleine Baum schaute sich um, doch er konnte nirgends eine Antwort darauf finden, was denn so anders an ihm war.
Eines Tages traf der kleine Baum ein paar wunderschöne Blumen. Diese fragten den Baum, der inzwischen schon recht groß war, ob sie sich in seinem Schatten etwas ausruhen dürften.
„Natürlich“ sagte der Baum, und er freute sich so sehr, dass er zum ersten Mal Glück in sich verspürte.
Da ergab es sich, dass es für viele, viele Tage sehr heiß war, und am Himmel überhaupt keine Wolken zu sehen waren. Mit der Zeit kamen noch andere Pflanzen, um sich im Schatten unseres Baumes vor der Hitze zu schützen. Alle stöhnten sie unter der anhaltenden Trockenheit, und manche hatten sogar etwas Angst. Unser Baum war sehr glücklich, denn er sah, dass er den anderen behilflich sein konnte.
Es war ein gutes Gefühl. Als es nach vielen weiteren Tagen immer noch nicht regnen wollte, sagten ihm die unter seiner inzwischen schon sehr imposanten Baumkrone versammelten Blumen, Sträucher und Gräser, wie froh und dankbar sie wären, bei ihm Unterschlupf gefunden zu haben. Da brach unser Baum vor Glück in Tränen aus, und mit seinen Tränen wässerte er alle, die sich unter ihm versammelt hatten. Da war ein Jubeln und Singen, und viele sprangen zum ersten Mal seit langem wieder hinaus in die Sonne. Nun hatten sie keine Angst mehr, denn sie hatten die Gewissheit, bei dem Baum immer Schutz und Zuflucht finden zu können.
Einige der Pflanzen entschieden, sich bei unserem Baum auf Dauer niederzulassen. Aber auch viele der anderen Pflanzen kamen immer wieder gerne zu Besuch vorbei, und das nicht nur während besonders heißen Sommern.
Unser Baum war nun sehr glücklich, und oft konnte man ihn sogar an regnerischen Tagen dabei erwischen, wie er vor lauter Dankbarkeit ein paar Tränen der Freude vergoss.
(thru F_H 2008)